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Drohneneinsatz im Inland: Die fliegenden Augen

Sie sind viele und sie werden immer mehr. Unbemannte Fluggeräte haben Konjunktur. Die Gesetzeslage gibt der Entwicklung weiteren Schwung. Sechs von 16 Bundesländern haben Drohnen angeschafft – und ungezählte Unternehmen und Hobbyflieger.

Von Anna Sauerbrey

Die Drohne kam am 22. Juni gegen Viertel nach sieben am Abend. Auf dem Sportplatz „Park Dölitz“ feierten die Mitglieder von „Roter Stern Leipzig“ ein Fest. Der Verein ist Fußballclub und Antifa-Gruppe gleichzeitig. Die grüne Bundestagsabgeordnete Monika Lazar war vor Ort und berichtete später, wie das Gerät einige Minuten über den Menschen verharrte und dann wieder abflog. Polizei und Innenministerium dementierten, die linken Fußballer gefilmt zu haben. Das sächsische Luftfahrtamt hat für diesen Tag keine Aufstiegsgenehmigung erteilt.

Deutschland ist Drohnenland. Vor etwas über einem Jahr, im Mai 2012, ist das „Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes“ in Kraft getreten. Seitdem sind „unbemannte Luftfahrtgeräte“ legal. Eine Verordnung regelt, unter welchen Bedingungen sie aufsteigen dürfen: wenn sie nicht schwerer als 25 Kilo sind und in Sichtweite fliegen. Der Polizei und der Bundeswehr gesteht das Luftfahrtgesetz weitreichende Sonderrechte zu. Auch, wer die Flieger nur als „Sport- oder Freizeitgerät“ nutzt, braucht keine Erlaubnis, droht allerdings, gegen Datenschutzrecht zu verstoßen (siehe Interview unten).

Wie viele Drohnen in Deutschland unterwegs sind, weiß niemand. Für die erlaubnispflichtigen, größeren Geräte hat allein Sachsen seit 2012 91 Genehmigungen erteilt, und Nordrhein-Westfalen rund 280, ein Großteil davon gilt für mehrere Flüge. „Die Tendenz ist steigend“, heißt es einvernehmlich aus den Luftfahrtämtern. Die Änderung des Gesetzes habe den Herstellern „einen sehr großen Wachstumsschub gegeben“, sagt auch Therese Skrzypietz, die für das industrienahe Brandenburgische Institut für Gesellschaft und Sicherheit den Markt untersucht hat. Schon ab 300 Euro gibt es ein ferngesteuertes Kleinflugzeug mit eingebauter Kamera für Hobbypiloten. Leistungsstärkere Geräte, wie die der Polizei, kosten zwischen 40 000 und 70 000 Euro. Fernsehsender und Filmproduktionsfirmen fliegen sie ebenso wie der Katastrophenschutz. Die Drohne über dem Vereinsfest hätte also jedermann steuern können. Vielleicht Rechtsradikale? Oder verirrte sich ein Hobbypilot?

Die Drohnen haben ein Imageproblem

Der Vorfall in Leipzig ist auch symptomatisch für die Reaktion auf Drohnen. Flugroboter haben ein gravierendes Imageproblem, das wissen sowohl die Hersteller als auch die Polizei. Weil bei „Drohne“ „Drohnenkrieg“ mitschwingt, verlegt man sich auf Begriffsvermeidung und spricht wahlweise von „Drehflüglern“, von „Unmanned Aerial Vehicles“ oder „UAVs“ oder einfach von „dem Gerät“. Tim Stuchtey, Geschäftsführer am Brandenburgischen Sicherheitsinstitut, sagt: „Ich finde es schade, dass in dieser Diskussion die UAVs per se als böse dargestellt werden. Sie sind zunächst einmal eine Innovation in der Luftfahrt. Für eine Bewertung kommt es wie immer darauf an, wie die Technik eingesetzt wird.“

Die Einsatzmöglichkeiten sind tatsächlich vielfältig: Schon heute messen Drohnen Schadstoffkonzentrationen und überwachen die Außengrenzen. In Zukunft sollen sie vielleicht auch einmal den Verkehr überwachen oder in „Schwärmen“ Giftwolken verfolgen. Die Bahn kündigte kürzlich an, Drohnen einsetzen zu wollen, um abgestellte Züge vor Sprayern zu schützen, die sollen per Wärmebildkamera entdeckt werden.

Trotz des schlechten Images haben sechs der 16 Landespolizeien Drohnen angeschafft, wie eine Umfrage des Tagesspiegels ergab: Berlin, Niedersachsen, Sachsen, Hessen und das Saarland verfügen über je einen, Nordrhein-Westfalen über zwei Flugroboter. Am umstrittensten ist das Einsatzgebiet der sächsischen Drohne. Der „Sensocopter“ wurde 2009 explizit mit dem Ziel angeschafft, Fußballspiele zu überwachen. 2011 wurde er außerdem zweimal in Dresden bei Demonstrationen eingesetzt, eine Praxis, die Verwaltungsrechtler ausgesprochen kritisch sehen. Offenbar hat die Landesregierung aber inzwischen selbst Zweifel bekommen. Zuletzt wurde der Flugroboter im Oktober 2012 bei einem Fußballspiel in Dresden eingesetzt, ansonsten zur Brandursachenermittlung, zur Tatortfotografie und in diesem Jahr mehrfach zur Dokumentation des Hochwassers. In Hessen kundschaftet die Drohne Orte aus, an denen SEKs eingesetzt werden sollen. In Nordrhein-Westfalen überfliegt sie unter anderem Gebiete entlang der niederländisch-deutschen Grenze auf der Suche nach in Feldern versteckten Hanfplantagen.

In Berlin fotografiert die Polizeidrohne Tatorte

Mehrere Länder schließen Einsätze über Menschenmengen zudem explizit aus, dazu gehören Berlin und Nordrhein-Westfalen und seit dem Regierungswechsel auch Niedersachsen, wo 2011 der Einsatz einer Polizeidrohne im Zuge der Proteste gegen einen Castor-Transport Debatten ausgelöst hatte. Das Landeskriminalamt Berlin besitzt seit November 2009 ein Gerät der Firma Air Robot. Zuständig ist das Dezernat 1, Tatorterkennung. Dessen Leiter Hartmut Koschny sieht in der Drohne vor allem eine „große Arbeitserleichterung“. Eingesetzt wird sie, um Übersichts- oder Detailfotografien von Tatorten aus der Luft zu machen. Koschny sagt, das Gerät sei noch nicht sicher genug, um es über Menschengruppen einzusetzen. Wenn die Berliner Drohne aufsteigt, wird das Gebiet rundherum abgesperrt.

Neben den Ländern setzt auch die Bundespolizei Drohnen ein, vier an der Zahl, die zur Überwachung von Gleisanlagen, zur Grenzüberwachung und Bekämpfung von Schleusern eingesetzt werden.

Begründet wird der Kauf oft mit Einsparungen. Eine Helikopterstunde koste mehrere tausend Euro, die Drohne nur 0,13 bis 0,35 Euro pro Einsatz, rechnet etwa NRW vor. Berücksichtigt werden dabei allerdings weder Personal- noch Anschaffungskosten. Die sächsische Grüne Eva Jähniger mag dem Argument nicht folgen. „Wir haben das Gefühl, dass in Sachsen mit diesen technischen Mitteln der Stellenabbau bei der Polizei gerechtfertigt werden soll“, sagt sie. Die Drohne sei ein „Sicherheitsplacebo“.

Im Vergleich zu anderen Ländern setzten deutsche Behörden die Technik bislang zurückhaltend ein. Der internationale Markt hingegen boomt. Therese Skrzypietz zählte in ihrer Marktanalyse bereits 2010 rund 500 Hersteller und 1244 verschiedene Modelle weltweit. Allein in Deutschland gibt es etwa 20 kleine und mittlere Unternehmen. Eines der größeren, Microdrones, das sich auf Geräte für staatliche Stellen spezialisiert hat, hat in den vergangenen drei Jahren mehr als 1000 Stück verkauft, die meisten davon an Behörden „in aller Welt“, wie Geschäftsführer Sven Juerss sagt. Microdrones hat Vertriebsmitarbeiter in Russland und einen Lizenzpartner in China.

Vorreiter sind die USA. Gerade gab die amerikanische Luftfahrtbehörde bekannt, sie suche sechs Testgelände, um weitere Einsatzmöglichkeiten autonom fliegender Modelle, wie sie bereits zur Grenzsicherung verwendet werden, zu erproben. Als Beispiele werden Waldbrände, aber auch die Strafverfolgung genannt. Bis September 2015, so die Behörde, wolle man autonome unbemannte Fluggeräte komplett in den zivilen Luftraum integrieren.

Europa gibt Millionen für die Drohnen-Forschung aus

Wenn Drohnen auch eigenständig fliegen dürften, würde das die Möglichkeiten enorm erweitern. Auch in Europa wird intensiv daran geforscht. Im April startete die Europäische Union das Projekt „Close Eye“, das 12,2 Millionen Euro kostet. Dabei wird der Einsatz zur Überwachung der Mittelmeergrenze getestet. Rund fünf Millionen Euro fließen in das Projekt „Aerocopter“. Es soll Drohnen entwickeln, die Fahrzeuge verfolgen und zum Anhalten bringen können. Im Juni hat das Europaparlament „Eurosur“ beschlossen, ebenfalls ein Grenzsicherungsprojekt, bei dem auch Drohnen erprobt werden. Sie sollen Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer finden. Grüne und Liberale sehen das Projekt kritisch (zum Pdf einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung zu Eurosur). „Die Automatisierung entmenschlicht die Begegnung zwischen Grenzschützer und Flüchtling. Die Drohne kann schließlich auch niemanden aus Seenot retten“, sagt die grüne Europaabgeordnete Ska Keller. „Eurosur“ fand dennoch im Parlament eine große Mehrheit.

Wann dürfen Drohnen auch autonom fliegen?

Das Problem ist bislang: Für derartige Projekte braucht es größere Drohnen. Damit sie länger und in größerer Höhe fliegen können, brauchen sie schwerere Akkus, sind dann aber in Deutschland nicht zugelassen. Um autonom fliegen zu können, bräuchte es Systeme, die vor dem Zusammenprall mit anderen Flugzeugen schützen, die sind noch nicht ausgereift (siehe Text rechts). Der politische Druck von Seiten der Hersteller und Anwender aber sei groß, meint Therese Skrzypietz: „Es werden alle Hebel in Bewegung gesetzt.“ Sowohl die EADS-Tochter Cassidian und die Europäische Verteidigungsagentur arbeiten an der technischen und rechtlichen Weiterentwicklung. Noch winkt das Bundesverkehrsministerium bei der Frage nach der nächsten Gesetzesreform zwar ab. „Die Technik ist noch nicht so weit“, sagt Ministeriumssprecher Ingo Strater. Im Text der Gesetzesnovelle vom vergangenen Jahr hieß es allerdings: „Angesichts der (...) erheblichen Fortschritte in diesem Bereich erscheint es in naher Zukunft nicht mehr ausgeschlossen, dass bemannte und unbemannte Luftfahrtgeräte gleichberechtigt am Luftverkehr teilnehmen.“ Berufsoptimist Tim Stuchtey ist überzeugt, dass die nächste Liberalisierung kommen wird: „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir uns dauerhaft vom Trend der Automatisierung in der Luftfahrt abkoppeln können. Die Technik wird nicht aufzuhalten sein.“

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