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Offenbar sollte gezielt der Fahrer getroffen werden, um den Bus führerlos zu machen.

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Update

Nach Schüssen auf Mannschaftsbus: Süper-Lig abgesagt, Fenerbahce Istanbul tritt vorerst nicht an

Nachdem der Mannschaftsbus des türkischen Fußball-Klubs Fenerbahce Istanbul am Samstagabend beschossen worden ist, teilte der Verein mit, dass er bis zur Aufklärung der Tat nicht mehr am Ligabetrieb teilnehmen wird.

Gewalt auf dem Rasen und auf den Rängen ist an der Tagesordnung im türkischen Fußball - doch was am Samstagabend an der Schwarzmeerküste geschah, ist eine neue Dimension. Unbekannte eröffneten mit einem Jagdgewehr und zwei Pistolen das Feuer auf den Mannschaftsbus des amtierenden Meisters Fenerbahce Istanbul, als die Spieler nach einem Auswärtssieg in der Stadt Rize auf dem Weg zum Flughafen in Trabzon waren. 

Der Bus sollte offenbar über die Brüstung einer Brücke ins Wasser stürzen

Die Täter hatten die Stelle des Anschlags mit einem teuflischem Hintergedanken ausgewählt. Sie zielten in jenem Moment auf den Kopf des Busfahrers, in dem das Fahrzeug über eine Brücke an einer Flussmündung am Meer rollte: Der Bus sollte offenbar führerlos gemacht werden und über die Brüstung ins Wasser stürzen. "Wir hätte alle tot sein können", sagte Mittelfeldspieler Mehmet Topal. Doch der Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, der neben dem Busfahrer saß, konnte den Bus bremsen und so die Katastrophe verhindern. Der Fahrer wurde mit Gesichtsverletzungen ins Krankenhaus gebracht. Die Ärzte fanden Schrotkugeln in seiner Wange und im Mund. Lebensgefährlich sind die Verletzungen aber nicht. Wenig später wurde das bei dem Anschlag verwendete Gewehr gefunden, die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen Mordvrsuches auf.

Der Fahrer wurde mit Gesichtsverletzungen ins Krankenhaus gebracht. Die Ärzte fanden Schrotkugeln in seiner Wange und im Mund – es besteht aber keine Lebensgefahr. Wenig später wurde das bei dem Anschlag verwendete Gewehr gefunden, die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen Mordversuches auf. Fenerbahce kündigte an, bis zur vollständigen Aufklärung nicht mehr anzutreten. „Wir haben nicht die Absicht zu spielen, bis die Umstände des Anschlags geklärt sind“, sagte Fenerbahces Vorstandsmitglied Deniz Tolga Aytöre. Kurz darauf sagte der türkische Fußball-Verband TFF den nächsten Süper-Lig-Spieltag am Wochenende komplett ab. Schon kurz nachdem die Fenerbahce-Spieler unter Polizeischutz und in gepanzerten Fahrzeugen zum Flughafen gebracht worden waren, hatte sich im ganzen Land Empörung breitgemacht. Politiker und Sportfunktionäre verurteilten den Anschlag.

Trabzonspor liegt seit vier Jahren mit Fenerbahce im Streit

Auch der Klub Trabzonspor, dessen militante Anhänger als Täter in Frage kämen, distanzierte sich von der Gewalttat. Der Klub liegt seit vier Jahren mit Fenerbahce im Streit. Damals hatte ihm Fenerbahce den Meistertitel weggeschnappt, doch es wurden Schiebungsvorwürfe laut. Die Staatsanwaltschaft ließ nach Saisonende den Fenerbahce-Vereinspräsidenten Aziz Yildirim und andere Verdächtige wegen Spielmanipulationen verhaften. Auch die Uefa schloss den Istanbuler Verein von der Champions League aus. Doch trotz aller Proteste von Trabzonspor behielt Fenerbahce den Meistertitel.

Die Fahndung nach den Tätern blieb allerdings zunächst erfolglos

Türkische Medien spekulierten nun, der alte Streit könnte etwas mit den Schüssen auf den Mannschaftsbus zu tun haben. Die Fahndung nach den Tätern blieb allerdings zunächst erfolglos. Gouverneur Öz erklärte, nach ersten Erkenntnissen sei das Feuer auf den Bus aus einem Fahrzeug von der Gegenfahrbahn aus eröffnet worden. Es gebe Augenzeugen, deren Beobachtungen bei der Suche nach den Schuldigen hilfreich sein könnten. 

Nicht nur Trabzonspor-Fanatiker sind sauer auf Fenerbahce. Erst kürzlich leistete sich die Mannschaft ein Gerangel mit Gegnern des Istanbuler Lokalrivalen Besiktas. Angeführt wurden die Spieler bei dem Handgemenge von ihrem Kapitän Emre Belözoglu, die die Gegner zudem äußerst rüde beschimpft haben soll. 

Die Attacke ereignete sich nur kurz nach der blutigen Geiselnahme

Auch außerhalb der Fußballszene der Türkei ist die Stimmung geladen. Die potenziell mörderische Attacke auf den Mannschaftsbus ereignete sich nur wenige Tage nach der blutigen Geiselnahme eines Staatsanwalts in Istanbul, bei der drei Menschen starben, und nach einem Schusswaffenangriff auf das Polizeipräsidium von Istanbul, bei dem eine Täterin getötet wurde. 

Kritiker werfen der Regierung vor, mitschuldig an der Gewalt zu sein

Manche Kritiker halten der Regierung vor, an den Gewaltausbrüchen mitschuldig zu sein. Im vergangenen Jahr hatte Ankara mehrere tausend Polizisten gefeuert oder versetzt, weil sie angeblich der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen angehörten, dem Erzfeind von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die massenhafte Ablösung erfahrener Beamter und die Ernennung regierungstreuer Polizisten an deren Stelle habe die Polizeiarbeit unter anderem bei der Beobachtung militanter Kreise geschwächt, sagen selbst hochrangige Polizisten.

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