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Ins Blaue hinein. Der Freestyle-Skifahrer Josh Dueck brach sich bei einem Salto den Rücken. Acht Jahre danach wagte der Rollstuhlfahrer das Kunststück erneut.

© Paul Morrison

Rückwärtssalto auf dem Mono-Ski: Kopfüber in den Himmel

Der querschnittsgelähmte Kanadier Josh Dueck schaffte als Erster einen Rückwärtssalto auf einem Mono-Ski. Eine Leistung, von der er lange Zeit nur träumen konnte.

Quer über seinen Waschbrettbauch hat er sich als Jugendlicher ein Tattoo stechen lassen: „FREEDOM“ steht da in Großbuchstaben. Freiheit, die war Josh Dueck schon immer wichtig. „Ich liebe es, unabhängig zu sein, nicht mehr bei meinen Eltern zu wohnen, als Freestyleskifahrer bei den Wettkämpfen in aller Welt Leute kennenzulernen und viel Spaß zu haben“, sagte er schon vor seinem Unfall. Dann brach sich der Kanadier aus Vernon im Jahr 2004 bei einem Salto, den er doch schon hunderte Male vorgeführt hatte, den Rücken.

Querschnittlähmung, Bewegungsunfähigkeit, vom Tattoo abwärts fühlt Josh Dueck nichts mehr und kann auch keine Muskeln steuern. Und doch empfindet er unendlich viel und hat sich seine Freiheit wiedererkämpft. Wenn der 31-Jährige jetzt Weihnachten und Silvester feiert, stößt er auf das Jahr 2012 als eines seiner besten im Leben an.

Am 3. Februar glückt ihm als erstem Menschen der Welt ein Rückwärtssalto mit einem Monositzski: Über die Rampe wird er hoch hinaus in den Himmel über dem Skigebiet in Whistler katapultiert. Kopfüber schleudert er um die eigene Achse und lässt die Berge von British Columbia unter sich. Streckt die Arme mit den Skistöcken und den Miniskiern daran weit und rotiert, bis er seinen Monositzskischlitten wieder sicher landet.

„Davon habe ich seit acht Jahren geträumt, seitdem ich im Krankenhaus lag“, sagt Josh Dueck heute im kanadischen Sportfernsehen. „Ich wollte mich wieder auf das Pferd setzen, von dem ich runtergehauen wurde.“ Mit dieser Lebenseinstellung ist er nicht der einzige Wintersportler, der bereits als Nichtbehinderter im Leistungssport aktiv war. Etliche der Paralympics-Teilnehmer waren zuvor Olympiateilnehmer. Nun rasen sie mit gut 100 Stundenkilometern auf den Wintersportrollstühlen mit einem Monoski die Pisten herunter, zuletzt in Whistler vor zwei Jahren und als Nächstes in Sotschi 2014. Im Slalom holte Dueck 2010 bei den Paralympics in Kanada mit 1:46,29 die Silbermedaille. Er kam mit 4,66 Sekunden hinter dem damals alle überragenden Goldmedaillengewinner, dem Deutschen Martin Braxenthaler, ins Ziel.

Die Medaille war für Dueck dennoch Gold wert, gehört er doch zu den wenigen behinderten Hochleistungssportlern, die große Sponsoren an ihrer Seite wissen. Er wird auch regelmäßig von großen Firmen als Motivationscoach gebucht und ist Repräsentant großer Wohltätigkeits- und Arbeitssicherheitsverbände.

Doch die größte Herausforderung, die war bisher der vermeintliche Kamikazesprung im Februar. Wie kann man bitte einen Rückwärtssalto haushoch über dem Schnee steuern, wenn man keine Macht über den eigenen Unterkörper besitzt? Das wurde der Extremsportler jüngst auch in einer US-Talkshow gefragt. „Das ist einfach Wissenschaft, reine Physik“, antwortete Dueck. Und jede Menge Übung. Dafür hat er seinen Alltagsrollstuhl mit den Stollenwinterreifen ganz schön oft aus seinem Pick-up-Truck in den Skigebieten dieser Welt zum Training ein- und ausgeladen. Sonst ist er damit auch gern durch Flussbäche unterwegs, dabei hat ihn auch schon mal seine Freundin in Gummistiefeln begleitet. Vergangenes Jahr feilte der Querschnittgelähmte mit einem Trainer des kanadischen Freestyleteams, spezialisiert auf Kunststücke, an der Technik in der Luft.

Langsam wurde es ernst. „Das Letzte, was ich wollte, war aber, dass das Ding schiefgeht und ich mich hinterher in einer womöglich mieseren Lage wiederfinde, als ich vorher war.“ So sprang er immer und immer wieder in ein Becken voll Schaumstoff, wie es etwa auch die BMX-Radsportkünstler handhaben, bevor sie auf die echte Halfpipe gehen. Und dann war der Moment gekommen.

Die Spezialisten vom „Powder Mountains“-Schneecamp in Whistler an der Westküste Kanadas baggerten ihm eine steile Rampe im weichen Tiefschnee auf. „Dann war es Zeit“, sagt Dueck. Mehrfach holte der Freestyler Schwung, bremste aber am Rampenrand doch wieder ab, glitt zurück, ließ sich wieder den Hang hinaufschieben. Dann kam die Befreiung.

Das Adrenalin treibt ihn noch heute an, im Frühjahr ist er bei Wettkämpfen in Sestriere und St. Moritz, im Februar testet er schon mal beim Weltcup-Finale die Paralympics-Piste von Sotschi. Der Sender ESPN von Freund und Produzent Mike Douglas hat einen Film über Josh Dueck gedreht. „Der Typ haut mich immer wieder um“, sagt Douglas. Der Titel seines Filmes: „Rollstuhl der Freiheit“.

Das Tagesspiegel-Fotobuch „Paralympics 2012“ mit den schönsten Bildern der Spiele in London ist für 29,50 Euro im Tagesspiegel-Shop erhältlich. Pro Buch gehen fünf Euro als Spende an die Nachwuchsarbeit des Deutschen Behindertensportverbandes. Infos: www.tagesspiegel.de/shop.

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