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Überzeugende Stille. Keinem Spieler oder Trainer gefiel das Schweigen in den ersten zwölf Minuten und Sekunden in den vergangenen Wochen, wie die Fans von Union Berlin hier im Spiel gegen Kaiserslautern zeigen. Was nach dem 12. Dezember passierte, gefiel vielen Fans auch nicht.

© dpa

Streit unter Fußballfans: Riss in der Kurve

Wochenlang haben Fußball-Anhänger in den deutschen Stadien gemeinsam aus Protest geschwiegen. Doch nun gibt es Streit, wie es weitergeht – und ob Ultras zu viel Macht haben.

Als wie aus dem Nichts die Rufe „Peters raus“ aus dem Block der Ultras in der Schalker Nordkurve durch die Arena hallten, herrschte plötzlich völlige Ruhe rund um die Krakeeler. Kurz darauf formierte sich überraschender Widerstand; ein immer weiter anschwellendes „Ultras raus“ sowie Pfiffe waren zu hören. Mehrere tausend Fans hatten sich spontan solidarisiert und gegen die kleine, aber meinungsstarke Gruppe protestiert.

Dabei ging es nicht in erster Linie darum, den Schalker Finanzvorstand Peter Peters, in der Deutschen Fußball-Liga (DFL) verantwortlich für das bei Fans umstrittene Sicherheitskonzept, in Schutz zu nehmen. Die Mehrheit der Schalke-Anhänger fühlt sich zusehends schlecht vertreten von den Ultra-Gruppierungen.

Ähnliches war auch am Montagabend in Braunschweig zu beobachten. Die Fans des 1. FC Union führten den Protest der vergangenen Wochen weiter.  In der Anfangsphase schwiegen die Berliner, während die Braunschweiger ihre Mannschaft von Beginn an lautstark unterstützten. Als Unions Fans dann nach zwölf Minuten und zwölf Sekunden einstiegen, gab es Pfiffe von den Braunschweigern.

Für die zumeist unorganisierten Anhänger scheint das Maß der Erträglichkeit erreicht. Eine Spaltung der Fangruppen zeichnet sich ab. „Der ganz normale Fan hat die Schnauze voll von den Fanprotesten“, sagt Frank Arndt, Vorsitzender des Schalker Fanklub- Verbandes. Wie grundsätzlich unterschiedlich die Meinungen sind, zeigt sich auch darin, dass es in der Nordkurve zu wüsten Beschimpfungen und Rangeleien zwischen den unterschiedlichen Fraktionen kam. „Nur noch das Pokalspiel gegen Mainz am Dienstag, und dann ist es ganz gut, dass eine Pause kommt“, sagt Arndt. „Dann sollten alle mal ihr Handeln überdenken.“

Nach den Wochen der Geschlossenheit schwanken die Fans auf den Rängen zwischen Gleichgültigkeit, Enttäuschung und Wut. Geändert hat sich quasi nichts nach dem Beschluss des DFL-Sicherheitspapiers. Der Großteil der Stadionbesucher will nun wieder Unterhaltung – mit guter Stimmung und gutem Fußball. Doch vor allem den Ultras geht es um mehr als nur Unterhaltung. Sie sehen sich als elementaren Bestandteil des Fußballs. Es ist ein Streit darüber, was im Mittelpunkt steht – die Fans oder das Spiel?

Herthas Spieler lassen die Ostkurve bei ihrer Ehrenrunde aus

Auch beim 2:1 von Hertha BSC gegen den FSV Frankfurt im Berliner Olympiastadion war die Stimmung gespalten. Die Ultras im Unterrang der Ostkurve schwiegen und ließen ein Transparent für sich sprechen: „Vor lauter Dialogbereitschaft habt ihr vergessen, mit uns zu sprechen“. Die Fans im Oberrang brachen die Stille mehrmals durch Anfeuerungsrufe und Torjubel. Herthas Spieler ließen – verärgert über die fehlende Unterstützung – die Ostkurve bei ihrer Ehrenrunde aus.

Ähnliche Reaktionen gab es von der ersten bis zur dritten Liga zu sehen. Ob in Mainz, wo Klubchef Harald Strutz den Schweigern riet, demnächst „zu Hause zu bleiben“, oder in Münster, wo es auch „Ultras raus“-Rufe gab. Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte meint: „Die letzten Wochen waren sehr auf den 12.12. fixiert und symbolisch überfrachtet. Es wäre wünschenswert, wenn wir jetzt vom Protest zurück zur Gemeinsamkeit kämen. Jede Fanszene sollte nun ihren eigenen Verein beim Wort nehmen und sich mit ihm zusammensetzen.“

Thomas Feltes, Fanforscher und Kriminologe von der Ruhr-Universität Bochum sieht die Entwicklung vom Wochenende skeptisch: „Anders als zuvor haben die Ultras es nicht geschafft, sich mit anderen Fangruppierungen vor dem Spieltag abzustimmen.“ Stattdessen bestehe nun die Gefahr, dass sich die Fanszenen spalten. „In manchen Vereinen sind die Ultragruppierungen untereinander zerstritten und entfernen sich immer mehr von der weiteren Fanszene.“

Auch für die Hertha-Ultras ist die Lage schwierig, wie Thomas Jelinski vom Berliner Fanprojekt erklärt. „Vor dem Spiel wurde diskutiert, ob man weitermacht, als wäre nichts gewesen, die Aktion 12:12 fortsetzt oder 90 Minuten schweigt.“ Die Ultras hätten sich für Letzteres entschieden und dabei auch ein schlechtes Gewissen gehabt. „Es ging ja nicht gegen die Mannschaft, sondern um ihre Belange beim Stadionbesuch.“ Es habe auch Unterstützung von anderen Fans gegeben, sagt Jelinski. Von der Mannschaft habe er aber mehr Verständnis für die Ultras und deren Belange erwartet. „Wir sollten Spielern, Verein und Fans in der Winterpause Zeit zum Dialog geben.“ Erste Gespräche seien bereits geplant.

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