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Nach vier Stunden steuern viele Amateure auf das Ziel zu. Dann explodieren die Bomben beim Boston-Marathon.

© Reuters

Update

Anschläge auf Boston-Marathon: Keine weiteren Bomben gelegt

Bei Anschlägen auf den Boston-Marathon sind mindestens drei Menschen ums Leben gekommen, über 150 weitere Menschen wurden verletzt. Jetzt wird klar, dass über die beiden detonierten Bomben keine weiteren Sprengsätze gelegt waren.

Boston war in Festtagslaune. Am dritten Montag im April haben die Bürger in Massachusetts frei. Am „Patriots Day“ gedenken sie der Schlachten von Lexington und Concord 1775 im Revolutionskrieg gegen die britische Kolonialherrschaft. Auch wegen des Feiertags waren rund 500.000 Menschen nach Boston gekommen, um den Marathon zu beobachten.

Am frühen Nachmittag verwandelte sich das Volksfest in ein blutiges Drama.

In der Nähe der Ziellinie des berühmten Rennens ereigneten sich am frühen Nachmittag kurz vor 15 Uhr Ortszeit zwei Explosionen. Die ersten Läufer hatten den Marathon bereits Stunden zuvor beendet. Doch zum Zeitpunkt der Detonationen liefen noch viele langsamere Teilnehmer über die Ziellinie. Augenzeugen berichteten von Chaos und blutenden Menschen, die Körperteile verloren haben. Die Verletzten waren zum Großteil nicht Läufer, sondern Zuschauer.

Medien berichten von bis zu fünf weiteren Sprengsätzen

Um die Zahl der Sprengsätze hatte es zwischenzeitlich Verwirrung gegeben. Die Polizei sprach am Abend von zwei Bombenexplosionen. Es wurde mindestens eine weitere Bombe gefunden, die aber nicht gezündet hatte. Zudem waren an anderen Orten der Stadt Brände ausgebrochen, unter anderem in der Nähe der Kennedy-Bibliothek. Das Feuer dort sei aber nicht durch eine Bombe ausgelöst worden, stellten die Behörden später klar.

Einem Bericht des „Wall Street Journal“ zufolge fanden die Ermittler im Großraum Boston fünf Objekte, bei denen es sich um nicht explodierte Sprengsätze handeln könnte. Am Dienstagmittag gab der Gouverneur von Massachussetts, Deval Patrick, dann auf einer Pressekonferenz bekannt, dass über die beiden explodierten Bomben hinaus keine weiteren Sprengsätze gelegt worden waren.
Patrick zufolge fand die Polizei mehrere verdächtig erscheinende Gegenstände, die vorsichtshalber gesprengt worden seien. Dabei habe es sich aber nicht um Bomben gehandelt. Die Zahl der Verletzten bei den Explosionen gab der Gouverneur mit mehr als 150 an.

Nun rätselt Amerika, was hinter den Explosionen steckt – islamische Terroristen oder fehlgeleitete amerikanische „Patrioten“? Bisher hat sich niemand als Urheber bekannt. Es gibt auch keine Hinweise, wo die Täter zu suchen sind. Wie das ZDF-Morgenmagazin berichtet, sei mittlerweile eine Wohnung durchsucht worden.

Obama spricht demonstrativ noch nicht von "Terror"

In den Stunden nach den Detonationen vermieden Vertreter der Polizei und der Regierung es in auffallender Weise, von einem Terroranschlag zu sprechen. Auch Präsident Barack Obama benutzte das nahe liegende Wort nicht, als er am Abend vor die Kameras trat, um den Familien der Opfer sein Beileid auszudrücken. Aus Regierungskreisen hieß es, die Tat werde als Terroranschlag eingestuft. Der Hintergrund blieb aber zunächst unklar. Präsident Barack Obama erklärte noch am Abend in einer kurzen Live-Ansprache im Fernsehen, man wisse noch nichts über Täter oder Motiv, werde die Verantwortlichen aber zur Rechenschaft ziehen. Es ist der schwerste Bombenanschlag in den USA seitdem die Sicherheitsvorkehrungen nach den Attentaten vom 11. September 2001 erhöht wurden.

Die pakistanischen Taliban haben am Dienstag betont, keine Verantwortung für die Explosionen beim Marathon in Boston zu haben. „Wir sind für Angriffe auf die USA und ihre Verbündete, sind jedoch in diese Angriffe nicht verwickelt“, sagte der Sprecher der Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP), Ehsanullah Ehsan, der Nachrichtenagentur AFP.

Die TTP hat in Pakistan zahlreiche Selbstmordanschläge verübt und auch mit Angriffen auf US-Städte gedroht. Im Mai 2010 wurde ein Autobombenanschlag auf den Times Square in New York verhindert, der laut einem Internetvideo angeblich von der TTP geplant worden war. Der Attentäter Faisal Shahzad erklärte allerdings vor Gericht, er sei zwar von der TTP ausgebildet worden, habe den Anschlag aber allein geplant. Ein TTP-Sprecher bestritt, Shahzad rekrutiert zu haben.

US-Medien spekulieren allerdings, welche potenziellen Täterkreise in Frage kommen und was die Motive sein könnten. Einerseits haben die USA Anschläge auch in den letzten Jahren immer wieder Anschlagsversuche muslimischer Extremisten erlebt. Andererseits gab es in der jüngeren US-Geschichte mitunter innenpolitisch motivierte Anschläge. Dabei waren ideologisch rechts stehende Amerikaner die Täter, die behaupten, dass ihre Regierung sich zu einer Diktatur entwickele, die den Bürgern ihre Grundrechte nehme. Der bekannteste und blutigste solche Anschlag richtete sich 1995 gegen ein Bundesgebäude in Oklahoma City. Es gab 168 Tote. Als Haupttäter wurde Timothy McVeigh verurteilt. Ein anderes Beispiel für diesen Typus des heimischen Gewalttäters war der so genannte Una-Bomber Ted Kaczynski.

Letzter Abschnitt des Marathons war Opfern von Newtown gewidmet

Rechts stehende Amerikaner, die sich selbst als „Patrioten“ bezeichnen, interpretieren auch die jüngsten Forderungen nach einer Einschränkung der Freiheit des Waffentragens als einen Übergriff des Staats gegen ihre Grundrechte. Rechte Gruppierungen haben mit Gegenwehr gedroht. Der Boston Marathon hat mit 26 Schweigesekunden zum Gedenken an die 26 Opfer des Schulmassakers in Newtown begonnen. Die letzte Meile des Laufs war den Opfern des Amoklaufs von Newtown gewidmet. Das hatten die Veranstalter US-Medienberichten zufolge vor dem Marathon bekanntgegeben. Angehörige der Opfer aus Newtown (Connecticut), wo im Dezember in einer Grundschule 20 Kinder und 6 ihrer Betreuer erschossen worden waren, sollen an dieser Stelle unter den Zuschauern gewesen sein. Ob auch sie verletzt wurden, war zunächst nicht bekannt.

Vielerorts in den USA wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Die Stadt Boston sperrte den Luftraum und schaltete das Mobilfunknetz ab, um zu verhindern, dass potenzielle weitere Sprengsätze per Handy ferngezündet werden. Auch in den New Yorker U-Bahnen und Bahnhöfen hat die Polizei ihre Präsenz deutlich verstärkt. An nahezu jeder Haltestelle der Subway stand am Montagabend (Ortszeit) ein Polizist, an größeren Bahnhöfen auch mit Sturmgewehr, Schutzweste und Gefechtshelm. Zudem gab es Durchsagen, um die Reisenden zu beruhigen: „Die Polizei ist für Sie da, wir schützen Sie“, aber auch: „Wenn Sie etwas Verdächtiges sehen, behalten Sie es nicht für sich, sondern verständigen Sie einen Polizisten.“ Die nordamerikanische Basketball-Liga NBA hat nach dem Bombenanschlag beim 117. Boston-Marathon das für Dienstag geplante Heimspiel der Boston Celtics gegen die Indiana Pacers ersatzlos gestrichen.

London prüft Sicherheitskonzept für Marathon

Die Londoner Polizei will nach dem Anschlag auf den Marathon in Boston das Sicherheitskonzept für den an diesem Sonntag stattfindenden London Marathon überprüfen. Man habe bereits mit den Organisatoren gesprochen, hieß es am Dienstag. Der Marathon werde wie geplant stattfinden, versicherte Chef-Organisator Nick Bitel in einem Interview mit dem Sender BBC. „Wir sind tieftraurig und geschockt von den Nachrichten aus Boston“, erklärte Bigel. Es sei ein „sehr trauriger Tag für die Leichtathletik und unsere Freunde vom Marathonlauf“. Der London Marathon führt quer durch die Londoner Innenstadt an zahlreichen Sehenswürdigkeiten vorbei und zieht jährlich rund eine halbe Million Zuschauer an. (mit Reuters/dpa)

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