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Der Quirinalspalast in Rom ist der Sitz des italienischen Präsidenten.

© AFP

Wahl in Italien: Dringend gesucht: Ein neuer Staatspräsident

Die Wahl des Staatschefs in Italien gestaltet sich schwierig. Denn sie ist verbunden mit der Bildung einer neuen Regierung. Wer da wie taktiert - hier ein Überblick.

Pier Luigi Bersanis Sozialdemokraten, Silvio Berlusconis „Volk der Freiheit“, Beppe Grillos „Fünf-Sterne-Bewegung“ – bis heute haben sich die drei großen Blöcke im Parlament auf keine Koalition geeinigt. So steht Italien fast zwei Monate nach der Wahl noch immer ohne Regierung da. Nun soll die Wahl eines neuen Staatspräsidenten die Dinge in Bewegung bringen.

Zwar läuft die Amtszeit des 88-jährigen Giorgio Napolitano erst am 15. Mai aus. Doch die Wahl des Nachfolgers wird vorgezogen. Aus zwei Gründen: Zum einen konnte Napolitano die politischen Lager trotz seiner persönlichen Autorität nicht zur Zusammenarbeit bringen, zum anderen hat er auch keine rechtlichen Möglichkeiten mehr, einen Ausweg aus der Krise zu weisen. An diesem Donnerstag sollen die Abgeordneten der beiden Parlamentskammern, die vier Senatoren auf Lebenszeit und 58 Delegierten aus den 20 Regionen zusammentreten. Zusammen gibt das 1007 Wähler. Mancher Präsident ist schon im ersten Wahlgang gewählt worden, andere brauchten dafür 23.

Zwar wird formal eine Person gesucht, die – nach dem Vorbild Napolitanos – das Land und den Politikbetrieb zusammenhält und auch nach außen „bella figura“ macht. Dahinter aber zählten diesmal andere Kriterien. Die Parteien fragten sich in erster Linie, unter welchem Kandidaten welcher Ausweg aus dem politischen Patt zu erwarten wäre. Eine große Koalition zwischen Sozialdemokraten und Berlusconi? Eine Minderheitsregierung unter Bersani? Eine Übergangsregierung von Technokraten? Oder Neuwahlen sofort?

Die Interessen sind sehr unterschiedlich verteilt, auch in den Parteien. Bei den Sozialdemokraten herrscht offener Streit. So ist unsicher, ob der größte Block in der Wahlversammlung auch einheitlich abstimmen wird. Bersani will unbedingt Regierungschef werden. Aus eigenen Kräften schafft er es nicht, das gibt die Sitzverteilung im Parlament nicht her. Die „Grillini“ verweigern sich einer Koalition. Die Bildung einer Minderheitsregierung hat Napolitano unter Hinweis auf die Krise des Landes nicht zugelassen. Bleibt nur ein Bündnis mit Berlusconi. Um sich den Weg dorthin nicht zu verbauen, musste Bersani also nach einem Präsidentenkandidaten suchen, der auch dem rechten Lager genehm ist. Und Berlusconi reagierte positiv: Sollte er seine eigenen Bedürfnisse „garantiert“ sehen, werde das „Volk der Freiheit“ eine Minderheitsregierung Bersanis dulden, sagte er. Auf „weitreichenden Absprachen“ inhaltlicher Art besteht Berlusconi trotzdem weiter.

Streben die Sozialdemokraten also nach einer Regierung von Berlusconis Gnaden, dann kämen gleich zwei Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten infrage: Giuliano Amato und Massimo D’Alema. Beide haben als Minister und Regierungschefs viel politische Erfahrung, beide sind lagerübergreifend angesehen, beide sind Berlusconi genehm. Streben die Sozialdemokraten aber nach dem internen Bruch, nach der Entthronung des verhinderten Wahlsiegers Bersani, dann müssen sie Romano Prodi wählen. Auch er, der frühere Präsident der EU-Kommission, galt in den vergangenen Tagen als aussichtsreicher Kandidat – doch Prodi ist der einzige Linke, der Berlusconi bei Wahlen geschlagen hat, und das gleich zweimal: 1996 und 2006. „Wenn Prodi Staatspräsident wird, wandern wir aus“, sagte Berlusconi denn auch. Dann gebe es Neuwahlen. „Und ich führe in den neuesten Meinungsumfragen“, setzte er hinzu. Das stört manche Sozialdemokraten aber nicht: Der junge Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi, der die alten Kader seiner Partei „verschrotten“ will, sieht in Neuwahlen seine persönliche Chance. Hinter ihm stehen jene in der Partei, die auf Wandel setzen. Ob sie stark genug sind, wird sich bei der Wahl des Staatspräsidenten zeigen.

Die „Fünf-Sterne-Bewegung“ hat die angesehene Fernsehjournalistin Milena Gabanelli zur Spitzenkandidatin gekürt. Echte Chancen hat sie nicht. Grillos eigentlicher Coup bestand darin, hinter ihr den 80-jährigen Verfassungsrichter Stefano Rodotà nominiert zu haben, der auch für viele Sozialdemokraten attraktiv ist. Wie Renzi legt es also auch Grillo auf die Spaltung von Bersanis Mannschaft an.

In den ersten drei Wahlgängen ist die Zweidrittelmehrheit erforderlich. Hier haben nur Amato und D’Alema eine Chance. Danach reicht die absolute Mehrheit; sollten die Sozialdemokraten geschlossen abstimmen, müssten sie für einen Sieg lediglich neun Abgeordnete anderer Parteien gewinnen. Das könnte die Stunde Prodis sein – oder eines Außenseiters, den Bersani noch aus dem Hut zaubert. Am Mittwoch zeichnete sich überraschend ein breites Bündnis für den früheren Senatspräsidenten Franco Marini ab. Sowohl die Partei von Bersani als auch das rechte Lager um Berlusconi sagten dem 80-Jährigen am Abend ihre Unterstützung zu.

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