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Die Eltern von Mesut Özil (Werder Bremen) stammen aus der Türkei. Er selbst ist in Gelsenkirchen aufgewachsen. Und er ist nicht allein in unserer Internationalmannschaft.

© AFP

Zuwanderung: Integration - ein Intelligenztest für die Politik

Özil mag ein gutes Beispiel für Integration sein. Solange aber die Politik Karrieren wie diese derart betont, sind wir noch nicht angekommen. Ein Kommentar.

Vor der Bundespräsidentenwahl haben beide Kandidaten der großen politischen Lager versucht, sich mit wohlgefälligen Äußerungen zum Thema Integration ein etwas eigenes Profil zu geben. Christian Wulff war damit ein bisschen früher dran, Joachim Gauck zog nach, beide wurden von ihren Unterstützern in dieser Sache lobend erwähnt. Aber auf ihre jeweils eigene Weise haben die Kandidaten auch gezeigt, wie fremd ihnen das Thema eigentlich ist, und: wie fremd ihnen das eigentliche Thema ist.

Als Wulffs Kronzeugin trat Niedersachsens Sozialministerin Aygül Özkan auf, die dem Kandidaten bescheinigt, „früher als viele andere auch Maßstäbe bei der Integration von Zuwanderern gesetzt“ zu haben. Sie spielte damit vor allem auf sich selbst an: Wulff hatte die Rechtsanwältin gerade zur ersten muslimischen Ministerin mit Migrationshintergrund in Deutschland gemacht, in seinem achten Jahr als Ministerpräsident. Für Gauck sprach die Fraktionsvorsitzende der Grünen in Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann: Der Kandidat könne „einen Wahnsinnsbeitrag zur notwendigen Integration“ leisten, in Bezug auf Zugewanderte und „auch für die Menschen in beiden Teilen Deutschlands“. Wulff selbst sagte, das Tor von Mesut Özil beim Spiel gegen Ghana sei ein Beispiel gelungener Integration. Gauck erklärte, Furcht sei beim Thema Integration der falsche Ansatz.

So sieht es aus: Allerweltsworte, Hoffnungen, Fernsichten aufs eigene Land und Ausnahmekarrieren, die als Beleg für eine gelungene Politik herhalten sollen. Die Publizistin Saba Farzan hat sich am Dienstag in einem Beitrag für den Tagesspiegel über die deutsche „Internationalmannschaft“ gefreut und daraus abgeleitet, Migranten müssten zu deutschen Staatsbürgern gemacht werden – Subtext: dann wird das schon was. Am selben Tag veröffentlichte das Bundesamt für Statistik die neuesten Zahlen zum Thema: Im vergangenen Jahr bekamen 96 000 Ausländer einen deutschen Pass; das sind deutlich weniger als vor der Einführung des neuen Staatsbürgerschaftsrechtes im Jahr 2000 und auch weniger als in den Jahren danach. Deutschland hat damit im europäischen Vergleich eine der schlechtesten Einbürgerungsquoten, trotz Vorzeigeministerin, trotz Internationalmannschaft. Das ist für die Gesellschaft gefährlich, demographisch und ökonomisch. Ohne Zuwanderung, ohne junge und qualifizierte Migranten, sinkt die Zahl der Einwohner, steigt die Zahl der Rentner, schrumpft die Wirtschaft. Furcht ist beim Thema Integration also nicht etwa nur der falsche Ansatz, wie Gauck meint, sondern gar nicht das Problem.

Migranten, so sie es denn nach Deutschland geschafft haben, sehen sich eingeklemmt zwischen lautstarken Randgruppen von links und rechts, die ihnen entweder die Deutschland-Fahne vom Balkon reißen oder mangelnde Intelligenz unterstellen. In der breiten Mitte aber mäandert eine Islamkonferenz und regiert die Ratlosigkeit, während das Land sich hinter bürokratischen Mauern verschanzt und hofft, dass nicht nur Angehörige mit Aussicht auf Sozialhilfekarriere nachziehen. Was fehlt, ist nicht ein IQ-Test für Zuwanderer, wie einige fordern; was fehlt, sind intelligente Ideen, wie um hochqualifizierte Zuwanderer geworben werden kann.

Die Özkans und Özils mögen gute Beispiele sein für gelungene individuelle Integration. Solange aber die Politik Karrieren wie diese derart betont, zeigt sie damit nur, wie weit sie vom eigentlichen Ziel noch entfernt ist: der Selbstverständlichkeit solcher Karrieren.

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