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Nicht auf Parteilinie: Peter Gauweiler.

© Sven Hoppe/dpa

Update

Nach Streit um Euro-Politik mit Horst Seehofer: Peter Gauweiler verlässt Bundestag und CSU-Spitze

Der Bundestagsabgeordnete und CSU-Vize Peter Gauweiler gibt aus Protest gegen die von ihm im Bundestag zu vertretene Euro-Politik seine Ämter auf. Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hat dafür "großes Verständnis" und behält sich selbst einen Mandatsverzicht vor.

Es ist das abrupte Ende einer langen politischen Karriere: Der Bundestagsabgeordnete und CSU-Vize Peter Gauweiler hat genug. Der prominente Politiker gibt sein Mandat im Deutschen Bundestag und seinen Posten in der Parteispitze der CSU auf. Auslöser dafür sind grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten mit CSU-Chef Horst Seehofer über die Rettungspolitik in der Euro-Zone.

"Als ich in das CSU-Präsidium berufen wurde, war meine politische Position in Europafragen völlig klar. Ich habe sie durch mehrere Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht und in vielen öffentlichen Äußerungen zum Ausdruck gebracht", schreibt Gauweiler in einer am Dienstagvormittag veröffentlichten Pressemitteilung. "Wer Peter Gauweiler zum stellvertretenden CSU-Vorsitzenden wählte, wusste genau, welche Positionen in Sachen Euro und Rettungspolitik damit gewählt wurden. Von mir ist öffentlich verlangt worden, dass ich - weil CSU-Vize - im Bundestag so abstimme, dass ich mich für das Gegenteil dessen entscheide, was ich seit Jahren vor dem Bundesverfassungsgericht und vor meinen Wählern vertrete und was ich als geltenden Inhalt der CSU-Programme verstehe. Dies ist mit meinem Verständnis der Aufgaben eines Abgeordneten unvereinbar", schreibt Gauweiler weiter.

Die Pressemitteilung Gauweilers finden Sie hier.

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach, wie Gauweiler ein scharfer Kritiker der Euro-Rettungspolitik, sagte dem Tagesspiegel: "Für die Argumentation von Peter Gauweiler habe ich großes Verständnis, da kann ich jeden Satz unterschreiben." Allerdings habe ihn der Zeitpunkt von Gauweilers Rückzug überrascht. Vor kurzen habe Gauweiler noch einen kämpferischen Eindruck auf ihn gemacht. Bosbach selbst behält sich einen Mandatsverzicht vor. Sollten im Bundestag im Juni oder Juni weitere Finanzhilfen für Griechenland zur Abstimmung stehen, werde er seine Entscheidung treffen.  "Ich werde mir die Entwicklung in Griechenland ansehen, die Beschlussvorlage über weitere Kredite und die Art und Weise der Debatte in meiner Fraktion", sagte Bosbach. 

Gauweilers Rückzug richtet sich in erster Linie gegen den CSU-Chef Horst Seehofer. Dieser soll in der letzten CSU-Vorstandssitzung wütend darüber gewesen sein, dass Gauweiler und der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, der ebenfalls CSU-Vize ist, im Bundestag erneut gegen Griechenland-Hilfen gestimmt hatten. Einige CSU-Abgeordnete im Bundestag wollen der griechischen Regierung keinen Millimeter mehr entgegenkommen. Seehofer wird zitiert mit dem Satz: "Ihr oder ich." Gauweiler und Ramsauer halten es für kaum noch vorstellbar, dass sich die Regierung in Athen jemals auf harte Reformen festlegen lässt.

"Die Staatsverschuldung Griechenlands ist, wie der griechische Ministerpräsident und der neue Finanzminister ehrlicherweise erklärt haben, nicht tragfähig", erklärt Gauweiler seine Beweggründe. "Griechenland – so beide ausdrücklich – 'ist seit 2010 ein bankrotter Staat.' Warum angesichts dessen meine Gegenstimme gegen eine Verlängerung des aktuellen (offensichtlich völlig wirkungslosen und möglicherweise kontraproduktiven) Programms meinerseits ein Verstoß gegen die CSU-Parteidisziplin gewesen sein soll, ist mir unklar", schrieb der CSU-Politiker weiter. Außerdem kritisiert Gauweiler die aktuelle Politik der Europäischen Zentralbank mit niedrigen Zinsen und Ankäufen von Staatsanleihen als Vergemeinschaftung von Staatsschulden innerhalb der Euro-Zone und Einladung zur laxer Haushaltspolitik in den Mitgliedsstaaten.

Zwar votierte der Bundestag mit der überwältigenden Mehrheit von 542 Stimmen für den Aufschub, den die Koalition in Athen zur Entwicklung eines Reformplans nutzen soll. Von den 32 Gegenstimmen kamen allerdings 29 aus der Union, davon zehn aus der CSU. SPD und Grüne votierten einstimmig mit Ja, selbst aus der Linkspartei kamen nur drei Nein-Stimmen.

Dabei war Gauweiler selbst von Seehofer vor eineinhalb Jahren zum CSU-Vizevorsitzenden gemacht worden. Weitere Stellvertreter Seehofers sind Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Seehofer hatte Gauweiler vor der Europawahl im Frühjahr 2014 extra geholt, damit dieser die EU-kritische Wählerschaft abdeckt und die Alternative für Deutschland (AfD) klein hält. Dieser Plan ging aber nicht auf, bei der Wahl erlebten die Christdemokraten eine krachende Niederlage.

Kommen politisch nicht zusammen: CSU-Chef Horst Seehofer (links) und Peter Gauweiler.
Kommen politisch nicht zusammen: CSU-Chef Horst Seehofer (links) und Peter Gauweiler.

© dpa

Bekannt geworden war Gauweiler in den 1980er-Jahren als CSU-Hardliner. So hatte er verlangt, für Aids-Kranke das Bundesseuchengesetz anzuwenden, das Zwangstests und Ausgrenzungen vorsieht. Als bayerischer Umweltminister musste er 1994 nach einer Kanzlei-Affäre zurücktreten. Im Nachhinein erwiesen sich die meisten Vorwürfe als nicht richtig. Acht Jahre später erfolgte die Rückkehr in die Politik als Bundestagsabgeordneter. Gauweiler galt als der Volksvertreter mit den höchsten Nebeneinnahmen, da seine Anwaltskanzlei außerordentlich floriert. So vertrat er erfolgreich den Medienunternehmer Leo Kirch und später dessen Erben im Prozess gegen die Deutsche Bank. Immer wieder wurde kritisiert, dass er selten in Berlin seiner Abgeordnetentätigkeit nachkomme und bei vielen Bundestagssitzungen fehlte.  

Seehofer nahm den Rücktritt von Gauweiler mit Respekt zur Kenntnis. "Ich respektiere die Entscheidung von Peter Gauweiler und danke ihm für die geleistete Arbeit für unsere Partei", erklärte der bayerische Ministerpräsident am Dienstag in München. Er kündigte an, dass die CSU ihre Europapolitik weiter am sogenannten Europaplan der Partei ausrichten werde. Dieser war 2013 auch unter Mitwirkung Gauweilers erarbeitet worden.

Die AfD lobte Gauweiler für seinen Rücktritt. "Wir laden Herrn Gauweiler herzlich ein, der AfD beizutreten, und begrüßen es, dass er konsequent genug ist, das Versagen der Union in Sachen Eurorettungspolitik durch einen Verzicht auf alle seine Ämter in der Öffentlichkeit deutlich zu machen", sagte der AfD-Bundesvorsitzende Bernd Lucke am Dienstag. Auch andere Politiker, die dem Kurs der Bundesregierung in der Finanzkrise kritisch gegenüberstünden, könnten in der AfD eine neue politische Heimat finden, fügte Lucke hinzu. Er nannte namentlich den ehemaligen FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler und den CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach. (mit dpa)

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