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Adel verpflichtet zu nichts. Wofür steht Karl-Theodor zu Guttenberg? Unser Kolumnist Matthias Kalle ist überfragt.

© dapd

Ich habe verstanden: Hallo Guttenberg

Unser Kolumnist Matthias Kalle schreibt hier nicht über Halloween, sondern über Guttenberg.

Ich wollte eigentlich über Halloween schreiben, darüber, dass ich im Prinzip alles, was aus den USA kommt, erst einmal toll finde, aber eben nicht Halloween, weil ich Halloween nicht verstehe. Ich weiß nicht, ob es eine Kürbisindustrie gibt, und ob die nicht vielleicht diesen Tag erfunden hat, ich weiß, dass ich als kleiner Junge am Nikolaustag singend durch die Nachbarschaft gezogen bin, und dass ich mich darauf immer sehr gefreut habe. Und jetzt wundere ich mich, warum es am 6. Dezember an der Tür nicht mehr klingelt.

Darüber wollte ich schreiben. Ich hatte mir bereits eine kluge, kühne Argumentationslinie skizziert, mit Sicherheit hätte ich auch noch Fakten herbeigeschafft, die den Unsinn von Halloween objektiv offen legen – aber dann kam schon wieder dieser Guttenberg.

Um Guttenberg und um seine Frau ging es an dieser Stelle schon einmal, das war bevor der Wahnsinn um den Mann so richtig losging, und ich weiß jetzt gar nicht, ob ich an diesem Wahnsinn ein bisschen Mitschuld habe oder nicht, aber ich glaube eher nicht. Ich will nicht mitverantwortlich dafür sein, dass Guttenberg in Umfragen der beliebteste Politiker ist und von einigen als kommender Kanzler gehandelt wird. Die Gründe dafür sind übrigens sehr einfach: ich weiß überhaupt nicht, was Guttenbergs politische Agenda ist und ich habe bisher auch noch niemanden getroffen, der mir das erklären kann. Abgesehen davon habe ich noch nie weder die CSU noch die CDU gewählt und eigentlich wollte ich damit auch nicht anfangen.

Aber anscheinend gibt es andere Gründe, die für Guttenberg sprechen sollen, der offensichtlichste Grund ist seine adlige Abstammung, aber ehrlich gesagt bin ich mir ziemlich sicher, dass es so etwas nicht mehr gibt. Mit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung am 14. August 1919 wurden alle Standesvorrechte des Adels abgeschafft. Alle Bürger wurden vor dem Gesetz gleichgestellt, öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes wurden aufgehoben, Adelsbezeichnungen galten nur noch als Teil des Namens. Die verfassunggebende preußische Landesversammlung verabschiedete am 23. Juni 1920 das Preußische Gesetz über die Aufhebung der Standesvorrechte des Adels und die Auflösung des Hausvermögens. Mit diesem „Adelsgesetz“ wurde der Adel rechtlich als privilegierte gesellschaftliche Gruppe in Deutschland abgeschafft. Durch die Abschaffung der Standesvorrechte in der Weimarer Verfassung war dem deutschen Adel die Existenzgrundlage der feudalen Ständeordnung entzogen und die Epoche des Adels in Deutschland beendet.

So. Manche werden das immer noch bedauern, manche werden sich darüber immer noch freuen – aber das die Epoche des Adels in Deutschland beendet ist, daran gibt es nichts zu rütteln. Oder doch? Am Mittwochabend, als ich mich eigentlich auf meinen Halloween-Text vorbereiten wollte, schaltete ich aus versehen den Fernseher an und war plötzlich Zuschauer der Talkshow „Hart aber fair“ von Frank Plasberg. Ich bin jetzt nicht der größte Fan dieser Sendung, aber was Plasberg da am Mittwochabend abgeliefert hat, war schlichtweg großartig. Es ging, natürlich, um die Frage, ob durch Guttenberg der Adel wiederkommen würde, und weil Plasberg diese Frage für sich bereits vor der Show so offensichtlich verneint hatte, gelang ihm eine leichte Demontage von dem, was Adel meint oder von dem, was der Adel glaubt, was Adel meint.

Plasberg nahm weder das Thema noch seine Gäste ernst – und das ist natürlich die komplett richtige Haltung. Und die Gäste demontierten sich selbst, allen voran eine so genannte Freifrau, die beruflich irgendwas mit PR macht und von „behavior“ sprach, wenn sie Benehmen meinte. Benimm, Anstand, Charme – diese Dingen seien es, sagte die Adelsbefürworter, die den Adel ausmachen würden, also auch Guttenberg ausmachen würden und diese These trugen die Adelsbefürworter so rüpelhaft, anstandslos und uncharmant – so schlecht konnte sich nicht mal die Adelsgegnerin Jutta Ditfurth, gebürtige Jutta Gerta Armgard von Ditfurth, benehmen, auch wenn sie es versuchte. Und Plasberg? Ließ die Diskussion laufen. Lächelte, fragte mal hier, mal da nach, und ließ immer auch durchblicken, wie lächerlich er die ganze Sache findet.

Und das ist sie wohl auch. Lächerlich. Überflüssig. Unnötig. Denn neben allen Umfragen, die es zur Popularität von Guttenberg gibt und den Einfluss des Adels auf sein Verhalten – sollte man sich auch an die Umfragen erinnern, in denen ein Politiker immer an der Spitze steht, wenn man Haltung und Anstand abfragt: Der Mann hört auf den sehr bürgerlichen Namen Helmut Schmidt.

Während Deutschland unnötiger Weise über den adligen Guttenberg diskutiert und nachdenkt, ist ein Buch erschienen „Barack Obama – Leben und Aufstieg“, geschrieben vom Chefredakteur des „New Yorker“, David Remnick. Es ist ein großes Buch, eine sensationelle Biografie des US-Präsidenten, und es geht in dem Buch darum, wie aus einem Scheidungskind, das bei seinen Großeltern aufwächst, ein anständiger, ein feiner Mensch wird, wie er aus den Brüchen seines Leben versucht eine Identität zu finden; wie er nach Fragen sucht, nach einer Aufgabe im Leben. Wie er Bürgersinn und Engagement findet. Wie er zu Beginn seiner politischen Suche aufschaut zu den Männern, die in den 60er Jahren an der Seite von Martin Luther King marschiert sind. Wie er am Ende, als er den Amtseid leistet, einem dieser Männer ein Autogramm gibt auf dem steht „Deinetwegen“.

Was soll ich machen – ich finde halt aus Prinzip fast alles toll, was aus den USA kommt. Außer Halloween.

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