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Geht es nach der "Redskins-Rule" wird Romney Präsident.

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Countdown zur US-Wahl: Noch ein Tag: Obama oder Romney – wer soll’s werden?

In der letzten Folge des Wahl-Countdowns zieht unser Autor Malte Lehming noch einmal Bilanz: Was ist gut an Barack Obama und Mitt Romney? Wo liegen die Schwächen der Kandidaten? Doch statt einer Pro-Contra-Liste könnte am Ende eher ein Football-Spiel Aufschluss über den Wahlausgang geben.

Wer am Tag vor der Wahl weder seinem Bauch traut noch Umfragen und Prognosen, wer die Worte Momentum, Patt und Kopf-an-Kopf nicht mehr hören kann, der befragt das Orakel. In 17 von 18 Fällen wurden amerikanische Präsidentschaftswahlen durch die „Redskins Rule“ entschieden. Das Football Team der „Redskins“ spielt seit 1937 in Washington D.C. Seither gilt (mit einer einzigen Ausnahme): Gewinnen die Redskins ihr letztes Heimspiel vor der Wahl, dann stellt jene Partei den Präsidenten, die bei der vorausgegangenen Wahl die meisten Stimmen bekommen hatte. Das wären die Demokraten und Barack Obama. Sollten die Redskins indes verlieren, wird Mitt Romney Präsident. Die Gegner der Redskins am Sonntag waren die „Carolina Panthers“, die in diese Saison sehr schwach gestartet waren. Es sah also gut aus für Obama.

Ein etwas ernsterer Ansatz ermöglicht eine abschließende, persönliche Bilanz. Vor welcher Wahl stehen die Amerikaner morgen? Was ist gut an Obama, was schlecht? Was ist gut an Romney, was schlecht? In jeder Kategorie werden die drei wichtigsten Punkte genannt. Sie sind das Ergebnis von Gesprächen, Beobachtungen, Analysen. Das Urteil ist subjektiv, der Autor lediglich um Fairness bemüht.

Was ist gut an Obama?

Erstens: Er hat Amerika erfolgreich durch die Krise geführt. Bei Amtsantritt war die Lage miserabel, Monat für Monat stieg die Zahl der Arbeitslosen um 800.000. Vielen Banken und der Automobilindustrie (Chrysler, General Motors) drohte der Ruin. Mit seinem Investitionspaket in Höhe von 840 Milliarden Dollar rettete Obama Millionen Arbeitsplätze und bewahrte das Land vor einer großen Depression.

Zweitens: Mit seiner Gesundheitsreform stärkte er die gesellschaftliche Solidarität. Dass in einem Land wie Amerika mehr als 40 Millionen Menschen keine Krankenversicherung haben, ist ein Skandal. Auch wer einen überbordenden Sozialstaat ablehnt, sollte anerkennen, dass Krankheit ein Schicksal ist und nicht das Resultat einer individuellen Entscheidung. Die Verantwortung jedes Einzelnen ist löblich, führt aber nicht zum Wohle aller. Drittens: Er hat Amerika von den Bürden des Irakkriegs befreit, den Abzug aus Afghanistan eingeleitet, durch seine Rede in Kairo einen neuen Ton gesetzt und mit der Intensivierung der Drohneneinsätze im Kampf gegen den Terror eine wirksame Alternative zu Militärinterventionen praktiziert. Der Bruch mit der außenpolitischen Hyperaktivität von Amtsvorgänger George W. Bush war überfällig. Der neue Kurs folgt keiner Philosophie (Neokonservatismus), sondern bildet sich durch immer neue Kompromisse aus Möglichkeiten und Idealen. Diese Abwägung führt in einem Fall (Libyen) zu größerem Engagement, im anderen (Syrien) zur Zurückhaltung. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass Amerikas Einfluss in der Welt geringer geworden ist.

Was ist schlecht an Obama?

Erstens: Er hat das Haushaltsdefizit fast verdoppelt, statt, wie versprochen, zu halbieren. Es beträgt inzwischen mehr als 10 Billionen Dollar. Jeder Amerikaner ist im Durchschnitt mit rund 50.000 Dollar verschuldet. Die Zinsen für die Schulden addieren sich zum ohnehin überstrapazierten Budgetvolumen. Das Wachstum ist gering, die Arbeitslosigkeit hoch. Die staatlichen Ausgaben für Sozialprogramme wie Medicare und Medicaid steigen unablässig.

Zweitens: Er hat keine neuen Ideen. Weder in der Innen- noch in der Außen- und Sicherheitspolitik ist erkennbar, wie und wodurch er Akzente setzen will. Das Durchwurschteln ist zum Programm geworden. Doch Krisenpolitik (die Negativspirale stoppen) ist etwas anderes als Reformpolitik (die Strukturen tragfähiger machen).

Drittens: Er hat durch seinen ausgesprochen aggressiven Wahlkampf die Chancen auf überparteiliche Kompromisse im Kongress weiter verringert. Kein Zweifel: Die Gegenseite fing an. Republikaner haben Obamas Politik von Anfang an stur boykottiert. Doch ein Präsident ist, wenn er nicht über die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses verfügt, auf die Einsichtsfähigkeit von opponierenden Senatoren und Repräsentanten angewiesen. Er darf potenzielle Partner nicht durch Verletzungen radikalisieren. Insbesondere in den letzten Wochen war Obama zu viel Wahlkämpfer und zu wenig Präsident.

Romney vermied persönliche Attacken im Wahlkampf

Was ist gut an Romney?

Erstens: Seine Biographie. Als Gouverneur von Massachusetts, einem liberalen Bundesstaat, hat er über Parteigrenzen hinweg erfolgreich regiert. Im Geschäftsleben war er ebenso erfolgreich wie als Organisator der Olympischen Winterspiele von Salt Lake City im Jahre 2002. Er spendet im Jahr rund vier Millionen Dollar für wohltätige Zwecke.

Zweitens: Er hat mit den Themen Haushaltsdefizit, Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit den Finger in Amerikas klaffende Wunde gelegt. Im globalen Wettbewerb der Leistungen und Ideen droht das Land zurückzufallen. Der Herausforderer setzt auf Hoffnung und Ehrgeiz. Das kann mehr anspornen als die Aussicht auf ein Weiter-so.

Drittens: Er ist im Wahlkampf weitgehend sachlich geblieben. Das heißt nicht, dass er stets die Wahrheit sagte, aber er vermied persönliche Attacken. Seine Beliebtheitswerte stiegen denn auch von 44 Prozent Ende September auf heute 50 Prozent, während die des Präsidenten in den vergangenen Wochen sanken.

Was ist schlecht an Romney?

Erstens: Seine Pläne zur Reduzierung des Haushaltsdefizits und Ankurbelung der Wirtschaft sind radikal neoliberal. Sie vergrößern das Elend eher als es zu mindern. Die Rechnung geht nicht auf. Staatliche Einnahmeausfälle durch geringere Steuereinkommen plus Mehrausgaben fürs Militär lassen sich nicht durch das Stopfen von Schlupflöchern im Steuersystem ausgleichen.

Zweitens: Er hätte es als Präsident mit einer extremen Partei zu tun. Der Herausforderer selbst hat sich zwar auffallend in die Mitte bewegt, aber die Republikanische Partei unter dem Druck der Tea Party radikalisiert. Der Wähler weiß nun nicht, was er bekommt. Wird das Schaf in einen Wolfspelz gezwängt? Liegen die Rechten auf der Lauer?

Drittens: Kulturell, sozialpolitisch und in Einwanderungsfragen schwimmen die Republikaner gegen den gesellschaftlichen Strom. Die Akzeptanz der Abtreibung hat ebenso zugenommen wie die der gleichgeschlechtlichen Ehe. Dass illegale Einwanderer, die zum Teil jahrzehntelang in Amerika leben und arbeiten, nicht abgeschoben, sondern integriert werden sollten, liegt auf der Hand. Die weiße, überwiegend männliche Wählerklientel, die Romney bedient, findet nicht zurück zu den Tugenden eines toleranten Konservatismus.

Die „Redskins“ lagen am Sonntag zur Halbzeit mit 3 zu 14 Punkten zurück, am Ende verloren sie das Spiel gegen die „Carolina Panthers“ mit 13 zu 21 Punkten. Laut Orakel gewinnt Mitt Romney morgen die Wahl.

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