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Nach nur rund sechs Monaten ist Ralf Rangnick als Trainer des FC Schalke 04 zurückgetreten. Wir blicken zurück auf eine bemerkenswerte Karriere.

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Update

Burnout-Syndrom: Rangnick tritt als Schalke-Trainer zurück

Den Boden unter den Füßen weggezogen: Fassungslos nimmt der FC Schalke 04 den Rücktritt seines psychisch erschöpften Trainers Ralf Rangnick zur Kenntnis.

Trainerwechsel sind auf Schalke nichts Besonderes – normalerweise. Am Dienstag aber war in Gelsenkirchen alles anders. Ralf Rangnick verlässt den zweitgrößten und zweitbewegendsten deutschen Fußballverein, um seine Gesundheit zu retten oder wiederherzustellen. Dieser Fußballlehrer stand nicht in der Kritik, sondern für den Aufbruch in bessere Zeiten; er war unumstritten. Diesmal musste die Reißleine gezogen werden, um Rangnicks Gesundheit zu schützen. „Es hat uns den Boden unter den Füßen weggezogen“, sagte Schalkes Manager Horst Heldt. Aber die Diagnose habe keine andere Entscheidung zugelassen, als das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden.

Neben Horst Heldt saß der Schalker Vereinsarzt Dr. Thorsten Rarreck, nickte zustimmend und erläuterte die medizinischen Gründe für den Entschluss, den das Management am Mittwochabend, auch auf Empfehlung des Arztes, im Einvernehmen mit dem Trainer gefasst habe. „Ralf Rangnick leidet unter einem vegetativen Erschöpfungssyndrom, seine Energiereserven sind ausgeschöpft, er ist körperlich am Ende“, sagte Rarreck. Schalke will „zeitnah einen Nachfolger präsentieren“, wie Heldt ankündigte, aber auch nichts überstürzen. „Wir müssen die beste Lösung finden, nicht die schnellste“, sagte Clemens Tönnies, der Aufsichtsratsvorsitzende. Bis ein Nachfolger für Rangnick gefunden ist, leitet sein Assistent Sepp Eichkorn das Training; er wird auch an diesem Samstag im Bundesliga-Heimspiel gegen den SC Freiburg die Verantwortung tragen.

Rangnick selbst verließ Gelsenkirchen, nachdem er sich am Morgen von der Mannschaft verabschiedet hatte. Er ließ die Gründe für seinen Rücktritt über die Pressestelle verbreiten. „Nach langer und reiflicher Überlegung bin ich zum Entschluss gekommen, dass ich eine Pause brauche. Die Entscheidung so zu treffen ist mir unheimlich schwer gefallen. Doch mein derzeitiger Energielevel reicht nicht aus, um erfolgreich zu sein und insbesondere die Mannschaft und den Verein in ihrer sportlichen Entwicklung voranzubringen.“

Rangnick hatte im März zum zweiten Mal auf Schalke angeheuert, nachdem der Revierklub sich von Felix Magath getrennt hatte. Schon da hatte Rangnick, der zuvor viereinhalb Jahre bei der TSG Hoffenheim beschäftigt war, offenbar das Gefühl, dass es besser wäre, erst zur neuen Saison wieder eine Stelle anzunehmen, zumal zwei Krankheitsfälle in der Familie und im Freundeskreis ihn zusätzlich belastet hatten. Letztlich sei dem Trainer „klar gewesen, dass er eine Pause bis Juli brauchte“, sagte sein Berater Oliver Minzlaff.

Dennoch ließ Rangnick sich dazu überreden, den zu jener Zeit abstiegsgefährdeten Schalkern sofort zu helfen. Das ist ihm auch gelungen. Die Mannschaft stellte den Klassenverbleib frühzeitig sicher, sie erreichte das Halbfinale der Champions League und gewann schließlich in Berlin den DFB-Pokal. Vermutlich gerade deshalb ist, selbst im inneren Führungszirkel, zunächst niemandem etwas aufgefallen. „Es kam für mich aus heiterem Himmel“, sagte Vereinsboss Tönnies. „Ich habe einen sehr engen Kontakt zu ihm. Bei mir hat sich nichts angedeutet.“ Auch die Spieler erlitten einen großen Schock, wie Verteidiger Christoph Metzelder verriet. Ralf Rangnick sei zuletzt, „wie immer, sehr sachlich, sehr analytisch gewesen“.

Die Symptome der Krankheit, Schlafstörungen, Appetit- und Antriebslosigkeit, seien aber „erst vor einigen Wochen aufgetreten“, sagte Minzlaff. Daraufhin habe der Trainer medizinischen Rat gesucht. Dem FC Schalke sei „kein Vorwurf zu machen“, dass er Rangnick dazu gedrängt habe, im März sofort seinen Dienst anzutreten, da die Symptome noch nicht sichtbar gewesen seien. Mannschaftsarzt Rarreck bestätigt das. „Ein Erschöpfungssyndrom ist oft erst im Nachhinein erkennbar.“ Es habe sich erst während der Vorbereitung auf die neue Saison angebahnt.

Der Mediziner sieht gute Chancen für eine vollständige Genesung des Gelsenkirchener Patienten. Anders als bei anderen psychischen Erkrankungen sei ein vegetatives Erschöpfungssyndrom nichts, was den Patienten in seiner Leistungsfähigkeit auf Dauer schwächen müsse. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann Rangnick, bei richtiger Therapie, wieder der alte sei. Minzlaff rechnet sogar damit, dass sein Klient eines Tages wieder in der Lage sei, „mit vollem Elan auf die Bundesliga-Bühne zurückzukehren“. Eine verlässliche zeitliche Prognose lässt sich aber nicht stellen. Deshalb verwarf Heldt auch den Gedanken, die Planstelle für Rangnick freizuhalten und einen Übergangstrainer zu verpflichten.

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