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Thomas Bach ist der aussichtsreichste Kandidat für die Nachfolge von IOC-Präsident Jacques Rogge.

© AFP

Wahl eines neuen IOC-Präsidenten: Mit wem müsste sich Thomas Bach seine Macht teilen?

Heute wählt das Internationale Olympische Komitee einen neuen Präsidenten – vielleicht Thomas Bach. Ist er dann der mächtigste Mann im Weltsport? Oder sind es ganz andere, die die Strippen ziehen?

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Sollte Thomas Bach am Dienstag zum neuen IOC-Präsidenten gewählt werden, muss er seine Macht teilen - mit Politikern, Firmenchefs, Agenten. Der Sport setzt weltweit zwar jährlich so viel Geld um wie Belgien oder die Schweiz, aber sein Reichtum hat ihn noch anfälliger gemacht für Mauscheleien und Korruption.

Sportverbände

Die Sportverbände sind Gralshüter, das macht sie so mächtig. Sie verleihen regelmäßig einen Schatz. Den wollen Staaten in ihrem Namen ausstellen, Firmen wollen von seinem guten Ruf profitieren, Medien damit ein Millionenpublikum anziehen. Der Schatz, das sind die Olympischen Spiele und Weltmeisterschaften. Darum gibt es weltweiten Wettbewerb, die Verbände lassen sich vom Gastgeberland meist üppige Steuervorteile zusichern. Zur Wertsteigerung unternehmen sie zudem geschicktes Marketing, das so einfach daherkommt wie eine Erzählung. Die Erzählung von den guten Werten des Sports, Fairplay, Gesundheit, Gemeinschaft. Der Weltfußballverband Fifa spricht genauso von der Fußballfamilie wie das Internationale Olympische Komitee von der olympischen Familie.

Schmutz am Schatz wird nur in Sprenklern geduldet, deshalb bleibt die Dopingbekämpfung auch immer so schwach, dass nur wenige Fälle aufgedeckt werden. So wird der Anschein gewahrt, dass die Dopingbekämpfung funktioniert und die sauberen Athleten in der Mehrheit sind. Unter ökonomischen Gesichtspunkten sind die Verbände damit sehr erfolgreich. Die Experten von „Brand Finance“ bewerteten die Marke der einstigen Amateursportveranstaltung Olympia mit 47,5 Milliarden US-Dollar als zweitwertvollstes Unternehmen der Welt – hinter Apple, aber noch vor Google. Aus dem Verkauf von Fernsehlizenzen und Sponsoringrechten hat das IOC Rücklagen in Höhe von 900 Millionen Dollar angehäuft. Damit könnte es sogar einen Ausfall der Spiele überbrücken. Die Fifa machte im WM-Jahr 2010 einen Gewinn in Höhe von 202 Millionen Dollar. Die US-amerikanische Profifootball-Liga NFL ist mit einem Jahresumsatz von zehn Milliarden Dollar die vermutlich finanzkräftigste Liga der Welt, die Fußball-Bundesliga brachte es 2011/2012 immerhin auf zwei Milliarden Euro Umsatz und auf 55 Millionen Gewinn. Der Gewinn der Formel 1 lag 2012 bei 505 Millionen Dollar.

Internationale Sportverbände gewähren ihren Funktionären ausreichende Entschädigung. Der Spesensatz beträgt bisweilen 300 bis 400 Dollar pro Tag. Bei Kongressen und Veranstaltungen werden den Funktionären Flüge, Hotels und Verpflegung bezahlt, oft auch noch den Ehepartnern. Hinzu kommen Vergünstigungen bei Bekleidung und Autos. Die Präsidenten von IOC und Fifa stehen inzwischen beinahe im Rang eines Staatschefs. Es geht allerdings bei Weitem nicht so transparent zu wie in einem internationalen Konzern. „Es fehlen Checks and Balances. Deshalb können persönliche Interessen immer wieder Einfluss nehmen“, sagt Sylvia Schenk, ehemals Vorsitzende von Transparency International Deutschland und 1972 selbst Olympiateilnehmerin in der Leichtathletik. Dazu kommt beim IOC mit seinen gut 100 Mitgliedern, dass es sich immer wieder selbst reproduziert, also seine eigenen Mitglieder neu wählt. In der Fifa herrscht zwar das Prinzip „one vote, one country“, doch gerade von kleineren Ländern ist eher ein zustimmendes Verhalten gegenüber der Fifa-Führung zu erwarten, um die Privilegien nicht zu gefährden. Und das Exekutivkomitee, die Fifa-Regierung, hat nach kaum nachvollziehbaren Kriterien die nächsten WM-Turniere nach Russland (2018) und Katar (2022) vergeben. Der ehemalige BBC-Sportchef Mihir Bose nennt die Fifa den „Vatikan des Sports“. Schenk kritisiert: „Wir brauchen für die Vergabe von Großveranstaltungen transparente Entscheidungswege und klare Kriterien. Bisher ist es so, dass sich keiner für irgendetwas rechtfertigen muss.“

Politik - der einflussreichste Mitspieler

Der moderne Sport ist einst auch als unabhängige Gegenbewegung zum Staat entstanden, wie etwa die Turnbewegung von Friedrich Ludwig Jahn. Inzwischen haben sich Sport und Politik in wechselseitige Abhängigkeit begeben. Nicht nur Sportministerien und Sportverwaltungen zeigen, dass der Staat zum einflussreichen Mitspieler geworden ist. Der Sport ist auf ihn angewiesen, denn Staaten bauen Stadien und Sporthallen, finanzieren Trainer und Reisekosten bei internationalen Wettkämpfen. Die Wechselbeziehungen sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Während in Deutschland der Staat noch Athleten über Bundeswehr und Bundespolizei bezahlt, Geld in die Dopingbekämpfung und für Sportprojekte in der Entwicklungshilfe investiert, gibt es in den USA keine staatliche Sportpolitik. Fast alles wird dort privat finanziert.

Den Wert des Sports für die eigene Präsentation nutzen jedoch Politiker, Parteien und Regierungen überall in großem Umfang. Staats- und Regierungschefs bevölkern daher die Tribünen bei wichtigen Sportereignissen oder spielen zur Imagepflege gegeneinander Tischtennis wie US-Präsident Barack Obama gegen Großbritanniens Premierminister David Cameron. Staaten liefern sich auch einen harten Wettbewerb um Olympische Spiele und Weltmeisterschaften. Erst buhlen sie mit allen Mitteln, wenn sie den Zuschlag dann haben, reißen sie die Veranstaltung oft mit allen Symbolen an sich. China inszenierte vor Olympia 2008 in Peking einen gigantischen Fackellauf, der bis auf den Mount Everest führte. Um der Welt wenigstens ein kleines Signal gegen die Vergessenheit zu senden, richtete das „kleine China“ Taiwan ein Jahr später die World Games aus. Die nächste gigantische Selbstdarstellung eines Landes erwartet die Welt im Februar bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi. Russlands Präsident Wladimir Putin warb persönlich bei der entscheidenden Sitzung des IOC um die Zustimmung. Dass er dabei den Mitgliedern, ihren Ländern und Sportarten keine Zuwendungen in Aussicht gestellt hat, gilt als unwahrscheinlich.

Die staatliche Einflussnahme auf Sportverbände des Landes muss subtil sein. Denn der Sport beharrt immer noch auf Autonomie, internationale Sportverbände bestrafen die Einmischung, etwa bei der Besetzung von Posten, mit der Suspendierung des Mitgliedsverbands. Das stellt die Politik vor Probleme. „Bei der Welt-Sportministerkonferenz im Mai in Berlin habe ich mit afrikanischen Sportministern gesprochen, die sich fragen, welche Handlungsmöglichkeiten sie überhaupt gegen Korruption im Sport haben. Denn sie sagen: Wenn wir eingreifen, dann werden unsere Verbände ausgeschlossen“, sagt Anti-Korruptionsexpertin Sylvia Schenk. Das Verteidigungsarsenal des IOC umfasst noch mehr als den Ausschluss von Nationalen Olympischen Komitees. „Wir können entscheiden, dass die Offiziellen keine Akkreditierung für die Olympischen Spiele bekommen“, sagt IOC-Präsident Jacques Rogge, „wir können dem Sportminister eines Landes die Akkreditierung verweigern. Wir können finanzielle Sanktionen beschließen. Wir können beschließen, dass sie ihre Landesfahne und Nationalhymne nicht präsentieren dürfen und stattdessen unter der olympischen Fahne starten.“ Bei der Bekämpfung von Doping und Spielmanipulation ist der Sport jedoch zunehmend hilflos. Die Welt-Anti-Doping-Agentur ist daher ein Gemeinschaftsprojekt von Staaten und Verbänden. Die Verschränkung von Sport und Politik wird nicht nur hier immer enger.

Unternehmen - der Druck aus dem Hintergrund

Was Unternehmer im und mit Sport erreichen können, zeigen die Pioniere der Branche. Allen voran Horst Dassler. Der 1987 verstorbene Firmenchef von Adidas knüpfte ein Netzwerk, mit dem er auch auf Wahlen von IOC- und Fifa-Präsidenten Einfluss nehmen konnte. Die von ihm gegründete Agentur ISL kaufte von Sportverbänden Rechte und verkaufte sie an Sponsoren und Fernsehsender weiter. Es entstand ein wirres Geflecht, das – wie sich später herausstellte – Bestechung für ein genehmes Geschäftsgebaren hielt. Von 138 Millionen Schweizer Franken Schmiergeld ist die Rede. Auch der ehemalige Fifa-Präsident João Havelange nahm mindestens 1,5 Millionen Franken an und musste deshalb aus dem IOC ausscheiden und als Ehrenpräsident der Fifa zurücktreten.

Inzwischen ist die ISL zwar pleite, aber das Geschäftsmodell Rechteagentur floriert nach wie vor im Sport und hat maßgeblich dazu beigetragen, ihn so reich zu machen. Die Beratungsfirma A.T. Kearney hat errechnet, dass der Sport mit seiner Ausrüstung, seinen Veranstaltungen und seinen Sportstätten jährlich weltweit zwischen 480 und 620 Milliarden Dollar umsetzt. Wäre der Sport ein Land, läge sein Bruttoinlandsprodukt damit zwischen dem Belgiens und der Schweiz.

Sportverbände verkaufen genauso ihre Werberechte wie einzelne Sportler. Fast immer sind dabei Agenturen im Spiel. Je mehr Sportler eine Agentur unter Vertrag hat, desto mehr Druck kann sie auf einen Sportverband ausüben. Auch Unternehmen können Einfluss nehmen, die Olympischen Spiele von 1996 gelten bis heute als „Coca-Cola-Spiele“, weil das IOC sie an den Sitz des US-Brauseherstellers vergab. Und der Chef des südkoreanischen Samsung-Konzerns Kun-Hee Lee sitzt selbst im IOC, was sich bei der Vergabe der Winterspiele 2018 an Pyeongchang nicht als hinderlich erwiesen haben dürfte. Für ihre Sponsoren tun die Verbände so einiges. Die Olympia-Ausrichterstadt soll bei Beginn eine „Clean City“ übergeben, in der die Konkurrenten der IOC-Sponsoren nicht präsent sind. In Peking führte das 2008 dazu, dass in der Schwimmhalle sogar die Firmenlogos auf Lichtschaltern und Toilettenschüsseln überklebt waren.

Sport ist der Traum eines jeden Werbers. „Nicht Schauspieler, Musiker oder Politiker, sondern Sportler haben in den letzten zehn, 15 Jahren die meisten Werbeverträge bekommen“, sagt Andreas Ullmann von der Sportmarketing-Beratungsagentur Repucom. Der Hauptgrund ist die mediale Präsenz. Unter den zehn meistgesehenen deutschen Fernsehsendungen 2011 waren sieben aus dem Sport. Die Fußball-Bundesligisten nehmen 550 Millionen Euro pro Jahr aus der Werbung ein (genauso viel wie mit dem Verkauf der Fernsehrechte). Produktbotschaften lassen sich in diesem hoch emotionalen Umfeld perfekt unters jubelnde Volk bringen.

Manche Firmen setzen fast ausschließlich auf dieses Ambiente, um sich selbst ein jugendliches Image zu geben. Der Getränkehersteller Red Bull investiert nicht nur fast den gesamten Werbeetat in den Sport, er erfindet zu Reklamezwecken selbst Events. Spezielle Medientrainer bilden zudem die perfekten Werbestrahlemänner aus. Die Sponsoren richten ihre Werbung auf ihre Zielgruppen aus. „Wenn BMW oder Mercedes wissen, dass 70 Prozent der Entscheider bei Autokäufen Männer zwischen 40 und 55 sind und Vorlieben für Golf, Segeln oder die Formel 1 haben, ist es ja klar, dass man sich da engagiert“, sagt Ullmann.

Medien - Geld durch Livebilder

Schon vor 2000 Jahren in Griechenland wurde nicht einfach gelaufen, gerungen, geworfen. Sport wurde zelebriert, zum Rahmenprogramm gehörten Zeusopfer, Musik und Tanzeinlagen. Inzwischen ist die Präsentation vielleicht das wichtigste Thema im Sportbetrieb, der sein Geld vor allem mit Livebildern verdient. Analysen haben ergeben: Entscheidend für den Erfolg einer Sportart im Fernsehen ist nicht, dass sie möglichst viele betreiben. Es geht um die Inszenierung. Zur richtigen Mischung gehören einheimische Helden, Eventcharakter und leicht verständliche Wettkämpfe. Eine Formel, die nicht nur im klassischen Sport, sondern auch bei „Schlag den Raab“ und der „Wok-WM“ funktioniert. Daher überprüft das IOC jedes Mal nach Olympischen Spielen alle Sportarten auf ihre fernsehtaugliche Präsentation. Und deshalb muss Ringen darum kämpfen, an diesem Sonntag nicht aus dem Programm zu fliegen. Ganz anders Beachvolleyball. Das Spektakel mit viel nackter Haut ist seit 1996 olympisch – der US-Fernsehsender NBC hatte darauf gedrängt. Nicht ohne Eigennutz: NBC besaß bereits die Übertragungsrechte für Beachvolleyball in ganz Nordamerika und konnte den Sport über die Bühne Olympia in eine ertragreiche Zukunft führen.

So stecken die Medien und vor allem die Fernsehstationen nicht nur im Verwertungskreislauf – sie sind eine der Triebfedern und pumpen das meiste Geld in den Spitzensport. Dabei lassen sich die Lizenzgebühren meist nicht komplett wieder einspielen. Doch Sport ist ein sogenanntes Premiumprodukt, mit dem man glänzen und neue Zuschauerschichten anlocken kann. Auch deswegen zahlt NBC für eine Olympia-Übertragung mehr als eine Milliarde Euro und ist somit der größte Geldgeber des IOC.

Von den zwei Milliarden Euro Umsatz der Bundesligisten stammen 550 Millionen Euro aus „medialer Vermarktung“. Aus den hohen Rechtekosten leiten die Fernsehanstalten eine besondere Stellung ab. Das Fernsehen setzt Sportarten unter Druck, sich kameratauglich zu präsentieren. Fast alle Sportverbände haben darauf mit Regeländerungen reagiert. Im Basketball bleibt für einen Angriff weniger Zeit, im Tischtennis sind die Bälle größer und die Sätze kürzer geworden, im Modernen Fünfkampf findet das Schießen nun integriert ins Laufen statt – und die Notwendigkeit für den Fußball zur Einführung einer Torlinientechnologie ist erst durch die Macht der Fernsehbilder so drängend geworden. Das alles mag man noch für legitim halten. Schwierig wird es, wenn Fernsehanstalten für ihre Übertragung auf Wettkampfzeiten beharren, die Einfluss auf das Geschehen nehmen. So mussten Marathonläufe in der Mittagshitze gelaufen werden.

Dank der opulenten Inszenierung und des anschwellenden Starkults sind Sportler ins Zentrum der Gesellschaft gerückt. Aus der Doppelrolle von Berichterstatter und Geldgeber ergibt sich aber auch ein Interessenkonflikt. „Natürlich haben die Sender Interesse an einem positiven Bild, und sie können Einfluss nehmen“, sagt Marketingexperte Andreas Ullmann. „Durch die Inszenierung übernehmen sie eine aktive Rolle. Und sie profitieren davon, weil dadurch die Einschaltquote steigt.“ Wie problematisch diese Konstellation ist, war unlängst zu sehen, als Sky und auch die ARD in ihren lizenzierten Fußballsendungen den Steuerfall Uli Hoeneß für kaum erwähnenswert hielten. Die ARD war davor bereits wegen des Sponsorings beim dopingbelasteten Team Telekom und seines Vorradlers Jan Ullrich in die Kritik geraten.

Fans - durch Jubel zum Megaereignis

Man kann den Erfolg einer Sportart fast in Dezibel messen. Denn erst der Jubel der Fans macht aus einer Sportveranstaltung ein Megaereignis. Einerseits sind die Zuschauer die Kulisse, andererseits stimmen sie jedoch mit den Füßen auf dem Weg ins Stadion und mit den Fingern an der Fernbedienung mit über die Popularität einer Sportart ab. Im Grunde gleicht der Einfluss der Sportfans der Macht der Verbraucher. So lange sich Verbraucher nur über Mastbetriebe aufregen, im Supermarktregal aber doch zum Billigfleisch greifen, wird sich wenig am System ändern.

Auch die Fans bestätigen durchs Zuschauen und Kaufen von Fanartikeln, dass alles so weitergehen soll wie bisher. „Wir, die Fans, sind das Zünglein an der Waage in diesem ganzen Geldkreislauf“, sagt Sportmarketingexperte Andreas Ullmann von Repucom. „Wenn die Fans sich nicht dafür interessieren, wenn sie nicht ihre Abos bei Sky verlängern, wird Sky auch niemals so viel Geld zahlen können. Das ist bei der ARD auch nicht anders. Die werten jeden Tag hoch und runter ihre Einschaltquoten aus. Die Sponsoren gehen zur ,Sportschau’, weil da fünf Millionen Leute zuschauen.“ Es kann sogar passieren, dass Stadionbesucher und Fernsehzuschauer gegeneinander ausgespielt werden. Während den meisten Fans in der Fußball-Bundesliga die Anstoßzeit Samstag 15.30 Uhr heilig ist, wurde den Fernsehzuschauern eine weitere Aufsplittung des Spieltags als Vervielfältigung des Seherlebnisses verkauft. Der wahre Grund ist natürlich, dass mehr Livespiele mehr Zuschauer und somit mehr Einnahmen einbringen.

Schon in der Antike galt der Stadionbesucher als unmündig – Spiele als Beruhigungsmittel, das die Mächtigen vor politischem Handeln der Massen schützt. Mit der Rolle des Konsumenten wollen sich heute jedoch längst nicht mehr alle Fans abspeisen lassen. Vor allem im Fußball hat sich eine Gegenbewegung von unten entwickelt. In Großbritannien gibt es die Dachorganisation „Supporters direct“ für Vereine, die im Besitz von Fans sind – das sind in Großbritannien inzwischen 30, im Wesentlichen Fußballklubs. Viele Fans haben demokratische Strukturen in Vereinen erreicht und setzen damit ein Gegengewicht zu Klubs, die von Investoren als Renditeobjekt oder Spielzeug übernommen werden. „Da, wo es um organisierte Fans geht, tut sich eine Menge“, sagt Anti-Korruptionsexpertin Sylvia Schenk. Es ist für die Fans leichter, sich in einer Mannschaftssportart mit Vereinen und Ligen zu engagieren als in einer Einzelsportart, die ihre Meisterschaften auf der ganzen Welt austrägt. Auch aus der Formel 1 fällt Schenk jedoch ein Beispiel für die gewachsene Bedeutung der Fans ein: „Der Grand Prix in Bahrain ist 2011 nicht auf Druck von Zeitungen abgesagt worden, sondern weil auf Facebook Millionen von Menschen einen Shitstorm losgetreten haben.“

Wenn es um Fans geht, ist der Sport noch immer eine Männerdomäne. Knapp 80 Prozent der männlichen Fernsehzuschauer interessieren sich für die Wettkämpfe, bei Frauen sind es nur rund ein Drittel. Der durchschnittliche Sportzuschauer ist bei allen Fernsehsendern der Mann über 50. Doch in vielen Sportarten hat sich dieses Ungleichgewicht zuletzt verschoben, vor allem der Fußball hat bei der Erschließung neuer Zielgruppen inzwischen die ganze Familie im Auge. „Schauen Sie sich mal die Merchandising-Kataloge der Vereine an, wie viel da nur auf Frauen, Kinder und Familien abzielt“, sagt Ullmann. „Vor allem Kinder sind da eine der wichtigsten Gruppen, angefangen beim Säugling.“

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