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Torsten Mattuschka, 31, (links) spielt seit 2005 beim 1. FC Union. Der gebürtige Cottbuser stieg mit dem Klub aus Köpenick mehrmals auf. Peter Niemeyer, 28, steht seit 2010 bei Hertha BSC unter Vertrag. Der gebürtige Westfale erlebte in Berlin den Aufstieg und den Abstieg. Die Mannschaftskapitäne von Union und Hertha trafen sich beim Tagesspiegel zum Doppelinterview. Hier spielten sie das Derby schon einmal beim Tischfußball vor. Das Spielchen ging 0:0 aus, wobei sich Niemeyer als guter Torwart präsentierte.

© Kai-Uwe Heinrich

Mattuschka und Niemeyer im Interview: „Diesmal tauschen wir unsere Trikots, versprochen“

Die Kapitäne von Hertha und Union, Peter Niemeyer und Torsten Mattuschka, sprechen über den Wert des Derbys, Berlins Fans, Ost und West – und ihren Vorsatz nach dem Schlusspfiff.

Die Herren kennen sich?
PETER NIEMEYER: Doch, schon.

TORSTEN MATTUSCHKA: Wir haben mal Fußball gegeneinander gespielt, oder? Naja, richtig gut und persönlich kenne ich niemanden bei Hertha, und so geht es den meisten bei uns. Bis vor kurzem hatte Chinedu Ede aus seiner Jugendzeit noch einen Draht zu Änis Ben-Hatira. Aber Chinedu spielt seit ein paar Wochen in Mainz.

NIEMEYER: Bei uns war Patrick Ebert noch eine Brücke, ebenfalls zu Ede. Und Patrick ist ja seit dieser Saison auch nicht mehr dabei.

MATTUSCHKA: Moment, die Brasilianer Silvio und Ronny sehen sich öfter. Davon bekommt der Rest der Mannschaft allerdings nicht so viel mit.

NIEMEYER: Aber es ist nicht so, dass wir uns bei Hertha überhaupt nicht für Union interessieren. Ich war letztes Jahr sogar mal in der Alten Försterei und hab mir ein Spiel angeschaut. Union gegen Eintracht Frankfurt. Super Atmosphäre!

MATTUSCHKA: Schon ein bisschen intensiver als bei euch im weiten Olympiastadion mit der Laufbahn, was?

NIEMEYER: Stimmt, ihr habt da ja auch ein ganz schönes Stadion. Aber wenn wir am Montag bei euch antreten, ist ja die Tribüne nicht mehr da, auf der ich damals gesessen habe. Da habt ihr genug Platz für eine Laufbahn. Wir können gern eine mitbringen, aber die ist dann blau.

Wir haben eine verwegene These: Kann es sein, dass Hertha nur abgestiegen ist, um nach dem 1:2 gegen Union vor zwei Jahren im Olympiastadion endlich Berliner Stadtmeister zu werden?
NIEMEYER: Ha, das hätten Sie jetzt gern, wenn ich ja sagen würde? Schwachsinn! Natürlich wären wir lieber in der Bundesliga geblieben, und in dieser Saison werden wir alles dafür tun, dass es in der nächsten keine Derbys mehr gibt. Jedenfalls nicht in der Zweiten Liga.

MATTUSCHKA: Ich kann schon verstehen, dass euch dieses 1:2 von damals immer noch ankotzt. Ihr wart klar überlegen, seid früh 1:0 in Führung gegangen und hattet Riesenchancen. Dann schießt unser John Jairo Mosquera einmal aufs Tor, und der Ball ist drin. Tja, und bei meinem Siegtreffer hat euer Torwart ein bisschen mitgeholfen.

NIEMEYER: Wir Spieler hatten das Derby, genau wie unsere Fans, nicht einfach so abgehakt. Ich hatte damals nicht nur wegen meiner Gehirnerschütterung lange Kopfschmerzen. Aber im Fußball muss man schnell versuchen umzuschalten, vor allem wenn das große Ziel der Aufstieg ist. Ein paar Monate später, bei der Aufstiegsfeier, sind ein paar Leute zu mir gekommen und haben gesagt: Irgendwie schade, jetzt können wir keine Revanche nehmen für die Niederlage gegen Union! Wärt ihr mal lieber nicht aufgestiegen!

Wie war das vor zwei Jahren? Ein Jahr Zweite Liga mit Hertha und Union in Bildern:

Im Ernst?
NIEMEYER: Klar, auch heute gibt es natürlich immer noch ein paar, denen der Aufstieg nicht so wichtig ist wie das Derby. Aber als Spieler musst du so etwas relativieren. Um das noch mal ganz deutlich zu sagen. Ich steige lieber auf, als dass ich die Stadtmeisterschaft gewinne. Aber natürlich wissen wir um die Bedeutung, die dem Derby beikommt – und deswegen werden wir alles tun, um zu gewinnen.

MATTUSCHKA: Mir war vorher auch nicht bewusst, wie wichtig das Derby für die Fans ist. Was nach dem Sieg im Olympiastadion bei uns abgegangen ist, war der Wahnsinn! Mosquera und ich, wir beiden Torschützen haben vier Stunden lang Autogramme gegeben. Vier Stunden! Und die Leute haben sich alle brav und geduldig angestellt und die Erinnerungs-Shirts vom Derby-Sieg signieren lassen.

T-Shirts mit der provozierenden Aufschrift: „Hier regiert der FCU!“
NIEMEYER: Darüber haben wir bei Hertha schon eher geschmunzelt. Union behauptet ja immer, dafür zu stehen, den allgemeinen Kommerz nicht so mitmachen zu wollen. Und dann diese T-Shirts … na ja. Das haben sie schon voll ausgeschlachtet, aber das ist das gute Recht des Siegers.

Hätten Hertha im Falle eines Sieges auch spezielle Derby-Shirts verkauft?
NIEMEYER: Na, raten Sie mal!

MATTUSCHKA: Wer weiß, wer weiß. Aber es war ja auch nicht so, dass wir Spieler mit diesen Hemden aufgelaufen sind. Das war mehr eine Sache für die Fans. Für die war und ist das Derby gegen Hertha eine Riesensache. Natürlich musst du auch bei uns in der Mannschaft niemanden heiß machen. Jeder freut sich auf das Spiel am Montagabend. Wir hatten einen sehr schlechten Start, mit einem Sieg gegen Hertha können wir einiges wieder gutmachen. Aber sonst sehe ich es wie Peter: Danach kommen noch 30 andere Spiele.

Ist Hertha heute Favorit?
MATTUSCHKA: Na klar, die kommen aus der Bundesliga und wollen sofort wieder zurück. Wir wollen nicht die Favoritenrolle, wir wollen den Favoriten stürzen.

NIEMEYER: Mit der Rolle, dass wir nur verlieren und nicht gewinnen können, müssen wir in dieser Saison um die 24 Mal leben. Das war vor zwei Jahren genauso, und damals haben wir die Sache annähernd perfekt hinbekommen. Und dieses Mal – na klar, alle sagen Hertha ist gegen Union der große Favorit. Aber am Montag wird es so sein wie sonst nur im Pokal: Derbys haben ihren eigenen Charakter.

Könnten Sie sich vorstellen, für den jeweils anderen Berliner Klub zu spielen?

Werden Sie nach dem Spiel als Zeichen guter Nachbarschaft denn die Trikots tauschen?
MATTUSCHKA: Hmm, haben wir noch nicht drüber nachgedacht.

NIEMEYER: Wir auch nicht. Wie das beim letzten Spiel war, weiß ich nicht mehr. Ich musste damals mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus.

MATTUSCHKA: Nein, damals haben wir nicht getauscht. Und dieses Mal … Also gut, versprochen, wir tauschen die Trikots und machen es nur für euch!

Oh, der Tagesspiegel dankt!

NIEMEYER: Also gut. Obwohl ich persönlich keiner bin, der großen Wert darauf legt. Aber dieses Mal mache ich eine Ausnahme.

MATTUSCHKA: Wir dürfen schon mal deswegen nicht so oft tauschen, weil wir ein kleiner Verein sind und gar nicht so viele Trikotsätze haben.

Ihr Derby-Siegtor-Trikot vom Februar 2011 …
MATTUSCHKA: Das hängt bei mir immer noch im Schrank. Ich will jetzt nicht sagen, dass es einen Ehrenplatz hat, aber ich weiß schon, wo es hängt.

Bildergalerie: Berliner Derbys der Vergangenheit:

Peter Niemeyer hat im September 2010 beim 1:1 in der Alten Försterei das erste Derbytor überhaupt geschossen.
NIEMEYER: Aber es war kein Siegtor. Fragen Sie mich also bitte nicht, was aus dem Trikot damals geworden ist. Wenn ich diesmal das Siegtor machen sollte, werde ich das Trikot wohl doch behalten. Dann wird’s nichts mit dem Tausch. Sorry, Torsten.

Gut zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung ist das Derby zwischen Union eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen Berlin noch zweigeteilt ist in Ost und West.
NIEMEYER: Ich bitte Sie! Ost oder West, das spielt für mich überhaupt keine Rolle. Ich wohne im Westen, aber ich gehe auch ganz gern mal in den Osten, weil es da großartige Restaurants gibt. Ich bin öfter in Mitte …

… und in Marzahn?
NIEMEYER: Da war ich noch nicht, aber das liegt vor allem daran, dass Berlin so riesengroß ist. Da bleibst du halt in deinem Kiez.

MATTUSCHKA: Ich gehe auch ganz gern zu Burger King, da isst du im Osten genauso gut wie im Westen. Nee, kleiner Spaß. Ich bin neugierig und offen für alles. Ost und West sind Geschichte, wir leben in einem vereinten Deutschland. Damit will ich die Vergangenheit nicht kleinreden. Die alten Ost-Duelle gegen Cottbus oder Dresden oder Aue sind für unsere Fans auch verdammt wichtig.

Wenn denn alles so nivelliert ist – könnten Sie sich auch vorstellen, mal für den jeweils anderen Klub zu spielen?

--- Schweigen ---

MATTUSCHKA: Ich bin fast 32, da stellt sich die Frage zum Glück nicht mehr. Ich spiele jetzt im achten Jahr bei Union, fühle mich wohl und möchte meine Karriere hier beenden. Ich will hier nicht mehr weg. Auch nicht zu Hertha.

NIEMEYER: Ich hab vor kurzem meinen Vertrag bei Hertha um vier Jahre verlängert. Da kann ich mir schwer, nein: überhaupt nicht vorstellen, innerhalb der Stadt zu wechseln.

Kennen Sie eigentlich das Lied der Union-Fans für Torsten Mattuschka?
NIEMEYER: Wenn ich jetzt ja sage – muss ich es dann vorsingen?

MATTUSCHKA: Unbedingt!

NIEMEYER: Sagen wir mal so: Ich hab davon gehört.

Durch so ein Tor im Derby kann man zum auf ewig in der Kurve besungenen Held werden.
NIEMEYER: Auch wenn ich noch nicht so lange in Berlin bin, weiß ich schon, dass Torsten schon lange eine Ikone bei Union ist. Den Song gab’s schon vor seinem Siegtor gegen uns. Ich hab auch im Derby ein Tor geschossen und immer noch kein Lied.

MATTUSCHKA: Tja, haste Pech gehabt.

Das Gespräch führten Dominik Bardow, Sven Goldmann und Robert Ide.

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