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Hart am Gegner. Philipp Lahm war, auch hier gegen Michael Bradley, meist als erster am Ball.

© Reuters

WM 2014: Deutsche Nationalmannschaft: Philipp Lahm, der Kapitän für keine Fehler

Die letzte Chance der USA grätschte er weg und ballte die Fäuste: Philipp Lahm hat am Donnerstag seinen Stammplatz im deutschen Mittelfeld gerechtfertigt. Auch dank der Bayern-Achse mit Kroos und Schweinsteiger.

Es darf inzwischen als weitgehend gesichert gelten, dass auch Philipp Lahm Fehler macht. Am Donnerstag in Recife ist es ihm wieder passiert. Der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft verhedderte sich im Zweikampf, aber nach etwas Gestochere bekam er die Situation doch noch unter Kontrolle. Es geschah nach dem letzten WM-Vorrundenspiel gegen die USA, als Philipp Lahm gerade die Eigenheiten seines Kollegen Thomas Müller zu erklären versuchte. Müller sei einfach wichtig für die Mannschaft, „weil er weiß, weil er azi…, anti…, ähem vorhersieht, was passiert“.

Philipp Lahm ist kein Mann für die komplizierten Dinge. Der 30-Jährige macht die kleinen Dinge gut, das zeichnet ihn aus. Vor allem macht er: keine Fehler. Oder muss man nach den ersten beiden WM-Spielen in Brasilien schon sagen: Früher hat er so gut wie keine Fehler gemacht. Beim WM-Auftakt der Deutschen hatte Lahm noch Glück, dass sein Ballverlust vor dem eigenen Strafraum nicht zum Führungstor für die Portugiesen führte, gegen Ghana leitete sein Fehlpass im Mittelfeld das 2:1 für die Afrikaner ein – vor allem aber leitete er eine Debatte ein, wie sie Philipp Lahm zeit seiner bemerkenswerten Karriere noch nicht erlebt hat. Lauter Gurus und Ex-Gurus wie Christoph Daum oder Michael Ballack meldeten sich zu Wort und kleideten ihre Fundamentalkritik am Kapitän der Deutschen in die freundliche Empfehlung, sich aus dem zentralen defensiven Mittelfeld wieder in die Viererkette zurückzuziehen.

"Ich bin Defensivspieler, und da kriegt man nicht gerne Gegentore"

„Ich hab’s mitbekommen“, sagte Lahm. „Ich lebe ja jetzt hier nicht in irgendeiner Blase. Ich lese auch Zeitung.“ Auf die Frage nach den persönlichen Implikationen antwortete er gewohnt vage: „Für mich ist das Wichtigste, dass die Mannschaft erfolgreich spielt und sich immer weiter entwickelt.“ Lahms letzte Aktion im Spiel wurde aber später vor allem als Ausdruck seiner persönlichen Genugtuung gedeutet. Bei der ersten echten Chance der Amerikaner, einem Konter in der Nachspielzeit, warf er seine ganzen 1,70 Meter Körperlänge in den Schuss von Brad Davis, grätschte den Ball zur Ecke und sicherte der Mannschaft damit den 1:0-Erfolg und den ersten Platz in ihrer Gruppe. Anschließend sprang Lahm auf und ballte beide Fäuste. Genugtuung? „Ich bin Defensivspieler, und da kriegt man nicht gerne Gegentore“, antwortete Lahm.

Bei Bundestrainer Joachim Löw muss der Kapitän weder um seine Stellung noch um seine Position fürchten. Schon vor dem Spiel hatte Löw deutlich seinen Willen bekundet, Lahm auf seiner neuen Stammposition zu belassen. Wie gehabt spielte er als Sechser, Toni Kroos blieb ebenso auf der Halbposition davor. Allein der dritte Mann war diesmal ein anderer. Sami Khedira verlor seine Stelle an Bastian Schweinsteiger, der damit in der dritten Vorrundenbegegnung zum ersten Mal in der Startelf stand. „Das Trio war heute absolut dominant“, sagte Löw.

Nach der vogelwilden Schlussphase beim 2:2 gegen Ghana war es mal wieder an der Zeit, den Beweis zu erbringen, dass diese Mannschaft auch mit Lust verteidigen kann. „Wir haben sehr konzentriert gespielt, sehr seriös", sagte Mats Hummels. Der Abwehrspieler hatte einen vergleichsweise angenehmen Nachmittag erlebt. Zum einen stürmten die Amerikaner keineswegs mit ihrer geballten Kraft, zum anderen hielt das Mittelfeld der Viererkette einiges vom Hals. „Heute war das Anlaufen des Gegners viel besser als gegen Ghana“, sagte Löw. „Das Mittelfeld hat das Spiel beherrscht. Es hat Druck aufgebaut und wenig zugelassen.“

Vor allem Lahm und Schweinsteiger ergänzten sich blendend

Das lag an Lahm. Das lag aber auch an Schweinsteiger, der sehr präsent war, viel lief, stets anspielbar und ins Offensivspiel eingebunden war. „Ich glaube, nach 75 Minuten war er platt heute, da ging dann nicht mehr viel“, sagte Kroos. „Bis dahin ist er viel gelaufen und hat auch gut geackert.“ Der Bundestrainer lobte die verbesserte Organisation im deutschen Spiel, und das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die drei zentralen Mittelfeldspieler sich in dieser Konstellation bestens aus dem Verein kennen. Vor allem Lahm und Schweinsteiger ergänzten sich blendend. Wenn sich der eine in die Offensive einschaltete, übernahm der andere dessen Position.

Als Schweinsteiger nach dem Sieg gegen die USA aus der Kabine kam, folgte sein Blick dem Weg, den sein Rollkoffer über den PVC-Boden nahm. Sprechen wollte er wieder nicht. Die Frage, ob er sauer sei, verneinte er kurz. Dazu gibt es keinen Grund mehr, jetzt, da sich für Schweinsteiger alles zum Guten gewendet zu haben scheint. „Basti tut uns immer gut“, sagte Kroos. Lahm nannte seinen verlässlichen Weggefährten aus Verein und Nationalmannschaft „eine große Persönlichkeit“. Und selbst Khedira lobte: „Er wird fitter. Er hat heute ein ordentliches, gutes Spiel gemacht.“

Ob sich aber nun auch noch ein Plätzchen im Mittelfeld für Khedira finden lässt, ist eher unwahrscheinlich. „Das wird sich zeigen“, sagte Khedira. „Wir müssen für jedes Spiel die richtige Aufstellung finden. Der Bundestrainer hat seinen Plan.“ Wie der Plan aussieht, kann man nur vermuten. Dass er vorsieht, Khedira und Schweinsteiger zusammen in der Startelf aufzubieten, ist wohl eher nicht der Fall.

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