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In welche Richtung gehen wir? Dirk Nowitzki steht mit den Dallas Mavericks vor einer schwierigen Aufgabe.

© AFP

Dallas Mavericks: Dirk Nowitzki und die kalkulierte Krise

Nur vier Siege in den ersten neun Saisonspielen: Doch das Management von Dirk Nowitzkis Dallas Mavericks nimmt die aktuelle Schwäche billigend in Kauf.

Berlin - Wenn Ihnen jemand direkt 100 Euro anbieten würde oder 300 Euro ab Sommer über die nächsten drei Jahre verteilt – wofür würden Sie sich entscheiden? In Experimenten wählen überraschend viele Testpersonen die erste Variante. Der Mensch ist als Instinkttier eben eher auf kurzfristiges Überleben getrimmt. Von Managern, in der Wirtschaft wie im Sport, erwartet man eher rational-langfristiges Denken. Was aber, wenn eine Mannschaft eine Saison nach Siegen hungern muss, um später länger Erfolg zu haben?

Das ist derzeit der Fall bei den Dallas Mavericks um ihren deutschen Star Dirk Nowitzki. Der nordamerikanische Basketball-Meister ist in beängstigender Form in die NBA-Saison gestartet. Drei Auftaktniederlagen bedeuteten den schlechtesten Start eines Titelverteidigers seit 1969, als die Boston Celtics mit vier Pleiten starteten. „Wir wirken alt, langsam und außer Form“, klagte Nowitzki. Auch danach lief es nur kurzzeitig besser. Mit vier Siegen und fünf Niederlagen vor dem Empfang bei Präsident Barack Obama am Montag im Weißen Haus müssen die Mavericks derzeit eher auf die Sicherung der Play-off-Teilnahme als auf eine Wiederholung der Meisterschaft schauen. „Ich kann Ihnen nicht sagen, wer den Titel gewinnt, aber ich kann Ihnen sagen, wer ihn nicht gewinnt“, urteilte John Hollinger, ein Experte des Sport-TV-Senders ESPN, bereits.

Die Karriere von Dirk Nowitzki in unserer Bildergalerie:

Das Verrückte wie Rationale ist: Die Krise ist vom Mavericks-Management eingeplant, zumindest einkalkuliert. Dallas hatte die Verträge mit Caron Butler, Tyson Chandler, J. J. Barea und DeShawn Stevenson nicht verlängert. Speziell die drei Letztgenannten hatten durch ihre Leistungssprünge den Titelgewinn mit möglich gemacht. Aber mehr als Ein-Jahres-Verträge wollte Team-Besitzer Mark Cuban ihnen nicht anbieten. Nun fehlen Bareas Schnelligkeit sowie Chandlers und Stevensons Defensivstärke. Das Kalkül ist allen Betroffenen klar. „Ich verstehe, was Cuban denkt“, sagte Abwehrchef Chandler, der nach New York ging. „Er denkt an den nächsten Sommer.“

Lange Verträge mit den Abgängern hätten den Gehaltsspielraum für die nächste und übernächste Saison weiter eingeschränkt. Dazu war fraglich, ob die gleiche Besetzung die Überraschung von 2011 wiederholt hätte. Im Sommer ist Nowitzki 34 Jahre alt, Shawn Marion 34, Jason Terry 35 und der derzeit verletzte Jason Kidd gar 39. Zeit, an die Zukunft zu denken. Wer soll die Truppe an der Spitze halten, wenn die alten Leistungsträger es nicht mehr können? Talente gibt es fast keine im Team.

Teambesitzer Mark Cuban spart für die nächste Saison

Sogenannte „Franchise Player“, die eine Mannschaft fast allein nach oben führen, sind rar in der NBA. Manager müssen ihre Teams und Gehälter auf Jahre im Voraus planen, um einen echten Star zu verpflichten. Dallas’ Planungen kennt jeder. „Cuban will den Home-Run: Dwight Howard und Deron Williams zusammen verpflichten“, sagt Chandler. Howard ist der dominanteste Center der NBA, Williams einer der besten Spielmacher. Beide werden ligaweit heftig umworben, ihre Verträge laufen im Sommer aus. Doch wie jeder kennt auch Chandler das Problem an dem Plan. „Wenn Dwight vorher in Los Angeles oder New Jersey landet, bricht alles zusammen. Dann heißt es: zurück ans Reißbrett.“

So feierten die Dallas Mavericks ihre erste Meisterschaft:

Cuban legt es trotzdem drauf an. Um die Folgen der Sparmaßnahmen, die auch wegen verschärfter Finanzvorschriften nötig sind, für das Übergangsjahr abzudämpfen, verpflichteten die Mavericks Vince Carter, 34, und Lamar Odom, 32. Sowohl Carter, in Toronto „Air Canada“ genannt, und Odom, in Los Angeles als bester Bankspieler der Liga geehrt, haben ihre besten Tage hinter sich, waren aber mit Ein-Jahres-Verträgen zufrieden.

„Wir sind ein Team von Routiniers, und wir wissen alle, dass es ums Geschäft geht“, sagte Nowitzki. „Cuban versteht mehr von Zahlen als wir, er weiß, was er zu tun hat, um die Mannschaft wettbewerbsfähig zu halten. Also hat er ein paar geschickte Transfers hinbekommen.“

So geschickt waren sie wohl doch nicht: Zusammen ist Dallas’ ursprünglich angedachte erste Fünf 170 Jahre alt, und so spielt die Mannschaft teilweise auch. Durch den fünfmonatigen Arbeitskampf war die Saisonvorbereitung nur zwei Wochen lang – kaum Zeit für das alternde Team, um sich einzuspielen und an der Fitness zu arbeiten. Das macht sich nun speziell wegen des verkürzten Spielplans bemerkbar. „Sechs Spiele in acht Tagen, das ist einfach für jeden ganz schön viel“, stöhnte Nowitzki zuletzt. Immerhin feierte er so schon früh in der Saison sein insgesamt 1000. NBA-Spiel. Und Nowitzki kann sich trösten, dass der Spielplan nächste Saison entzerrt wird und er vielleicht Verstärkung erhält. Aber Deutschlands Sportler des Jahres weiß auch, dass er im Herbst seiner Karriere dem Team zuliebe nicht mehr viele Titelchancen wegschenken kann.

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