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SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hat in den vergangenen Tagen, während der Sondierung mit der Union, politische Größe bewiesen.

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SPD vor Koalitionsverhandlungen: Die wollen was und haben die Kraft, was umzusetzen

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat in diesen Sondierungstagen an politischer Statur gewonnen. Er verspricht "vernünftige Lösungen", will sich beim Thema Mindestlohn nicht unterbuttern lassen. Das ist doch ein guter Anfang.

Von Antje Sirleschtov

Wie viele Jahre zehrt diese alltägliche Ungerechtigkeit nun schon am Gewissen der Deutschen: Da geht man von morgens bis abends zur Arbeit, leistet etwas und muss sich dann doch am Monatsende beim Sozialamt melden, um Stütze zu beantragen. Das darf nicht so bleiben, fordert die SPD seit langem. Und auch für die meisten in der CDU ist dieser Zustand in einem so reichen Land nicht länger haltbar. Das Thema hat einen Namen: Mindestlohn. Dass die Chefs von CDU, CSU und SPD nach den erbitterten Wahlkampfschlachten nun in der Lage sind, dieses Thema zu erkennen und mit ihm den Auftakt zu einer großen Koalition zu machen, ist ein gutes Zeichen. Die Wähler haben keine Extreme am Rand gewollt, sie haben Union und SPD gewählt, damit ein paar Dinge im Land grundsätzlich gelöst werden können. Angela Merkel, Sigmar Gabriel und auch Horst Seehofer haben an diesem Donnerstag bewiesen, dass sie diesen Auftrag erkannt haben und annehmen wollen. Verantwortung tragen für das Land: Das wollen sie.

Vor allem der SPD-Vorsitzende hat in diesen Sondierungstagen an politischer Statur gewonnen. Auf ihm lastet der größte Druck, er muss seine sehr skeptische Partei von der großen Koalition überzeugen. Doch Gabriel hat bis zur letzten Minute der Versuchung widerstanden, zu sticheln, zu reizen und dann auch noch, laut jubelnd einen Skalp zu zeigen, den er Angela Merkel abgetrotzt hat und den er seiner Partei vor die Füße legen kann. Obwohl er ihn doch bekommen hat, zu guter Letzt.

Von keinem anderen als Horst Seehofer, auch einem, der die Größe des Augenblicks erkannt zu haben scheint und seine (wichtige) Rolle in diesem Dreierbündnis annimmt. Merkel, Gabriel und Seehofer: Nach ein paar Stunden war klar: Jetzt ist kein Moment fürs parteipolitische Klein-Klein. Jetzt geht’s ums Große. „Vernünftige Lösungen“, verspricht Gabriel später. Das klingt vertrauenerweckend, das schafft Vertrauen – zwischen den künftigen Partnern und zwischen Regierung und den Leuten im Land. Keine schwurbeligen Lohnuntergrenzen, die niemandem helfen, auch kein einheitlicher Mindestlohn, der in München zu klein ist und in Mecklenburg ein arbeitsmarktpolitischer Kahlschlag bedeutete. Die wollen was und haben die Kraft, was umzusetzen. Das ist doch ein guter Anfang.

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