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Kommentar: Hertha funkelt wieder

Hertha BSC Berlin wird ernst genommen, überhöht sich aber nicht. Die Mannschaft von Lucien Favre feiert Erfolge, die erarbeitet und deshalb kein Zufall sind und sogar dem FC Bayern ernst gemeinte Komplimente abverlangen. Robert Ide über die neuen Chancen des Tabellenführers.

Manchmal kann ein Wandel ganz einfach daherkommen. Fast 60 000 Menschen finden sich zusammen, um den nächsten Heimsieg einer dauerheimsiegenden Mannschaft zu feiern und – noch lange nach dem Schlusspfiff – einem Fußballverein zuzujubeln, der wieder zu funkeln beginnt. Weil er eine ganze Stadt und, ja, auch ein Land überrascht. Vor allem aber sich selbst.

Hertha BSC hat in den vergangenen Jahren viel probiert, um sich selbst ein neues Bild zu geben. Nach dem Schnellaufstieg von der Zweiten Liga in die Champions League aber verlor sich Herthas Funkeln im weitläufigen Olympiastadion. Die Dauerpräsenz im Uefa-Cup reichte nicht als Reiz zum Mitfühlen. Und mit seiner Außendarstellung vermochte es Berlins größter Verein nicht, die neue Mitte anzulocken – obwohl er sich so gab, wie es der deutschen Hauptstadt nachgesagt wird: ein bisschen abgehoben, ein bisschen piefig. Play Berlin und Frank Zander – nur die Leichtigkeit dazwischen, sie fehlte. Hertha war arm wie die Stadt, zumindest zeitweilig, aber nicht sexy.

Nun wird die Hertha wieder attraktiv – weil Party-Berlin auch im Olympiastadion tanzen geht. Gleichzeitig erdet sich der Verein, lässt das Leichte geschehen. Der Bundesligist wird ernst genommen, überhöht sich aber nicht. Die Mannschaft von Lucien Favre feiert Erfolge, die erarbeitet und deshalb kein Zufall sind und sogar dem FC Bayern ernst gemeinte Komplimente abverlangen. Noch sind die blau-weißen Fahnen selten im Stadtbild zu sehen, noch ist das Olympiastadion nicht ausverkauft. Aber die Bilder, die Hertha derzeit abgibt, wirken über die Augenblicke der Siege hinaus. Das ist eine unverhoffte Chance für den Verein, sich weiter zu öffnen. Mit Leichtigkeit lassen sich neue Schichten von Fans und Sympathisanten in der Stadt und im Land erschließen.

Jeder Fußballverein, auch wenn er ein Traditionsverein ist, muss sich immer mal wieder neu erfinden. Nun darf Hertha ein neues Bild abgeben – als geerdeter Verein in einem bunten Berlin. Das Gute daran ist: Herthas gereifte Mannschaft, ihr akribischer Trainer und sogar der gewiefte Manager geben sich auch im Glück bescheiden. Sie singen und tanzen mit den Fans, danach geht’s zurück an die Arbeit. So wandelt sich das Bild von Hertha – fast von allein. 

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