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Schuldenkrise: Was planen Deutschland und Frankreich für Europa?

Die Vorschläge von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy zur Bewältigung der Euro-Krise sind auf ein geteiltes Echo gestoßen. Was haben sie vorgeschlagen, und wie lassen sich die Pläne umsetzen?

WIRTSCHAFTSREGIERUNG

Was wurde beschlossen?
Mindestens zweimal pro Jahr soll eine europäische Wirtschaftsregierung zusammenkommen, die von den 17 Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone gebildet wird. Chef des Gremiums soll EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy werden, der auch jetzt schon die Gipfeltreffen aller 27 EU-Staaten leitet. Die Gipfeltreffen sollen „als Eckpfeiler der verbesserten wirtschaftlichen Steuerung des Euro-Währungsgebietes“ dienen. Dabei soll vor allem überprüft werden, ob die Mitgliedstaaten den Euro-Stabilitätspakt korrekt umsetzen.

Was soll das bringen?
Der Düsseldorfer Europarechtler Ralph Alexander Lorz kann sich vorstellen, dass eine zweimal jährlich zusammenkommende Wirtschaftsregierung in der Euro-Zone in erster Linie die Haushaltsplanungen in den Staaten im gemeinsamen Währungsraum begutachtet und gegebenenfalls Empfehlungen an Defizitsünder ausspricht. Das passiert allerdings auch jetzt schon, wenn die Staats- und Regierungschefs bei ihren gewohnten Gipfeltreffen beispielsweise den griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou ermuntern, seinen Sparkurs nicht zu verlassen. Nach den Worten des Europarechtlers sind aber für eine Wirtschaftsregierung noch andere Themenfelder denkbar. Das könnten Verabredungen zur Kontrolle der Finanzmärkte ebenso sein wie gemeinsame Festlegungen bei der Steuerpolitik. Allerdings sieht Lorz in der Wirtschaftsregierung zunächst einmal nur ein „Koordinationsgremium, bei dem sich alle in die Hand versprechen, dass sie die dort gefassten Beschlüsse auf nationaler Ebene auch umsetzen“. Eine rechtliche Bindungswirkung könnten Entscheidungen einer Wirtschaftsregierung in der Euro-Zone erst dann entfalten, wenn das Gremium auch in den EU-Verträgen fixiert werde, sagt Lorz.

Für Frankreich geht mit der europäischen Wirtschaftsregierung ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Wie wahrscheinlich ist die Umsetzung?
Vor allem eines spricht dafür, dass die Wirtschaftsregierung demnächst ins Leben gerufen wird: die Tatsache, dass im kommenden Jahr in Frankreich ein neuer Präsident gewählt wird. Die Schaffung einer europäischen Wirtschaftsregierung gehört seit Jahren zu den Forderungen französischer Politiker. Wenn es Sarkozy gelingt, diesen Wunsch gerade rechtzeitig vor den französischen Wahlen zu erfüllen, wäre das ein Punktgewinn für ihn.

SCHULDENBREMSE

Was wurde beschlossen?
Berlin und Paris wünschen sich, dass alle Euro-Staaten bis zum Sommer 2012 eine Regel in die Verfassung oder in gleichrangiges Recht aufnehmen, mit der sichergestellt wird, dass jedes Mitgliedsland seinen Haushalt so schnell wie möglich ausgleicht. Als Orientierungsmarke dient dabei die im Maastricht-Vertrag festgelegte Obergrenze, wonach die Gesamtverschuldung höchstens 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen darf. Allerdings verfehlt selbst Deutschland, das zu den Ländern mit der höchsten Bonitätsnote „Triple A“ gehört, dieses Defizitkriterium. Außerdem sollen alle Euro-Staaten, deren Schuldenstand über der 60-Prozent-Marke liegt, bis Ende dieses Jahres einen Schuldenabbauplan vorlegen.

Was soll das bringen?
Nach der Ansicht von Zsolt Darvas vom Brüsseler Think Tank „Bruegel“ ist die Einführung einer EU-Schuldenbremse sinnvoll, weil damit der Zwang zum Sparen für sämtliche Länder im Währungsraum verstärkt würde. Allerdings weist der Experte darauf hin, dass es eigentlich schon ein Instrument gibt, mit dessen Hilfe die Euro-Mitgliedstaaten zur Haushaltsdisziplin gezwungen werden sollen: der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt. Doch Länder, die in der Vergangenheit gegen den Pakt verstoßen haben – darunter auch Deutschland und Frankreich –, sind bis jetzt stets von Sanktionen verschont geblieben. Für Schuldenbremsen auf nationaler Ebene spricht deshalb, dass sich die Mitgliedstaaten nicht mehr so einfach um die Haushaltsvorgaben herummogeln können.

Können die Forderungen gegenüber den Ländern der Euro-Zone durchgesetzt werden? Lesen Sie weiter auf Seite 3.

Wie wahrscheinlich ist die Umsetzung?
Bis jetzt ist Deutschland der einzige Staat in der Euro-Zone, der eine Schuldenbremse ins Grundgesetz aufgenommen hat – sie gilt ab 2016 für den Bund und ab 2020 für die Länder. Ob die Parlamente in den übrigen 16 Euro-Staaten ebenfalls eine Verankerung einer Schuldenbremse in den jeweiligen Verfassungen beschließen, bleibt ihre souveräne Entscheidung. Der Europarechtler Ralph Alexander Lorz kann sich kaum vorstellen, „dass das ohne Friktionen abgeht“. Zwar seien entsprechende Verfassungsänderungen innerhalb des kommenden Jahres vom Verfahren her denkbar, allerdings sei der Druck in einigen Krisenländern wie Italien oder Spanien für Schuldenbremsen möglicherweise noch nicht groß genug.

FINANZTRANSAKTIONSSTEUER

Was wurde beschlossen?
Die Finanzminister von Frankreich und Deutschland sollen bis Ende September einen Vorschlag machen, wie eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden kann. Jede einzelne Transaktion soll bei fast allen Finanzprodukten belastet werden. Das Prinzip entspricht der Mehrwertsteuer. Außerdem sollen die Finanzminister Vorschläge für eine Vereinheitlichung der Unternehmensteuer beider Länder präsentieren. Bundeskanzlerin Merkel hat angekündigt, dass sich dadurch für die deutschen Unternehmen nichts verschlechtern soll. Das Thema ist allerdings ein Dauerbrenner: Schon Hans Eichel hat sich einst als Finanzminister dafür eingesetzt.

Was soll das bringen?
Die Finanztransaktionssteuer, die der US-Ökonom James Tobin vor bald 40 Jahren erfunden hat, hat zwei Zwecke: Dadurch, dass jede einzelne Transaktion belastet wird, sollen hektische Handelsaktivitäten verteuert werden. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Steuer entsprechend hoch ausfällt. Außerdem bringt sie dem Staat wegen des großen Handelsvolumens hohe Einnahmen. Merkel und Sarkozy haben sich zum angestrebten Steuersatz nicht geäußert. Es ist noch unklar, ob die Steuer nur in der Euro-Zone oder in der gesamten EU und damit auch am größten europäischen Finanzplatz London eingeführt wird. Sollte London außen vor bleiben, dürften die Börsen in Frankfurt am Main und Paris nicht entscheidend benachteiligt werden und die Steuer nicht sehr hoch ausfallen. Diskutiert werden Sätze von 0,01 bis 0,25 Prozent. Bei 0,05 Prozent könnte Deutschland mit jährlichen Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe rechnen.

Wie wahrscheinlich ist die Umsetzung?
Seit der Pleite der Lehman-Bank 2008, die Verwerfungen an den Finanzmärkten und weltweit gigantische staatliche Rettungsprogramme nach sich zog, hat die urlinke Idee einer Finanztransaktionssteuer mehr Zulauf. Befürwortern gilt sie als ein Mittel, die Finanzbranche an den horrenden Kosten ihrer Rettung zu beteiligen. Umgesetzt wurde die Steuer allerdings bisher nirgendwo. Auch Merkel war zunächst skeptisch, erklärte dann aber, sie wolle diese Steuer: am liebsten weltweit, zur Not nur in der EU oder in der Euro-Zone. Auf der Ebene der G 8 und der G 20 sind solche Bestrebungen immer wieder schon im Ansatz gescheitert.

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