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Warschauer Hooligans randalieren in einem Stadion in Bromberg.

© dpa

Fußball-EM: Polnische Hooligans drohen deutschen Fans

"Wenn wir Deutsche sehen, prügeln wir auf sie ein": Drohungen von Hooligans schüren Sorgen um die Sicherheit deutscher Fußball-Fans in Polen. Die Regierung Tusk will nun härter gegen Krawallmacher vorgehen.

Der Aufwand ist gering, der Effekt groß. Ein polnischer Fußballhooligan hat ein Video ins Netz gestellt, in dem er kurz vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine und Polen deutschen Fans droht: „Wir jagen die Deutschen aus unserm Land; wenn wir Deutsche sehen, prügeln wir auf sie ein“. Solche Aktionen schüren die Sorge um die Sicherheit anreisender Fans – auch wenn die deutsche Nationalelf erst einmal alle Vorrundenspiele in der Ukraine absolviert.

Ähnliche Videos kursierten im Herbst vor dem Länderspiel Deutschland – Polen in Danzig. Im Zweiten Weltkrieg hätten die Deutschen die Polen wie Hunde begraben. „Diesmal begraben wir sie“, drohte damals ein Vermummter in einer ARD-Reportage. Bei dem Freundschaftsspiel selbst gab es aber keinerlei Zwischenfälle, weder im noch außerhalb des Danziger EM-Stadions. Dennoch will Polen auf Nummer sicher gehen.

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Gegen rund 1700 polnische Hooligans wurde ein Stadionverbot verhängt, das während der EM mit elektronischen Fußfesseln durchgesetzt werden soll. Seit diesem Montag sind zudem die Schengenregeln für einen Monat außer Kraft gesetzt und wieder Grenzkontrollen eingeführt worden. Über 250 Kontrollpunkte wurden eingerichtet, zudem soll es vermehrt mobile Kontrollen im Hinterland geben. Mittels einer – noch lückenhaften – internationalen Hooligan-Datenbank sollen gewaltbereite Fans schon an der Grenze abgefangen werden. Rund 10 000 zusätzliche Polizisten sollen die Stadien, Fanzonen und Hotels in den vier EM-Spielorten sichern. Unterstützt werden sie von 150 ausländischen Polizeiexperten mit jahrelanger Erfahrung in der Hooliganszene.

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Fürchten sich die Deutschen vor allem vor polnischen Hooligans, so geht in Polen selbst die Angst vor den Russen um. Rund 30 000 russische Fans werden für das Spiel Polen - Russland am 12. Juni in Warschau erwartet. Viele sollen schwerst bewaffnet sein. Polnische Journalisten haben auf russischen Internetseiten bereits entsprechende Drohungen gefunden.

"Mörder, Drogendealer, Kleinkriminelle"

„Das Hooligan-Problem wird überbewertet“, versichert dagegen Grzegorz Lato, Präsident des Polnischen Fußballverband und legendärer Torschütze der WM von 1974. Die Frage ist, ob das stimmt. So machen seit mehr als zehn Jahren die Fans der polnischen Landesliga mit Gewaltaktionen immer wieder Schlagzeilen. Erst vor einem Jahr aber begann die Polizei nach mehreren Interventionen der Uefa, das Problem ernst zu nehmen und gewalttätige Hooligans zur Verantwortung zu ziehen. Damals stürmten Antiterroreinheiten die Wohnungen der Anführer großer Fußballkrawalle beim Pokalfinalspiel 2011 in Bromberg. Premier Donald Tusk, selbst Fußballfan, sprach von „Mördern, Drogendealern und Kleinkriminellen“, die die Fanszene durchsetzt hätten. Selbst Lato bekannte, die Polizei habe Angst vor den Hooligans, die zudem oft Verbindungen zur kriminellen Unterwelt pflegen.

Hooligan-Gewalt spielt sich in Polen aber nicht nur im Stadion ab. Regelmäßig treffen sich Anhänger verfeindeter Clubs zu Schlägereien in Wäldern und Parks, bei denen es schon Tote gab. Vor vier Wochen nahm die Polizei in Pommern und Schlesien 35 Hooligans fest, die solche „Fan-Kriege“ organisiert hatten. Ihnen drohen bis zu drei Jahren Gefängnis. Angeblich sollen ähnliche Schlägerabsprachen bereits zwischen polnischen, deutschen und russischen Hooligans getroffen worden sein. Belege für diese Behauptungen aus Internetforen gibt es aber bisher nicht.

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Erst Ende Mai warnte der BBC-Dokumentarfilm „Stadien des Hasses“ britische Fußballfans mit dunkler Hautfarbe wegen des Rassismus in den Fankurven vor einem EM-Besuch in der Ukraine und Polen. In der Tat werden in Polen schwarze Spieler regelmäßig ausgebuht, gegnerische Mannschaften der Landesliga als „Juden“ bezeichnet. Antisemitismus und Aufstachelung zum Rassenhass werden bisher nur lückenhaft geahndet.

Experten aus der Ukraine und Polen rechnen zwar nicht mit rassistisch motivierten Übergriffen auf Fußballfans während der EM. Der nigerianische Medizinstudent Emmanuel, der während der EM in seiner Studienstadt Charkiw als Freiwilliger beim EM-Stadion arbeitet, ist allerdings anderer Meinung: „Ein nigerianischer Freund von mir musste gerade mit zwölf Messerstichen ins Spital“, erzählt er. Als Nicht-Weißer müsse man in der Ukraine extrem vorsichtig sein – und unbedingt zumindest Russisch sprechen.

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