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Israelische Soldaten ruhen sich während der Waffenruhe aus.

© Reuters

Update

Am Tag des Anschlags auf einen Bus in Tel Aviv: Israel und Hamas einigen sich auf Waffenruhe

Es gibt eine neue Wendung im Nahost-Konflikt: Trotz des blutigen Anschlags auf einen Bus in Tel Aviv haben sich Israel und die Hamas auf eine Waffenruhe geeinigt. Das sagte ein Vertreter der ägyptischen Regierung, und sowohl aus palästinensischen als auch aus israelischen Kreisen wurde die Nachricht bestätigt.

Israel und die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen haben sich am Mittwoch auf eine Waffenruhe geeinigt. Das bestätigten sowohl Vertreter Ägyptens, das in dem Konflikt vermittelte, als auch israelische und palästinensische Kreise. Ein Vertreter der ägyptischen Regierung sagte der Nachrichtenagentur Reuters, eine formelle Erklärung seitens Ägyptens werde in Kürze folgen. In israelischen Kreisen hieß es, Israel habe der Waffenruhe zugestimmt, werde aber nicht - wie von der Hamas gefordert - die Blockade des Gazastreifens komplett aufheben. Die Waffenruhe gilt ab 20 Uhr mitteleuropäischer Zeit.

Israel will der Waffenruhe eine Chance geben, droht aber für den Fall eines Scheiterns mit einer erneuten Militäraktion. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wolle so die Möglichkeit schaffen, die Lage zu stabilisieren und beruhigen, bevor eine “massivere Aktion“ nötig sei, teilte sein Büro am Mittwoch in Jerusalem mit. Das habe der israelische Regierungschef gegenüber US-Präsident Barack Obama erklärt. Obama hatte nach Angaben des US-Präsidialamtes Netanjahu geraten, der Waffenruhe zuzustimmen. Zugleich habe Obama seinen Verbündeten Israel der Unterstützung der USA versichert.

US-Präsident Barack Obama hat die Einigung auf eine Waffenruhe im Gaza-Konflikt begrüßt. Obama habe dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in einem Telefonat seine Anerkennung dafür ausgesprochen, dass er dem ägyptischen Vorschlag zu einer Waffenruhe zugestimmt habe, teilte das Weiße Haus am Mittwoch mit. Der US-Präsident hatte den israelischen Regierungschef zuvor gedrängt, die Übereinkunft anzunehmen.

Die USA wollten die Gelegenheit der Waffenruhe nutzen, um Israel zu helfen, seine Sicherheitslage zu verbessern, teilte das Weiße Haus weiter mit. Besonders der Schmuggel von Waffen und Sprengstoff in den Gazastreifen sollte eingedämmt werden. Obama sagte, er wolle unter anderem versuchen, mehr Geld für Israels Raketenabwehrschild zur Verfügung zu stellen.

Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte die Waffenruhe ausdrücklich. „Wenn diese Waffenruhe hält, wäre das eine große Erleichterung für uns alle, aber vor allem für die Menschen in Israel und in Gaza“, sagte Westerwelle nach einer am Mittwochabend vom Auswärtigen Amt verbreiteten Mitteilung. „Alle Seiten stehen jetzt in der Verantwortung, damit aus einer Waffenruhe ein stabiler Waffenstillstand wird. Wir werden tun, was wir können, um eine Stabilisierung der Situation zu unterstützen.“

Am Mittwoch vergangener Woche hatte Israel mit einer Offensive auf den anhaltenden Raketenbeschuss durch radikale Palästinenser reagiert. Seitdem eskaliert die Gewalt. Am Mittwoch gab es einem Bombenanschlag auf einen Stadtbus im Zentrum von Tel Aviv, mindestens 17 Menschen sind dabei verletzt worden. Ein Unbekannter schleuderte nach ersten Angaben einen Sprengsatz in den Bus und ergriff dann die Flucht. Ein zweiter Mann sei festgenommen worden, berichteten Medien.

Hilfskräfte im Einsatz: Der Ort des Geschehens in einer Luftaufnahme.
Hilfskräfte im Einsatz: Der Ort des Geschehens in einer Luftaufnahme.

© dpa

Im Fernsehen war zu sehen, wie dichter Qualm aus dem Fahrzeug drang. Die Scheiben waren teilweise zersplittert. Der Ort des Anschlags wurde weiträumig abgeriegelt, dutzende Krankenwagen rasten durch die Stadt und Hubschrauber überflogen die Gegend. Die Verletzten wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht. In unmittelbarer Nähe des Anschlagsortes befindet sich das israelische Verteidigungsministerium. In der Nähe liegt auch das Goethe-Institut.

Dem israelischen Geheimdienst Shin Bet liegen laut der israelischen Zeitung Haaretz seit Anfang dieser Woche Informationen über dutzende weitere geplante Anschläge vor. Man sei jedoch davon ausgegangen, dass die terroristischen Attacken hochrangigen Regierungsbeamten gelten würden. Der Minister für öffentliche Sicherheit, Yitzhak Aharonovi, sagte: "Das Szenario eines Anschlags in Tel Aviv oder anderswo war möglich. Wir hatten aber keine detaillierten Informationen darüber, wann und wo es passieren würde."

Die Zeitung berichtet außerdem unter Berufung auf Quellen im Westjordanland, dass sich die terroristische Vereinigung "Al-Aqsa Märtyrer-Brigaden" zu dem Anschlag bekannt haben soll. Das Gäbe dem Konflikt eine neue Dimension, denn die Al-Aqsa Brigaden stehen der gemäßigten und im Westjordanland regierenden palästinensischen Partei Fatah nahe. Die Quelle betonte aber gegenüber Haaretz, die Attacke sei von einem Ableger der Brigaden im Gazastreifen verübt worden. Dort regiert die Hamas.

Bundesregierung verurteilt die Attacke

Die Bundesregierung hat den Anschlag aufs Schärfste verurteilt. „Wir haben es mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen, dass trotz intensivster diplomatischer Bemühungen noch immer keine Waffenruhe zustande gekommen ist“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. So seien auf beiden Seiten immer noch zivile Opfer zu beklagen. Die Bundesregierung hoffe, dass die Überlebenden des Anschlags in Tel Aviv „die inneren und äußeren Verletzungen, die sie da erlitten haben, möglichst bald überwinden können“. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, er sei schockiert und traurig. „Kein Umstand rechtfertigt es, Zivilisten ins Visier zu nehmen.“

Hamas preist den Anschlag als Heldentat

Die im Gazastreifen herrschende radikal-islamische Hamas hat den Bombenanschlag auf einen Bus in Tel Aviv mit mindestens 20 Verletzten begrüßt. „Wir gratulieren unserem Volk zu dieser heldenhaften Tat“, hieß es in einer Mitteilung, die am Mittwoch über die Lautsprecher von Moscheen im Gazastreifen verlesen wurde. Es war der erste Bombenanschlag auf einen Bus in Tel Aviv seit 2006. Damals starben elf Menschen, als ein palästinensischer Selbstmordattentäter sich in der Nähe des zentralen Busbahnhofs der Altstadt in die Luft sprengte.
Bis zu dem Anschlag hatte es Hoffnungen gegeben, dass ein bereits am Vorabend erwarteter Durchbruch bei den Bemühungen um ein Ende der Gewalt doch noch zustande kommen könnte. Vermittler wie US-Außenministerin Hillary Clinton und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon versuchten, eine Feuerpause zwischen den verfeindeten Seiten auszuhandeln. Unterdessen gingen die israelischen Angriffe im Gazastreifen mit unverminderter Härte weiter. Auch militante Palästinenser feuerten wieder Raketen auf Israel ab.

Iran gibt militärische Hilfe für militante Palästinenser zu

Der iranische Parlamentspräsident Ali Laridschani hat am Mittwoch zum ersten Mal bestätigt, dass der Iran der Hamas militärische Hilfe leistet und darauf auch „stolz“ sei. „Die arabischen Länder veranstalten Konferenzen und reden nur, aber sie müssen wissen, dass die Palästinenser dies nicht brauchen . wir sind daher stolz zu verkünden, dass unsere Hilfe für Hamas finanziell und militärisch ist“, sagte Laridschani nach Angaben der Nachrichtenagentur Fars. Die iranische Regierung hat bis jetzt stets behauptet, dass Teheran die Hamas und Palästina nur politisch und nicht militärisch unterstützen würde, auch im jüngsten Konflikt im Gazastreifen. „Wir sind auch stolz darauf, dass wir stets an der Seite von Palästina und Hamas gewesen sind und dies auch, sogar unter schlimmsten Umständen, in der Zukunft sein werden“, sagte Laridschani weiter.

Die Opferzahl stieg vor allem im Gazastreifen unterdessen weiter. Die Zahl der Toten in der abgeriegelten Enklave am Mittelmeer erhöhte sich um zehn auf rund 140. Mehr als 1000 Menschen erlitten seit Beginn der Feindseligkeiten am Mittwoch vergangener Woche Verletzungen. Medikamente in Krankenhäusern gingen zur Neige, die Preise für Lebensmittel stiegen schnell. In Israel starben durch palästinensische Raketen im gleichen Zeitraum fünf Menschen, 80 wurden verletzt.

Clinton hatte am Vorabend die Bedeutung einer für alle Seiten akzeptablen Lösung des Nahost-Konflikts hervorgehoben. „Das Ziel ist eine dauerhafte Regelung, die zur regionalen Stabilität beiträgt und den Sicherheitsinteressen und legitimen Forderungen Israels und der Palästinenser Rechnung trägt“, sagte sie nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Jerusalem. Clinton und Ban sprechen in Ramallah auch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.

Merkel: "Israel hat das Recht auf Verteidigung"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das Vorgehen Israels gegen die radikal-islamische Hamas verteidigt. “Ich sage ausdrücklich: Es gibt das Recht auf Verteidigung für die eigene Bevölkerung. Dieses Recht hat der israelische Staat, und er hat die Pflicht“, sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag. “Die Gewalt hat ihren Ausgangspunkt genommen mit Beschüssen von Hamas auf israelisches Gebiet.“ Die Kanzlerin betonte, dass die Bundesregierung alles daran setzen werde, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle war erst am Mittwochmorgen von einer Reise nach Israel und Ägypten zurückgekehrt.

Israel setzt Luftangriffe fort

In der Nacht zu Mittwoch und am Vormittag griffen die Israelis etwa 100 Ziele an. Unter anderem sei eine Einsatzzentrale der Hamas in einem Mediengebäude attackiert worden, hieß es. Außerdem hätten Kampfflugzeuge Raketenabschussanlagen, Waffenlager und -fabriken sowie Schmugglertunnel bombardiert. Nach Angaben der israelischen Armee feuerten militante Palästinenser seit Mitternacht 29 Raketen in Richtung Israel, von denen zwölf von der Raketenabwehr noch in der Luft zerstört worden seien. Von Opfern wurde zunächst nichts bekannt.

Grundlage einer möglichen Vereinbarung über ein Ende der Kämpfe sollte nach Informationen des israelischen Rundfunks sein, dass Vertreter Israels, Ägyptens und der USA die Waffenruhe überwachen. Wie es unter Berufung auf die Regierung in Jerusalem hieß, soll die Vereinbarung den Menschen im Süden Israels zumindest ein bis zwei Jahre Sicherheit vor Angriffen garantieren.

(dpa/AFP/Reuters/sny)

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