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Der Bestattungswagen mit dem Sarg von Helmut Schmidt bei der Fahrt durch die Hamburger Innenstadt.

© dpa

Liveblog Staatsakt in Hamburg: Tausende Hamburger nehmen Abschied von Helmut Schmidt

Die Bundeskanzlerin würdigt Helmut Schmidt als "Instanz". Und die Bürger Hamburgs verabschieden sich zu Tausenden vom Altkanzler. Der Staatsakt im Live-Blog.

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1800 geladene Gäste aus dem In- und Ausland +++ Zehntausende an der Strecke erwartet +++ Reden von Angela Merkel, Olaf Scholz und Henry Kissinger

Unsere Sonderseite zu Helmut Schmidt finden Sie hier.

Tausende Hamburger säumen die Straßen. Zehntausende verabschieden sich die Hamburger Bürger in den Straßen von Helmut Schmidt. Manche an der zwölf Kilometer langen Strecke zum Ohlsdorfer Friedhof klatschen Beifall, als der Sarg die Menge passiert. Im NDR-Fernsehen kommentiert Peer Steinbrück die Trauerfeier. "Helmut Schmidt hätte den Staatsakt auch gewollt, er entspricht seinem Selbstwertgefühl", sagt der ehemalige Bundesfinanzminister, "ich hätte mir aber auch eine persönliche Rede gewünscht". "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo antwortet: "Das liegt in der Natur eines Staatsaktes." Die Beisetzung selber soll offenbar in den nächsten Tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit in engstem Familienkreis stattfinden. In dem Familiengrab sind auch Helmut Schmidts Eltern und seine Ehefrau Loki (1919 bis 2010) bestattet, mit der er 68 Jahre lang verheiratet war.

Der Staatsakt in der Sankt-Michaelis-Kirche ist beendet. Acht Offiziere des Wachbataillons der Bundeswehr tragen den Sarg Helmut Schmidts auf ihren Schultern. Dazu ertönt ein Trauerchoral sowie erneut die Nationalhymne, gespielt vom Staatsmusikkorps der Bundeswehr. Zum Abschied erklingt noch das "Lied vom guten Kameraden". Anschließend wird der Sarg in einem offenen Wagen zum Ohlsdorfer Friedhof gefahren.

Angela Merkel spricht beim Staatsakt für Helmut Schmidt in der Hamburger Sankt-Michaelis-Kirche.
Angela Merkel spricht beim Staatsakt für Helmut Schmidt in der Hamburger Sankt-Michaelis-Kirche.

© AFP

Merkel würdigt Durchsetzungsstärke: "Er war wirklich nicht immer einfach und freundlich im Umgang", sagt die Kanzlerin über Schmidt. "Aber, und das zählt, er war bereit, stets den höchsten Preis zu bezahlen." Gegen teils erhebliche Widerstände habe sich Schmidt etwa für den Nato-Doppelbeschluss - die Aufstellung von Mittelstreckenraketen in Westeuropa - eingesetzt. Sein Mut, für eigene Überzeugungen einzustehen, hätten Schmidt Achtung und Respekt bis heute eingebracht. "Er war standhaft." Merkel bescheinigt dem Altkanzler zudem "nüchternen Pragmatismus" und eine "Resistenz vor ideologischer Einengung". Und sie erinnert an seinen Satz "Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen". Den hatte Schmidt später selbst so eingeordnet: "Eine pampige Antwort auf eine dusselige Frage." Die Kanzlerin beendet ihre Rede mit den Worten: "Ich verneige mich vor einer herausragenden Persönlichkeit. Lieber Helmut Schmidt, Sie werden uns fehlen."

Bundespräsident Joachim Gauck steht am 23.11.2015 beim Staatsakt für den früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) in der St. Michaeliskirche in Hamburg vor dem mit einer Fahne bedeckten Sarg. Der Altbundeskanzler war am 10. November im Alter von 96 Jahren in Hamburg gestorben.
Bundespräsident Joachim Gauck steht am 23.11.2015 beim Staatsakt für den früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) in der St. Michaeliskirche in Hamburg vor dem mit einer Fahne bedeckten Sarg. Der Altbundeskanzler war am 10. November im Alter von 96 Jahren in Hamburg gestorben.

© dpa

Kanzlerin Angela Merkel spricht: "Ein Abschied, der irgendwie unwirklich erscheint, sagt die Kanzlerin. Denn der Altkanzler sei bis zuletzt unglaublich präsent gewesen. "Helmut Schmidt wird fehlen." Und: "Helmut Schmidt war eine Instanz." Sein Tod reiße eine Lücke in die politische und publizistische Landschaft.

Kissinger betont die Verantwortung vor dem eigenen Gewissen: Kissinger erklärt, dass Schmidt machtvoll nach Wissen gestrebt habe. Das wichtigste sei die Verantwortung vor dem eigenen Gewissen gewesen. Mit seinen Freunden habe er eine dauerhafte Konversation betrieben, die Freundschaften seien geprägt gewesen von tiefer Zuneigung. "Wer sich auf Helmut einließ, wurde in einen Orden rekrutiert, welcher die Suche nach der Wahrheit mit Demut verband." "Politik ohne Gewissen, tendiere zum Kriminellen", zitiert Kissinger Schmidt. Der ehemalige US-Außenminister erinnert an das Spezialkommando, das Schmidt nach Mogadischu geschickt habe, um deutsche Geiseln zu befreien. Er habe ihm die Qualen geschildert, bis die Erfolgsmeldung gekommen sei. Er habe ihn auch gefragt, wie er, wenn ihm die Menschenleben so nahe gehen, eine Nato-Strategie verteidigen könne, die auf atomare Abschreckung setze. Einige Jahre später habe er so doch getan und seinem politischen Intellekt gefolgt. Schmidt versinnbildliche "unsere" Werte. "Er war eine Art Weltgewissen." Er werde bleiben: "Fordernd, launisch, perfektionistisch."

Henry Kissinger spricht: Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger erinnert an seine Freundschaft mit Helmut Schmidt. "Sechs Jahrzehnte haben wir uns über dieselben Probleme Gedanken gemacht", sagt Kissinger, der in Fürth geboren wurde. Er habe sich als Kind nie träumen lassen, mit einem deutschen Kanzler gemeinsame Geburtstage zu feiern. Das Wesen dieser tiefen Freundschaft zu beschreiben, falle ihm schwer. Sein Verständnis von Politik sei weit über das des täglichen Handwerks hinaus gegangen. Kissinger spricht fließend deutsch.

Scholz erinnert an Herzlichkeit. Olaf Scholz betont die Herzlichkeit, die auch Schmidts bereits verstorbene Frau Loki, ausgestrahlt habe. Außerdem seine Liebe zur Hansestadt Hamburg. Schmidt selbst bleibe "Fixstern" der Politik. "Er hat Spuren hinterlassen, die wir erst noch entdecken werden." Er sagt weiter: "Wir haben einen Giganten verloren." Dann verneigt sich Scholz vor dem Sarg.

Scholz mahnt Europa: Olaf Scholz erinnert die internationalen Staatsgäste an den großen internationalen Staatsmann Helmut Schmidt, dem Europa am Herzen gelegen habe. "Wir müssen das humanistische Erbe und die wirtschaftliche Kraft Europas sichern", sagte er in Richtung der anwesenden Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments und EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker.

Olaf Scholz: "Hamburg trauert", sagt der Erste Bürgermeister von Hamburg Olaf Scholz zum Auftakt seiner Rede. Es sei kaum vorstellbar, dass künftig politische und gesellschaftliche Debatten ohne ihn führen zu müssen. Er habe die res publica verkörpert. "Er ist von uns gegangen, aber vieles bleibt bei uns." Er hinterlasse ein Erbe, das wir annehmen wollen. "In die Trauer mischt sich Dankbarkeit. Von ihm haben wir gelernt, was es heißt, in einer offenen Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen." Seine Geradlinigkeit habe Vertrauen erzeugt und ihn zum Vorbild für viele gemacht. Die offene Gesellschaft sei attraktiv, aber auch verletzlich. "Sie hat Feinde", wie man vor zehn Tagen bei den Anschlägen in Paris gesehen habe. Schmidt sei Zeit seines Lebens ein Intellektueller, dem das kluge kommentieren nie genug gewesen sei. Erst das Umsetzen der Theorie sei für ihn wichtig gewesen. Er habe den Philosophen Karl Popper der "romantisch-idealistischen" Vorstellung der Sozialdemokratie näher gebracht.

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Kirchlicher Teil beendet: Mit dem Volkslied "Mien Jehann" endet der kirchliche Teil des Staatsaktes. Es beginnt mit einem Glockengeläut und einem Kanon von Johan Pachelbel der weltlichere Teil - mit Ansprachen von Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger.

"Der Mond ist aufgegangen...": Der Chor sind das "Abendlied". Einige Gäste sitzen mit geschlossenen Augen da. "Wir nehmen Abschied mit Dank und Liebe". Er selbst habe sich die Worte zum Abschied gewünscht: "Gott, gib mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden." Anschließend betet die Trauergemeinde ein "Vaterunser".

Der Sarg des verstorbenen Bundeskanzlers Helmut Schmidt liegt am Montag in der Sankt-Michaelis-Kirche.
Der Sarg des verstorbenen Bundeskanzlers Helmut Schmidt liegt am Montag in der Sankt-Michaelis-Kirche.

© Reuters

Mühe, vergebliche Mühe: "Der Tod des großen Staatsmannes hat viele Menschen tief bewegt", sagt Röder. Es sei, als wäre ein guter Freund gegangen - so viele Menschen hätten sich in Kondolenzbücher eingetragen. Schmidt sei ein Vorbild an Redlichkeit, Mut, Klarheit, Kantigkeit und zugleich Bodenständigkeit. "So bleibt er in Erinnerung". Schmidt habe einen Psalm für seine Trauerfeier gewünscht, der von Mühe sogar vergeblicher Mühe spreche. "Schmidt wusste, dass zu einer großen Stärke auch die Einsicht der Schwäche gehört." Man könne nicht Herr der Geschichte sein. Er suche Gottesnähe, die ihm fremd geworden war. Er habe Halt gefunden in Glaubensäußerungen anderer Menschen - Bach zum Beispiel. Schmidt habe schwere und dunkle Stunden in seiner Kanzlerschaft erlebt, "als schon damals Terroristen Menschen getötet haben".

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Michel-Hauptpastor Alexander Röder spricht: Der Hauptpastor des Hamburger Michel, Alexander Röder, spricht vor den Trauergästen. Er zitiert Prediger Salomo. Ein jegliches habe seine Zeit. Anschließend ertönt: "Der Geist hilft unserer Schwachheit auf" von Johann Sebastian Bach.

Viele aktive und ehemalige Politiker: Im Hamburger Michel haben sich zahlreiche aktive und ehemalige Politiker versammelt. Darunter Ex-Kanzler Gerhard Schröder, Ex-Bundespräsident Christian Wulff, der mit Bettina Wulff gekommen ist sowie dessen damaliger Vorgänger Horst Köhler. Aber auch der Ex-Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler ist anwesend.

Die Trauergäste treffen ein. Gegen zehn Uhr ist die Hamburger Sankt-Michaelis-Kirche bereits gut gefüllt. Zahlreiche prominente Ehrengäste sind bereits eingetroffen, darunter der deutsche Innenminister Thomas de Maizière und der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Den weitesten Weg hatten der ehemalige französische Staatpräsident Valéry Giscard d’Estaing, der ehemalige italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano und der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger. Fast die gesamte politische Prominenz aus Berlin nimmt Abschied vom langjährigen Bundeskanzler.

Deutschland nimmt mit einem Staatsakt Abschied von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), der am 10. November gestorben war.
Deutschland nimmt mit einem Staatsakt Abschied von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), der am 10. November gestorben war.

© dpa

Eine unverwechselbare Erscheinung: "In den letzten Jahren seines langen Lebens war er fast zu einer Ikone geworden. Mit Staunen sah man, wie eine Gesellschaft, die sich von der Politik und den Politikern zunehmend abwendet, in einem Politiker, in Helmut Schmidt, ein lebendes Denkmal entdeckte. Dabei hatte er den Jahren seinen Tribut entrichten müssen, war auf Rollstuhl und Hörgerät angewiesen, doch die Schwächen des Alters verstärkten eher seine Ausstrahlung." So beginnt der Nachruf von Hermann Rudolph auf Helmut Schmidt. Was hat ihn ausgemacht? Wo lagen Stärken und Schwächen? All das beschreibt Rudolph. Lesen Sie den Nachruf hier noch einmal nach.

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Zahlreiche Ehrengäste erwartet: Angela Merkel wird eine Rede halten genau wie Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz. Außerdem werden zahlreiche Ehrengäste dabei sein, darunter unter anderem Bundespräsident Joachim Gauck und die Spitzen weiterer Verfassungsorgane sowie langjährige Weggefährten Schmidts wie Frankreichs Ex-Präsident Valérie Giscard d'Estaing und der frühere US-Außenminister Henry Kissinger, der ebenfalls eine Rede halten wird.

Staatsakt, Trauerfeier, Eskorte - So nimmt Hamburg Abschied: Mit einem Staatsakt im Hamburger Michel nimmt Deutschland heute Abschied von Helmut Schmidt. 1800 geladene Gäste wollen ab 10.30 Uhr dem verstorbenen Altkanzler die letzte Ehre erweisen. Zehntausende Menschen werden dann an der Strecke erwartet, wenn im Anschluss an die Trauerfeier der Sargwagen mit Motorrad-Eskorte zum Ohlsdorfer Friedhof rollt. Die Beisetzung soll im privaten Familienkreis stattfinden. Schmidt war am 10. November im Alter von 96 Jahren in seinem Haus in Hamburg-Langenhorn gestorben. Der Sozialdemokrat war von 1974 bis 1982 Bundeskanzler. Von 1983 bis zu seinem Tod war er Herausgeber der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“.

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