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Torsten Mattuschka (Union) und Peter Niemeyer (Hertha) beim Berliner Derby.

© Engler

Hertha gegen Union: Das erste Spitzenderby

Zweiter gegen Fünfter: Hertha BSC will den 1. FC Union im Olympiastadion mit seinen besonderen Stärken schlagen. Und Union will dagegen halten - hinten dicht, vorne flexibel. Die beiden Teams im Vergleich.

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Herthas Defensive

Fünf Gegentore in den ersten beiden Spielen – zu Saisonbeginn hat Hertha vieles gesucht, unter anderem die defensive Stabilität. Seitdem aber hat die Mannschaft nur noch einmal (2:2 in Duisburg) mehr als ein Gegentor kassiert. Hertha hat die beste Abwehr der Liga und ein Tor weniger kassiert als Tabellenführer Eintracht Braunschweig (der allerdings auch schon ein Spiel mehr bestritten hat). Die Entwicklung ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die Innenverteidigung von einem gelernten Mittelfeldspieler (Fabian Lustenberger) und einem gerade 20 Jahre alten Berufsanfänger (John-Anthony Brooks) gebildet wird.

Doch das ungleiche Paar harmoniert glänzend, Lustenberger ist von Trainer Jos Luhukay sogar als bester Innenverteidiger der Zweiten Liga geadelt worden. Was ihm an Körperlichkeit fehlt, macht der 24-Jährige durch seine überragende Spielintelligenz mehr als wett. Allerdings profitiert die Defensive im engeren Sinne auch von der Zuarbeit der restlichen Kollegen. Hertha attackiert den Gegner sehr früh, hält ihn dadurch weit weg vom eigenen Tor. Was trotzdem durchkommt, stellt die Viererkette und Torhüter Thomas Kraft vor nicht mehr allzu große Probleme.

Unions Torhüter
Immer wieder gab es beim 1. FC Union auf dieser Position Diskussionen und Rochaden. Immer wieder hat Trainer Uwe Neuhaus versucht, Jan Glinker einen ernstzunehmenden Konkurrenten vorzusetzen. Meistens vergebens. Carsten Busch (2008 bis 2010) und Marcel Höttecke (ab 2010, seit 2012 zweite Mannschaft) konnten sich nicht etablieren. Es musste schon Daniel Haas kommen. Der 29 Jahre alte Torhüter brachte zu dieser Saison Bundesligaerfahrung aus Hannover und Hoffenheim die Erfahrung von 35 Bundesligaspielen mit nach Köpenick – und qualifizierte sich damit prompt für die Rolle als Nummer eins.

Haas stand in allen 20 Saisonbegegnungen im Unioner Tor und hielt abgesehen von zwei vermeidbaren Gegentoren zu Beginn der Saison in Sandhausen (0:2) und beim Heimspiel gegen Hertha BSC (1:2) souverän. Außerdem läuft der Zweikampf mit Konkurrent Glinker bisher äußerst fair ab. Unions langjähriger Stammtorwart akzeptiert, dass er nun jemanden vor sich hat, der es besser macht – und das, obwohl er zum Zuschauer degradiert ist. Nicht mal bei den beiden DFB-Pokalspielen ließ Uwe Neuhaus Glinker ins Tor.

Herthas Fitness

Peer Kluge stützte sich mit den Händen auf seine Oberschenkel. Er atmete tief. Drei gegen drei auf einer Spielfeldhälfte, mit hoher Intensität und vielen anstrengenden Zweikämpfen: Herthas Mittelfeldspieler konnte nicht mehr. „Ich könnte die Mannschaft in zwei, drei Tagen völlig fertig machen. Das ist ganz einfach“, hat Trainer Luhukay im Trainingslager in der Türkei gesagt. Natürlich will er das nicht. Ein guter Trainer findet ein gesundes Maß aus Belastung und Entlastung. Luhukay und seinen Assistenten ist das bisher offenbar sehr gut gelungen. Co-Trainer Markus Gellhaus sagt sogar: „Wir sind sehr stolz darauf, dass wir in der Lage sind, über 90 Minuten Tempofußball zu spielen.“

Und das nicht nur zu Saisonbeginn, sondern über die gesamte Strecke. Darauf legt Luhukay großen Wert. Die Trainingssteuerung ist sein erklärtes Faible. „Wenn du körperlich und konditionell nicht topfit bist, kannst du so ein Spiel wie gegen den FSV Frankfurt nicht mehr gewinnen“, sagt der Holländer. Im letzten Spiel vor der Winterpause lag seine Mannschaft kurz vor Schluss 0:1 zurück - am Ende hieß es 2:1. Hertha hat bereits 15 Tore in der Schlussviertelstunde erzielt, wenn normalerweise die Beine schwer werden. „Wir sind topfit“, sagt Fabian Lustenberger. „Es ist gut, im Hinterkopf zu haben, dass man 90 Minuten gehen kann.“

Verletzte? Abgänge? Union reagierte immer gut

Unions Variabilität
Eine Unioner Konstante ist die Inkonstanz – zumindest betrifft das den Spielerstamm. Selten standen dem Trainer alle Profis gleichzeitig zur Verfügung. „Die Kranken ziehen sich wie ein roter Faden durch. Die einen kommen zurück, andere werden krank“, sagt Neuhaus. Dennoch ist es ihm gelungen, Ausfälle und Abgänge zu ersetzen, ohne dass es negative Konsequenzen hatte. Neuhaus profitiert dabei auch von der Nachwuchsabteilung des Klubs, aus der zuletzt einige Spieler den Sprung nach oben schafften. Wie gut und breit die Köpenicker in dieser Spielzeit aufgestellt sind, zeigt das Mittelfeld.

In der offensiven Zentrale hat da Kapitän Torsten Mattuschka seinen Platz verteidigt. Sein Konkurrent Tijani Belaid verließ in der Winterpause entnervt den Verein. Auf den Außenbahnen jedoch hat Union zahlreiche Alternativen. Rechts duellieren sich Baris Özbek, Christopher Quiring und Patrick Zoundi. Links ist, sofern gesund, Michael Parensen gesetzt. Felipe Gallegos will nach seinen Verletzungen wieder angreifen. Und dann ist da ja noch Björn Jopek, der überall im Mittelfeld spielen kann, und, sollte Mattuschka einmal verhindert sein, auch starke Standards zeigt. Und wenn , wird wie in Dresden (2:0) Innenverteidiger Fabian Schönheim zum linken Mittelfeldspieler und Doppeltorschützen umfunktioniert.

Defensiv sind auf der Sechserposition nach dem Weggang von Markus Karl Christoph Menz, Parensen oder Daniel Göhlert gefragt. Für sein Lieblingssystem mit Raute kann Trainer Uwe Neuhaus also auf jeder Position variieren. Ein Problem erkennt Neuhaus vor dem Stadtduell am Montag trotzdem. Es ergibt sich aus der Verletztensituation. Obwohl Neuhaus sagt, dass die Ausfälle von Parensen und Jopek einen „klaren Rückschritt“ bedeuten, weil damit „ein bisschen unser Herz verloren“ gehe, hat der Trainer noch immer gute Alternativen gefunden.

Herthas Standards

Jos Luhukay benutzt gelegentlich lustige Wörter, die im Deutschen unbekannt sind. Von Fleißigkeit redet er manchmal, und auch den Ausdruck Lufthöhe verwendet er gerne. Eine „gute Lufthöhe“ bescheinigt der Holländer seiner Mannschaft, was nichts anderes heißt, als dass Hertha in Sandro Wagner, Adrian Ramos, Peter Niemeyer oder Pierre-Michel Lasogga einige Kanten im Team hat, die durch ihre natürlichen Längenvorteile gerade bei Offensivstandards extrem wertvoll sind.

Aber das ist nur die eine Seite; die andere ist: In Ronny und Marcel Ndjeng hat der Tabellenzweite zwei Spieler, die diese Stärke mit ihren Ecken und Freistößen erst aktivieren. Von den 41 Toren, die Hertha bisher erzielt hat, sind 15 nach Standards (inklusive Elfmetern) gefallen – keine Mannschaft der Zweiten Liga ist in dieser Kategorie besser. „Dadurch bekommt unser Spiel noch eine Extraqualität“, sagt Luhukay. Diese Extraqualität hat in der Hinrunde auch das Derby bei Union entschieden – als Ronny mit einem direkten Freistoß den 2:1-Endstand erzielte.

Unions Einstellung
Vielleicht Unions Stärke mit dem größten Effekt – gerade, wenn es gegen Hertha geht. Die Köpenicker stehen so souverän da in der Zweiten Liga, dass sie überhaupt nichts zu befürchten haben. Dass es dieses Jahr schon mit dem Aufstieg klappt, verlangt niemand im Verein, und nach unten in Liga drei kann es für den Klub sowieso nicht gehen. „Ich denke, dass wir nichts zu verlieren haben“, sagt deshalb auch Unions Abwehrspieler Patrick Kohlmann.

Er sieht die Chancen für einen Erfolg im Olympiastadion sogar „größer als vor zwei Jahren. Im Februar 2011 standen wir unten drin, jetzt ziemlich weit oben.“ Das damalige Ergebnis ist bekannt: Union siegte 2:1. Neuhaus überlegt nun, seinen Profis die Aufnahmen dieses Sieges auf der Fahrt Richtung Charlottenburg noch einmal zu zeigen. Der Motivation wegen. Aber das scheint vor so einem Derby kaum nötig. Kohlmann sagt: „Da legt jeder Spieler alles rein.“

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