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Angela Merkel (CDU). Das Glückwunschschreiben der Kanzlerin an Barack Obama fiel nicht überschwänglich aus.

© dapd

Stimmen zur Wahl: Obama wiedergewählt: Wie Deutschland reagiert

Politiker in Berlin preisen den alten und neuen Präsidenten, doch die Erwartungen an seine Außenpolitik sind verhaltener geworden. Viele Deutsche wünschen sich, dass Obama der Welt nun endlich jene Friedensimpulse gibt, die er ihr vor seiner ersten Wahl versprochen hatte.

Von Hans Monath

Berlin - Am Tag nach Obamas Wiederwahl versuchte es der SPD-Politiker Thomas Oppermann mit feiner Ironie. „Vielleicht ist der Wahlsieg auch eine Gelegenheit, den schon ausgehändigten Friedensnobelpreis auch noch zu verdienen“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Der Satz fasst gut den Wunsch vieler Deutscher zusammen, wonach der wiedergewählte Präsident der Welt nun endlich jene Friedensimpulse geben soll, die er ihr vor seiner ersten Wahl so vollmundig versprochen hatte.

Die Formulierung trägt aber auch der Skepsis vieler Außenpolitikexperten in Regierung, Opposition und Wissenschaft Rechnung, deren Erwartungen längst realistisch geworden sind. Vielleicht fehlte deshalb dem Glückwunschschreiben von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die mit dem Charismatiker aus Washington lange gefremdelt hatte, jeder Anflug von Überschwänglichkeit.

Denn auch mit einem Präsidenten Mitt Romney hätte die Bundesregierung wahrscheinlich gut leben können. Zwar hätte ein Sieg des Republikaners mit seiner Skepsis gegen Multilateralismus und seiner Betonung der Machtstellung Washingtons dem untergründigen Antiamerikanismus in Deutschland wohl neue Nahrung gegeben. Zumindest aber im Umgang mit einem der wichtigsten transatlantischen Problemen, nämlich mit der europäischen Schuldenkrise, wäre der Republikaner für das Kanzleramt ein einfacherer Partner als der Amtsinhaber gewesen.

Während Obama die Kanzlerin des stärksten EU-Landes lange massiv dazu drängte, der Krise mit noch mehr öffentlichem Geld zu begegnen und so die Wirtschaft anzukurbeln, versprach Romney, die Staatsausgaben strikt zu beschränken. Auch für den deutschen Plan einer transatlantischen Freihandelszone, für den auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) in seiner ersten Reaktion wieder warb, wäre der Ex-Gouverneur womöglich der leichtere Partner gewesen. Denn Obama nimmt auf amerikanische Arbeitnehmerinteressen und Gewerkschaften Rücksicht, die sich von direkter europäischer Konkurrenz bedroht fühlen.

Mit Obama und seiner Außenministerin Hillary Clinton, die nun ausscheiden wird, hat die deutsche Außenpolitik schwierige Aufgaben im Gleichklang bearbeitet. So hatte Obama die konfrontative Haltung Washingtons gegen Moskau beendet, wodurch die Differenzen zur europäischen und vor allem deutschen Einbindungspolitik gegenüber Russland kleiner wurden. Er ließ sich auch auf den Verhandlungs- und Sanktionsprozess mit und gegen den Iran wegen dessen Atomprogramm ein und machte zugleich Israels Regierung unmissverständlich deutlich, dass er von ihr Entgegenkommen im Verhältnis zu den Palästinensern erwartet. Zur Frage, ob der Wahlsieger tatsächlich einen zweiten außenpolitischen Atem bekommen wird, gehen die Einschätzungen auseinander. Viele Außenpolitiker in Berlin weisen darauf hin, dass die innen- und wirtschaftspolitischen Aufgaben des bestätigten Präsidenten, der seine Nation wieder zusammenführen will, groß genug sind.

Dagegen erwarten der CDU-Außenpolitiker Philipp Missfelder und Experten der Konrad-Adenauer-Stiftung, Obama werde seine Handlungsfreiheit für einen „großen Wurf“ nutzen und womöglich seine Kampagne zur Abschaffung aller Nuklearwaffen („global zero“) wieder beleben oder eine neue Friedensinitiative für den Nahen Osten starten. Auf neue Impulse Obamas zur Abrüstung setzt auch der deutsche Außenminister. „Bei der Abrüstungspolitik muss noch mehr passieren", forderte Westerwelle in New York. Die „Gunst der Stunde“ müsse genutzt werden.

Einfach wird es für Europa nicht mit der zweiten Amtszeit Obamas, denn der Kurs des Präsidenten wird es seinen transatlantischen Partnern auf Dauer kaum erlauben, als passive „Sicherheitskonsumenten“ die Vorteile des Schutzes durch US-Politik und US-Soldaten zu genießen. „Ich glaube, die Erwartung an uns wird eher steigen“, sagte auch SPD- Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier im Morgenmagazin der ARD. Obamas Bereitschaft zu einer Partnerschaft, die auch Gegenleistungen vom Partner verlangt, die desolate Haushaltslage, die auch das US-Militär hart trifft, sowie seine Definition der USA als „pazifische Nation“ werden in Zukunft von Europa ein noch stärkeres Engagement für die Sicherheit im eigenen Umfeld erfordern.

Vielleicht ist es ein ketzerischer Gedanke, dass viele Deutsche und mancher Bundestagsabgeordnete zwar mit einem Präsidenten Romney schwer warm geworden wären, es sich aber in der Fremdheit gegenüber seinem Amerika gern bequem gemacht hätten. Unter Obama droht diese Gefahr jedenfalls nicht.

US-Botschafter Philip D. Murphy hofft übrigens, dass der Präsident die Einladung der Bundeskanzlerin zum Deutschlandbesuch bald annimmt. In Anspielung an die Wahlkampfrede Obamas an der Siegessäule im Jahr 2008 sagte Murphy: „Er hatte ein außergewöhnliches Erlebnis hier in Berlin hier als Senator, und ich weiß, er will zurückkehren.“

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