zum Hauptinhalt
Der Lautsprecher. Trainer Gisdol (vorn) feierte in Kaiserslautern mit den Fans.

© Reuters

Bundesliga-Relegation: Trainer Gisdol: Hoffenheims Reanimator

Markus Gisdol rettete die TSG Hoffenheim nicht erst in den Relegationsspielen gegen Kaiserslautern vor dem Abstieg, sondern weil er den Klub schon vorher beruhigte und auf die Jugend setzte.

Sicher hätte Markus Gisdol gerne erzählt, um wie viel sympathischer der Klub geworden ist, den nach Umfragen die meisten Fußballfans in Deutschland gerne in der Zweiten Liga gesehen hätten. Der Trainer der TSG Hoffenheim hatte schon seine Gedanken geordnet und die Sätze standen zum Auswurf bereit. Aber Gisdol kam nicht mehr dazu, nur einen Satz zu sagen. Wie pubertierende Halbwüchsige stürmten seine Spieler, die meisten mit nackten Oberkörper, den Medienraum des Fritz-Walter-Stadions. Die Sieger des Relegationsduells gegen den 1. FC Kaiserslautern gewannen nicht nur das entscheidende Spiel am Montag mit 2:1 (1:0) und lagen im Gesamtergebnis 5:2 (Hinspiel 3:1) vorne, sondern waren unzweifelhaft die bessere Mannschaft. Die verstieß nun bei strenger Betrachtung etwas gegen die Etikette, was nicht jeder lustig fand. Als die Hoffenheimer wie bei einem klischeehaften Abi-Scherz Markus Gisdol mit dem Inhalt eines guten Dutzend Bierdosen überschütteten, sprang Kaiserslauterns Trainer Franco Foda empört auf: „Etwas Respekt gehört auch dazu.“

„Hoffe ist der geilste Klub der Welt“, sangen die Hoffenheimer Spieler unverdrossen und tanzten mit einer fröhlichen Polonaise munter hüpfend hinaus. Die Pressekonferenz war darauf hin abrupt beendet. Das Podium mit Bier geflutet, Gisdol patschnass und der Medienraum ein Fall für einen Putztrupp. Viele hatten Verständnis für die Hoffenheimer Spieler, denen noch vor knapp acht Wochen kaum nach Singen zumute gewesen war. Als Markus Gisdol am 2. April die TSG übernahm, befand sich der Klub im Zustand eines Sanierungsfalls. Jetzt wurde der Erfolg als „Wunder“ empfunden, was es vielleicht sogar auch war, obwohl Hoffenheim einen Etat von rund 46 Millionen hat, die Gegner aus der Pfalz nur knappe 13 Millionen.

Es störte Gisdol in dieser Nacht nicht, wie ein begossener Pudel auszusehen. Der Mann war glücklich und der große Sieger. Seit er Cheftrainer ist, fühlt sich der Verein aus dem Kraichgau nicht nur wiederbelebt, der Schüler des früheren Trainers Ralf Rangnick schaffte es auch, das schwierige Hoffenheimer Umfeld zu befrieden. Vorerst jedenfalls. „Der Schlüssel zum Erfolg war nicht dies Spiel heute, sondern was passiert ist, als wir den Job übernommen haben“, sagte Gisdol. „Wir sind zu einem echten Team geworden.“ Am Ende reichte es für die nötigen Punkte und den überraschenden Sieg am letzten Spieltag in Dortmund (2:1). „Ich bin sehr stolz auf diese Mannschaft“, erklärte Gisdol ergriffen. TSG-Geschäftsführer Frank Briel nannte die Rettungsaktion „einen brutalen Akt in sieben Wochen“.

Von manchem war Gisdols kompromisslosen Jugend-Kurs als Risiko eingestuft worden. Der Trainer verteidigte nach dem Happy End seine Maßnahmen, verstärkt auf den Nachwuchs zu setzen: „Man muss den jungen Spielern vertrauen. Sie spielen nicht, weil sie 17 sind, sondern, weil sie gut sind.“ Gegen Kaiserslautern waren die jungen Hoffenheimer eindeutig die bessere Mannschaft. Nur nachdem der Lauterer Alexander Baumjohann in der 65. Minute die Führung von David Abraham ausgeglichen hatte, geriet Hoffenheim in ernste Schwierigkeiten. Es wäre vielleicht ein ernstes Problem daraus entstanden, wenn der Treffer von Lauterns Stürmer Mo Idrissou nicht wegen Abseits aberkannt worden wäre. So beendete das Tor von Jannik Vestergaard eine Viertelstunde vor Schluss alle Hoffnungen der Pfälzer. Sejad Salihovic hatte nach einer halben Stunde dazu noch einen Elfmeter für Hoffenheim verschossen.

Danach wollten die Hoffenheimer gar nicht aufhören zu feiern. Am Tag nach dem Triumph zog man nach einer langen Nacht in einem Heidelberger Club in die heimische Rhein-Neckar-Arena zum Fanfest mit Freibier. Zuvor hatten die Sieger auf dem Rasen des Fritz-Walter-Stadions wilde Tänze aufgeführt. Der sonst zurückhaltende Gisdol sprang Nachwuchs-Koordinator Bernhard Peters in die Arme. Auf Peters als Verbündeten kann sich Gisdol verlassen. Unter ihm sieht Peters durch die Berufung junger Nachwuchskräfte endlich seine Arbeit gewürdigt. Die beiden sehen, da die ursprünglichen Stärken der TSG wieder freigelegt scheinen, beste Perspektiven. Es ist sicher nicht übertrieben, anzunehmen, dass Hoffenheim in der kommenden Saison nichts mit dem Abstieg zu tun haben wird.

Zur Startseite