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Familienleben im Scheinwerferlicht. Prinz William und Herzogin Catherine.

© dpa

William und Kate: Eine Nation in guter Hoffnung

Die Stellvertreter – was das Familienleben von Kate und William für die Briten und ihre Monarchie bedeutet.

Krippenmacher Genny di Virgilio in Neapel war der Schnellste. Kaum war die frohe Kunde von der Schwangerschaft der Herzogin von Cambridge heraus, brachte er Kate, mit Schwangerschaftsbauch und weißem Kleid, nebst William in Galauniform als volkstümliche Krippenfiguren fürs Weihnachtsgeschäft auf den Markt. Er schlug damit die englische Firma Emma Bridgewater, die auf königliche Souvenirs spezialisiert ist und mit der Produktion ihres Tea Mugs „Hooray for Will & Kate“ gerade erst begonnen hatte. Auf der anderen Seite steht „Ein königliches Baby in 2013“.

Alle wollen aus der Schwangerschaft der Herzogin von Cambridge das Beste herausschlagen. „Mutter und Kind“-Geschäfte, Boutiquen für Schwangerschaftskleidung, Agenturen für Kindermädchen, pädagogische Berater werden auf den Zug aufspringen. Was Kate als werdende Mutter tut und lässt, wird im Nu in der ganzen Welt nachgeahmt werden. Schon werden Ingwerplätzchen wieder als Wundermittel gefeiert – nur weil Kate, kurz bevor die Nachricht von ihrer Schwangerschaft publik wurde, an einem Ingwerkeks knabberte. Zeitungen, Zeitschriften und Magazine brauchen das Geschäft am meisten. Vor einigen Wochen sorgte noch die nackte Kate für Auflage, nun ist es das royale Baby.

Für die unmöglichsten Geschichten ist Platz. Der „Daily Telegraph“ ist sicher, dass Kate „ein Mädchen gebären wird, das 5 Fuß und 10 Inches groß sein wird“ – das sind 177 cm. Noch weiter in die Zukunft sieht der „Mirror“: Da das Baby einmal Queen werde (oder, sollte es hartnäckig doch ein Knabe werden wollen, ein König), werde es mit den altersfesten Windsor-Genen mindestens 87 Jahre alt und sitze bei der Jahrhundertwende 2100 auf dem Thron.

Und doch steht hinter der Freude am Royal Baby mehr als das Geschäftemachen. „Nach so viel gnadenlos schlechten Nachrichten verschlingen wir alles Herzerwärmende wie schmachtende Wanderer, die in eine Oase stolpern“, beschrieb Kolumnist Simon Jenkins im „Guardian“ die Stimmung der von Wirtschaftsschwäche und Schuldensparen bedrückten Briten. Warum Kate die Herzen wärmt, ist klar. „Sie ist eine von uns. Sie steht nicht abseits. Sie bringt sich ein“, sagt Marica, eine Zahnarzthelferin aus Rumänien. Kate schwingt den Hockeyschläger, wirft Bälle, malt mit Kindern und lächelt dabei unentwegt.

Sie machte den Traum wahr, dass jede und jeder eine Märchenhochzeit haben kann. Und wenn ihr nun schlecht ist, beweist auch das: Sie ist eben „wie ich und du“. Mit ihrem Aufstieg von der Stewardessentochter zur Prinzessin hat Kate die Bedeutung der „Royal Family“ aktualisiert. Als Symbol der Kontinuität und des Zusammenhangs verknüpfen die „Royals“ in der Monarchie die Selbstdarstellung der Nation mit dem Zyklus von Leben und Sterben. Deutsche Bundespräsidenten betreten die Bühne in einem Rhythmus des Immergleichen als ältere Männer und verschwinden bald wieder.

Die Monarchie dagegen lebt den großen Zyklus von Leben, Sterben und neuer Geburt. Hochzeiten, Geburten, Thronbesteigungen, das Sterben der Monarchen markiert und gestaltet die Lebenszeit der Bürger und Untertanen. Die Geschichte der Nation wird zum kollektiven Familienleben.

Aber im modernen Medienzeitalter ist dieses Mitleben aus der mysteriösen Distanz gelegentlicher Kutschenfahrten und knapper Hofmitteillungen in eine beispiellose Dauerpräsenz versetzt. Als in den ersten Stunden nach Bekanntgabe der Schwangerschaft das „Twitter“-Netz fast zusammenbrach, waren es nicht nur normale „Untertanen“, die sich die Nachricht zufunkten. Parteichefs, der Erzbischof von Canterbury, die alte Uni von Kate und Will, Unternehmer, jeder kleinste Popstar mit einem Twitterkonto nahm am Wirbelsturm der Freude teil.

Premier David Cameron twitterte: „Sie werden wundervolle Eltern sein“ – und formulierte damit nicht nur Freude, sondern auch Erwartung und Anspruch. Formulierte er auch ein Stück konservativer Familienpolitik? Klang versteckt die Erinnerung an Prinzessin Diana an, ihre unglückliche Ehe, ihre Einsamkeit, als sie im Kensington-Palast an Schwangerschaftserbrechen litt? Das alles schwingt mit, wenn die Briten nun klatschend über ihre neue, junge „Royal Family“ herfallen.

Was kommt als Nächstes? In Wettbüros hängen die Listen mit den erwarteten Namen. „Elizabeth“ steht ganz oben – gut, dass auch Kates Mutter Carol Elizabeth heißt. Man diskutiert, ob Kate fernab der Ärzte beim Hubschrauberposten ihres Mannes in Anglesey leben könnte. Oder muss Prinz William seinen Job als Rettungspilot aufgeben? Soll er sich jetzt schon ganz dem Leben der königlichen Pflichten widmen – oder sich besser ins ferne Schottland versetzen lassen und seine Familie aus dem Rampenlicht nehmen, um Vater Charles nicht die Schau zu stehlen, der schon seit 63 Jahren Thronfolger ist?

An William und Kate messen die Briten nun auch, wie weit sich ihre Monarchie modernisiert und das 21. Jahrhundert ins Visier genommen hat. Die Änderung der Thronfolge, die Gleichberechtigung der Mädchen, ist nur ein Aspekt. Früher musste der Innenminister bei der Geburt eines Thronfolgers als Zeuge präsent sein, denn es handelte sich um ein öffentliches Staatsereignis. Heute darf William seiner Frau zwar ohne Minister im Kreißsaal beistehen, aber die Welt wird ihm doch über die Schulter schauen.

Auch Prinz Charles und Diana fingen einmal als Traumpaar an. Dann zerschmolz der Traum in der Hitze der Scheinwerfer. Werden William und Kate es besser machen? Die Briten hoffen. Und glauben.

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