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Viel zu lachen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel derzeit nicht. Auch die Eröffnung der IAA stand im Lichte des Koalitionsstreits um ihre Euro-Politik.

© dapd

Euro-Streit: Merkel versucht es auf IAA mit neuem Machtwort

Anfang der Woche hat Kanzlerin Merkel die Euro-Kritiker zur Ordnung gerufen. Und nun wieder ein Machtwort von ihr auf der IAA-Eröffnung. Genutzt hat es bisher wenig.

Im vergangenen Jahr pries Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren Herbst der Entscheidungen an. Diesmal könnte es wieder so sein. Nur, dass es diesmal möglicherweise um eine ganz simple Entscheidung geht: Hält diese Koalition bis Weihnachten durch oder bricht sie auseinander, weil das Vertrauen weg ist, weil die Partner sich in einer der elementarsten Fragen über die Zukunft Europas zerstreiten?

Und im Moment ist die FDP, getrieben von der Angst bei der Abgeordnetenhauswahl am kommenden Sonntag in Berlin unterzugehen, scheinbar zu allem bereit. Sie setzt als letztes Mittel auf den Populismus. Geht es gut, wird es für die Stimmung in der Koalition noch schlimmer, weil sich dann der Existenzkampf der Liberalen voll auf einen Anti-Griechenland-Kurs konzentrieren wird. Ob Merkel dann noch mit dem Koalitionspartner rechnen kann, wenn über den dauerhaften Rettungsschirm für die Euro-Schuldner im Bundestag abgestimmt wird, ist zweifelhaft. Scheitert die FDP mit ihrer Alles-oder-nichts-Strategie, dürfte Parteichef Philipp Rösler tatsächlich, wie bei seiner Wahl im Mai angekündigt liefern - und zwar die zweite Wahlniederlage in Folge. Und für beide wird er verantwortlich gemacht: In Mecklenburg-Vorpommern war es sein halbherziger Versuch, Guido Westerwelle doch noch los zu werden, und jetzt sein Spiel mit der Griechenland-Insolvenz.

Auch für Angela Merkel wird es brenzlig. Sie könnte ihre Autorität verlieren. Erst am Montag hat sie die Kritiker zur Räson gerufen. Passiert ist nichts. Im Gegenteil: Nicht nur die FDP rebelliert gegen ihre Euro-Politik, auch in der Schwesterpartei CSU kommt einer nach dem anderen hervor und findet, dass eine Insolvenz Griechenlands gar nicht so schlimm sei. Nun also wieder ein Machtwort der Kanzlerin. Diesmal bei der Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt am Main. Merkel sagte, die Gemeinschaftswährung sorge in Deutschland für Wachstum, Arbeitsplätze und damit Wohlstand. Deutschland sei "aus ureigenstem Interesse verpflichtet, seinen Beitrag zu leisten, um den Euro zu sichern". "Alles, was diesem Ziel dient, ist zu tun, und alles, was dem nicht dient, ist zu unterlassen."

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe mahnte in der "Märkischen Allgemeinen" ebenfalls, Einlassungen zur Krise genau zu überdenken. Mehr noch: "Wir erleben derzeit, wie schnell öffentliche Äußerungen aus der Politik für Turbulenzen auf den Märkten sorgen können. Deshalb müssen wir unsere Worte sorgfältig wägen, um nicht durch Dramatisierungen negativen Entwicklungen Vorschub zu leisten. Denn eines ist klar: Unkontrollierte Entwicklungen sind am Ende immer die teuersten." Nach Ansicht von Unions-Fraktionsvize Michael Meister (CDU) führt die Diskussion dazu, "dass unser eigenes Finanzsystem massiv beschädigt wird". So seien etwa Banktitel an den Börsen abgestürzt. Er rate allen Verantwortlichen dazu, "dass sie Stabilität und Vertrauen ausstrahlen sollten", sagte er in Berlin.

Die FDP ignoriert die Warnungen der Union. Wie genau, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

Philipp Rösler aber hält sich nicht an Warnungen seiner Koalitionskollegen. "Eine Regierung muss sagen, was sie für richtig hält und darf sich dabei nicht von Märkten treiben lassen", sagte der FDP-Chef dem "Tagesspiegel". Merkel und er gehörten "unterschiedlichen Parteien an und bewerten die Dinge in eigener Verantwortung mit dem Ziel gemeinsamen Handelns. So ist das in Koalitionen."

Und die FDP marschiert weiter - weg von der Union, hin zu neuem Euro-Populismus. Sachsen-Anhalts FDP unterstützt nun auch den angestrebten Mitgliederentscheid gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM. Die innerparteiliche Demokratie werde durch Mitgliederentscheide nachhaltig gestärkt, sagte FDP-Landeschef Veit Wolpert am Donnerstag in Magdeburg. "In der aktuellen Situation der FDP kann eine solche Befragung erheblich zur Mobilisierung der eigenen Kräfte beitragen." Wolpert fügte hinzu, es sei klar, dass kein frei gewählter Abgeordneter bei einer Parlamentsentscheidung gezwungen werden könne gegen sein Gewissen abzustimmen. Aber von einem Mitgliederentscheid gehe "eine erhebliche Wirkung" aus.

In Berlin hat der Liberale Spitzenkandidat Christoph Meyer die Wahl am Sonntag zur Abstimmung über die Euro-Politik ausgerufen und sich hinter Rösler gestellt. Auch Martin Lindner, stellvertretender Fraktionsvorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion, sagt dem Tagesspiegel: "Röslers Warnung ist völlig richtig." Immerhin, so argumentiert Lindner, gehe es in dieser Frage auch um "viel Geld für die Stadt Berlin". Linder weiter: "Es wäre ein Fehler, Umschuldung und Insolvenz zu verteufeln. So unwahrscheinlich ist das alles nicht." Man dürfe nicht suggerieren, dass Griechenland immer mehr Geld erhalte, auch wenn sich das Land nicht anstrenge.

Die Opposition sieht vor allem FDP-Chef Rösler am Ende. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Steinmeier griff die Regierungskoalition wegen ihres Streits scharf an. Eine Entlassung Röslers "drängt sich fast auf, aber es wird dieses Kabinett nicht zu einem besseren Kabinett machen", sagte Steinmeier in der ARD. "Da ist ein Hühnerhaufen eine geordnete Formation dagegen", fügte der SPD-Politiker hinzu. Für eine große Koalition stehe seine Partei jedoch derzeit nicht zur Verfügung. (Mit wvb./ dapd)

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