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Gegen die Vergangenheit verloren: Zweikampf zwischen Atléticos Miranda (l.) und Chelseas Fernando Torres, der zwölf Jahre lang bei Atlético spielte.

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1:3 gegen Atlético Madrid: FC Chelsea und die Macht des Zufalls

Nach dem 1:3 gegen Atlético Madrid im Halbfinal-Rückspiel hadert der FC Chelsea mit den eigenen Unzulänglichkeiten. "Chelsea ist nicht dafür gemacht, Fußball zu spielen", sagt Stürmer Eden Hazard.

Der laue Frühlingsabend hatte Tränen für Chelseas Kapitän John Terry und die höchste Heimniederlage in der dreieinhalbjährigen Amtszeit von José Mourinhos bei den Blues gebracht, doch der Portugiese beschrieb nach dem 1:3 (1:1) gegen Atlético Madrid den Unterschied zwischen den Mannschaften als so klein, dass dieser in einer einzigen Zeigerumdrehung zu messen gewesen sei. „Eine Minute hat das Spiel entschieden“, klagte er nach seinem persönlichen vierten Halbfinal-Aus in Folge, „auf der einen Seite macht Courtois eine unmögliche Parade nach Terrys Kopfball und ein paar Momente später bekommen die anderen Elfmeter und Diego Costa schießt das 1:2. Damit war das Spiel vorbei“.

Chelseas Trainer verdichtete die Schlüsselsekunden dieses Halbfinales leicht dramaturgisch – Thibaut Courtois, der von den Londonern ausgeliehene Torwart, ordnete seine Tat aus Minute 59 ungerührt in der Kategorie „nichts Besonderes“ ein – aber was die Wirkung des zweiten Treffers der mit intelligenter Kraft und einer phänomenalen Coolness spielenden Gäste anging, hatte Mourinho im Wesentlichen nicht übertrieben.

Chelsea hatte sich nach dem genussuntauglichen 0:0 im Hinspiel auf ein enges, umkämpftes Duell eingestellt; die Startelf mit sechs Verteidigern war programmatisch. Als dann plötzlich zwei Tore für den Einzug ins Endspiel fehlten, fielen die Engländer erst vom Glauben ab und dann ziemlich auseinander. Die letzte halbe Stunde lang machte Atlético es sich auf dem Rasen an der Stamford Bridge regelrecht gemütlich. An der Seitenlinie freute sich ihr Trainer Diego Simeone wie ein kleines Kind.

Fernando Torres hatte gegen seine Ex-Klub zum 1:0 getroffen

Mourinhos 60-Sekunden-Analyse transportierte auch eine tiefere Botschaft: gegen die Unwägbarkeiten dieses Sports, wollte er sagen, sind nicht einmal erwiesene Meistertrainer vollständig gefeit. Seine Mannschaft hatte ja lange vieles richtig gemacht und trotz des defensiven Personals sehr couragiert auf das Tor der Spanier gedrängt, Fernando Torres’ 1:0 gegen seinen Ex-Klub entsprach den Machtverhältnissen. Ein Fehler von Eden Hazard, der Beste der Blauen und zugleich auch ihre größte Schwachstelle, brachte acht Minuten später Adrián López über Umwege in Schussposition. Mit dem Ausgleich nahmen die Spanier den Vorteil in die Kabine.

Mourinho reagierte, er brachte mit Samuel Eto’o einen zweiten Stürmer, um das immer souveräner spielende Atlético zurückzudrängen. Diese nachvollziehbare Entscheidung erwies sich letztlich als fatal. Der Kameruner holte nur fünf Minuten später Diego Costa plump im Chelsea-Strafraum von den Beinen, und nach dessen verwandeltem Strafstoß nutzte Simeones clevere Truppe die Überzahl im Mittelfeld gekonnt aus. Man habe von Chelseas taktischer Umstellung „enorm profitiert“, erklärte Simeone schmunzelnd.

Auf der anderen Seite hat Mourinho schon während seiner ersten, international erfolglosen Amtszeit an der Fulham Road (2004-2007) gerne betont, dass für den Gewinn der Champions League eben auch eine Portion Glück vonnöten sei. Er sagt das aus Überzeugung, nicht als Ausrede: Detailversessene Trainer wie er oder Pep Guardiola sehen es als ihre konkrete Aufgabe an, nicht nur gegen den Gegner, sondern auch gegen die im Fußball unbestritten große Macht des Zufalls anzucoachen.

"Chelsea ist nicht dafür gemacht, Fußball zu spielen", sagt Stürmer Eden Hazard.

Mourinho, der passionierte Raumzerstörer, und Ballbesitz-Fetischist Pep wollen beide die absolute Kontrolle, nur eben mit vollkommen gegensätzlichen Mitteln. Dribbelfuß Hazard, der beim dritten Tor durch Arda Turan wieder seinen Gegner ziehen ließ, räumte ein, dass Chelsea „nicht dafür gemacht“ sei, „Fußball zu spielen“; ein Konterspiel à la Real Madrid würde dem Team mehr liegen.

Mourinho wird Hazards Einlassung nicht goutieren, ihm in der Sache aber kaum widersprechen. Als der Coach die „solide, reife“ Vorstellung des Gegners aus Madrid lobte, schwang zweifelsohne der Wunsch mit, den Kader den eigenen Vorstellungen stärker anzupassen. Nicht mehr, sondern eher weniger Fußball lautet sein strategisches Ziel, und das Aus spielt ihm hierbei paradoxerweise in die Karten. Für den ganz großen Wurf, kann er nun argumentieren, braucht er die sportliche Entscheidungsgewalt im Verein. Oder anders gesagt: noch mehr Kontrolle.

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