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Schweden: Eine Königin aus Deutschland

Zuerst die Sexskandale um ihren Mann, jetzt die Enthüllung über die Nazi-Vergangenheit ihre Vaters – Königin Silvia bleibt stumm.

Erst das Sexleben von König Carl XVI. Gustaf, jetzt die Nazi-Vergangenheit des Vaters von Königin Silvia – das schwedische Königshaus kommt nicht zur Ruhe. Die deutschstämmige Königin Silvia hatte nach den Sexskandalberichten gemeinsame Auftritte mit ihrem Ehemann eingestellt. Erst am letzten Mittwoch zeigte sich die Königsfamilie erstmals wieder gemeinsam, um Geschlossenheit zu signalisieren. Nun aber gerät auch Königin Silvia in die Kritik. Unehrlichkeit bezüglich der nationalsozialistischen Vergangenheit ihres Vaters Walther Sommerlath wird ihr vom größten schwedischen Privatsender TV4 vorgeworfen.

Im ersten Teil einer am Sonntag zur Hauptsendezeit ausgestrahlten Reportageserie des Programms „Kalte Fakten“ wird dem Vater eine viel aktivere Rolle im Nationalsozialismus zugeschrieben, als bislang bekannt war. Der 1990 gestorbene Walther Sommerlath soll nach Angaben des Privatsenders TV4 1939 in Berlin den „arisierten“ Betrieb eines Juden übernommen und damit angeblich Kriegsausrüstung für die deutsche Luftabwehr produziert haben. Bisher war bekannt, dass der Vater der in Heidelberg geborenen Königin 1934 in die NSDAP eingetreten war.

Die linke schwedische Zeitung „Arbetaren“ enthüllte 2003 erstmals die Mitgliedschaft von Königin Silvias Vater in der Auslandsorganisation der NSDAP, genannt „AO“. Damals wurde das Thema vom Königshof totgeschwiegen. Die Königin gab keine Kommentare dazu ab. Erst sieben Jahre später, im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeiten für Kronprinzessin Victoria mit ihrem Ex-Fitnesslehrer Daniel im Frühling 2010, äußerte sich Königin Silvia erstmals zu dem Thema. Die Parteimitgliedschaft ihres Vaters beruhe auf den Umständen der Zeit, sagte sie da. „Es war eine Maschinerie, nicht wahr? Er war nie politisch aktiv oder Soldat. Er hatte Verantwortung für die Angestellten der Fabrik, aber er war nie politisch aktiv. Ging man dagegen an, war man gleich gegen die ganze Maschinerie“, sagte sie im Hochzeitsprogramm des Senders TV4. Die Presse warf ihr damals „Naivität“ und eine verharmlosende Darstellung vor. Der Bruder von Königin Silvia, Ralf Sommerlath, wird im aktuellen Programm per Telefon interviewt. Es habe damals „anscheinend zum guten Ton“ gehört, Parteimitglied zu sein, sagte er dem Sender. Sein Vater habe ihm gesagt, die Firma in Berlin sei keine jüdische gewesen, sagte er, selbst offen ungläubig, dem Sender.

TV4 zeichnet in seinem Reportageprogramm dann ein sehr kontroverses Bild vom Königinnenvater. Da hieß es: „,Kalte Fakten’ kann enthüllen, dass Walther Sommerlath, Vater der Königin, an der Verfolgung der Juden teilgenommen hat. In Archiven in Berlin und Brasilien haben wir Dokumente gefunden, die aufzeigen, dass Königin Silvia falsch liegt, wenn sie behauptet, dass ihr Vater nicht politisch aktiv war“, sagt der Sender. Im Programm wird enthüllt, dass Walther Sommerlath zu den Ersten gehörte, die der brasilianischen Auslandsorganisation der NSDAP, der AO, beitraten, schon am 1. Dezember 1934. Mitgliedsnummer 3592030. Nur 3,5 Prozent der rund 80 000 Deutschstämmigen in Brasilien seien damals NS-Parteimitglieder gewesen, sagt TV4. Von einer gigantischen „Maschinerie“ also keine Spur. Aber es kommt noch schlimmer.

Walther Sommerlath soll die Zwangsenteignung von Juden in Berlin unterstützt haben. Ein paar Monate vor Kriegsausbruch, im April 1939, übernahm der deutsch-brasilianische Rückkehrer und Geschäftsmann die Metallwarenfabrik Wechsler & Hennig in Berlin-Kreuzberg, Wassertorstraße 14. Die war damals gerade frisch zwangsenteignet worden. Sie gehörte dem Eigentümer Efim Wechsler. Nach der Enteignung habe Sommerlath nach amtlichen Registerkarten im Berliner Bundesarchiv Kriegsausrüstung für die deutsche Luftabwehr, darunter Fahrzeuge, Optik und Sichtgeräte, geliefert.

Bitten um eine Stellungnahme für die Sendung lehnte der Hof ab: „Die Königin hat dazu nichts mehr zu sagen.“

Silvias Bruder Ralf Sommerlath sagt nun, dass er von TV4 ausgenutzt wurde, um einer gegen die ganze Königsfamilie gerichteten Konspiration unfreiwillig Gewicht zu verleihen. Es gehe nicht um den Vater der Königin, es gehe um einen Angriff auf die Monarchie, zitierte ihn TV4 am Montag.

Indessen nimmt die Rückendeckung für König Carl XVI. Gustaf nach der Veröffentlichung der Skandalbiografie deutlich ab. Nach einer Umfrage der Tageszeitung „Dagens Nyheter“ stehen nur noch 51 Prozent der Untertanen hinter dem Monarchen. 2009 waren es noch 64 Prozent. Vor allem schwedische Frauen zwischen 18 und 45 Jahren wollen den Frauenhelden nicht mehr auf dem Thron sitzen sehen. Die Fraktion derjenigen, die eine baldige Ablösung durch seine weiterhin sehr populäre Tochter, Kronprinzessin Victoria, fordern, steigt, laut Umfrage, deutlich an, von 17 auf 31 Prozent. Die Monarchie an sich steht weiterhin auf festem Grund. Auch wenn das Lager der Befürworter seit 2005 um 10 Prozent geschrumpft ist, wollen 70 Prozent, dass Schweden seine Monarchie behält.

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