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Der designierte SPD-Kanzlerkandidat, Peer Steinbrück, steht wegen seiner zahlreichen Vorträge im Fokus der öffentlichen Debatte.

© dpa

Debatte um Peer Steinbrück: Ruf nach schärferen Transparenzregeln wird lauter

Staatsrechtler nennen den Zustand "skandalös", Renate Künast hält Horst Seehofer für einen "aufgepumpten Ochsenfrosch": Die Debatte um Peer Steinbrück und seine Nebenverdienste zieht weite Kreise.

Die Debatte um bezahlte Nebentätigkeiten des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück hat Forderungen nach strengeren Transparenzvorschriften weiter verstärkt. Mit einer entsprechenden Neuregelung wird sich die zuständige Rechtsstellungskommission des Bundestages voraussichtlich am 18. Oktober befassen, erfuhr der Tagesspiegel am Donnerstag.

Der Staatsrechtler Ulrich Battis kritisiert die derzeitigen Regelungen zum Umgang mit Nebentätigkeiten. „Die Drei-Stufen-Regel ist viel zu lasch“, sagte Battis dem Tagesspiegel. Battis war Bevollmächtigter für den Bundestag im Jahr 2007 vor dem Bundesverfassungsgericht als einige Abgeordnete darunter Friedrich Merz (CDU) und Peter Danckert (SPD) erfolglos gegen die Offenlegung geklagt hatten. Damals hatte das Gericht bereits angemahnt, dass es Konkretisierungen geben müsse. „Es ist skandalös, dass seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nichts passiert ist“, sagte Battis weiter. Im Vergleich zu den Regeln in den USA oder auch in Skandinavien seien die Vorschriften in Deutschland „sehr milde“. Battis hält die Zurückhaltung bei der Offenlegung von Nebenverdiensten für ein spezifisch deutsches Problem. „Alles, was mit Geld zu tun hat, wird gerne unter der Decke gehalten. Das ist eine Mentalitätsfrage“, sagte der Staatsrechtler, der an der Humboldt-Universität lehrte und derzeit für die Wirtschaftskanzlei Gleiss Lutz tätig ist. An Vorträgen, wie sie Steinbrück gehalten habe, sei nichts anrüchig. „Das ist alles kein Grund für eine Neiddebatte, aber es geht um Transparenz und da tut sich die Politik immer etwas schwer.“

Bei Union und FDP heißt es, dass man bei einer Reform der gesetzlichen Regelungen zum Umgang mit Nebenverdiensten nach der Sommerpause voran gekommen sei und es in der nächsten Sitzungswoche des Deutschen Bundestages Mitte Oktober die nächsten Gespräche geben soll. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, wies die Kritik an Steinbrück zurück. „Die Kritik der Koalition an Peer Steinbrück ist unehrlich. Peer Steinbrück hält sich an die Veröffentlichungsvorschriften des Deutschen Bundestages. Jeder kann nachlesen, wann er von wem Geld erhalten hat.“
Laut Oppermann blockiert die Koalition weitergehende Transparenzvorschriften. „Die SPD setzt sich seit Beginn der Legislaturperiode für zusätzliche Transparenzstufen bis mindestens 150.000,00 Euro ein. Dies wurde von Union und FDP immer wieder blockiert. Es wäre gut, wenn Union und FDP diese Blockade jetzt aufgeben. Die Kritiker von Peer Steinbrück werden dann zeigen müssen, ob sie die strengen Vorgaben mittragen oder sich als bloße Heuchler erweisen.“

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Renate Künast, verteidigt den SPD-Kanzlerkandidaten. „Steinbrück hat sich offenbar an die Regeln gehalten und seine Honorare angegeben. CDU/CSU und FDP blockieren seit Jahren systematisch die Verschärfung der Transparenzregeln. Es ist deshalb dreist und bigott, wenn Horst Seehofer sich aufpumpt wie ein Ochsenfrosch und schärfere Regeln fordert“, sagte Künast dem Tagesspiegel. Die Koalition müsse jetzt liefern. „Wir Grüne fordern statt der bisherigen drei Stufen zehn Stufen und eine Offenlegung auch der konkreten Honorarsummen.“ Auf die Frage, wie hoch ihre Nebenverdienste in dieser Legislaturperiode bisher waren, antwortete die Grünen-Politikerin, dass Honorare „bei mir eine untergeordnete Rolle spielen. Das waren höchstens kleine Beträge und einmal in der Stufe 1“.Das bisherige Drei-Stufen-System erfasst Einkünfte von 1000 Euro bis mindestens 7000 Euro.

Anti-Lobby-Organisationen erhoffen sich von der Debatte ein strengeres Gesetz zu Nebeneinkünften. „Wir nehmen die Politiker beim Wort, die jetzt Transparenz einfordern“, sagte Martin Reyher vom Onlineportal „abgeordnetenwatch.de“ dem Tagesspiegel. „Wenn keiner etwas zu verbergen hat, muss es möglich sein, die Nebeneinkünfte auf den Cent genau anzugeben“, so Reyher weiter. Den Verdacht eines Interessenskonflikts könne Steinbrück durch Transparenz entkräften. „Wenn er offenlegen würde, wann er wo geredet und wie viel er dafür bekommen hat, wäre die Diskussion von heute auf morgen beendet“, ist sich Reyher sicher. Timo Lange von „Lobby Control“ ist sogar der Meinung, dass Peer Steinbrück von der Debatte um seine bezahlten Nebenjobs als Kanzlerkandidat profitieren könne, wenn er offensiv damit umginge. Die SPD könne sich zum Anwalt von Themen wie Lobbyismus, Parteienfinanzierung und Korruption machen und so Punkte bei den Wählern sammeln. „Bislang aber steht Steinbrück mit wenig überzeugenden Argumenten in der Defensive“, sagt Lange. Er plädiert für ein detailliertes Gesetz zur Transparenz, das auch durch Redneragenturen vermittelte Vorträge genauer erfasst. Steinbrück hat für seine von Mittler-Organisationen gebuchten Reden zwischen 15.000 und 20.000 Euro erhalten, ergaben Recherchen des Tagesspiegels. „Wir brauchen eine Regelung, die dieser zwischengeschalteten Stelle Rechnung trägt. Das hat der Fall Steinbrück deutlich gemacht“, sagt Lange.

Schwarz-gelbe Abgeordnete, die Steinbrück nun für dessen hohen Einkommen kritisiert und eine Offenlegung anmahnt, gehören indes zu den beiden Fraktionen im Bundestag, die die meisten bezahlte Nebentätigkeiten aufführen: CDU/CSU und FDP. 81 Unions-Abgeordnete haben Einkünfte über 1000 Euro, davon geben 59 Abgeordnete Einkünfte der Höchststufe drei an, also mehr als 7000 Euro. Bei der FDP verdienen 25 Abgeordnete neben ihrem Mandat in der Höchststufe dazu. Zum Vergleich: Bei der SPD gehen derzeit 27 Abgeordnete bezahlten Nebentätigkeiten nach, von ihnen erhalten 17 mehr als 7000 Euro.

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