zum Hauptinhalt

Nachruf: Wie Steve Jobs die Welt veränderte - und sich selbst

Steve Jobs erfand technische Geräte, die geliebt werden. Er wollte damit „eine Delle im Universum hinterlassen“. Das ist ihm zweifelsfrei gelungen.

Vielleicht klärt sich nun – in der Rückschau – das große Missverständnis. Das, weswegen der Mythos Steve Jobs zum Ende hin brüchig wurde. Der Mythos des Weltverbesserers, des Visionärs, des Mannes, der – nicht wie sein Konkurrent Bill Gates durch einen Schwenk ins Stiftungswesen, sondern durch die pure Substanz seines Wirkens – zum Sinnbild des Philanthropen wurde, zum Heilsbringer. Vielleicht ist es ja so, dass die Signale immer falsch gedeutet wurden, die davon ausgingen, dass ein freundlicher Familienvater Jahr für Jahr Produkte präsentierte, die sich einfügten in die Welt derer, die eine bessere Welt wollten. Dinge, die, soweit man das über Dinge sagen kann, klug waren und dem Menschen zugewandt.

Vielleicht ist das das große Missverständnis: dass der Schöpfer so guter Dinge ein guter Mensch sein sollte, seine Firma ein Wohltäter für die Menschheit. Zumal, wenn dieser Schöpfer mit Jeans, Pullover und Drei-Tage-Bart wirkte wie der freundliche Sozialkundelehrer mit Hippie-Vergangenheit. Wenn Jobs bei den Apple-Produktpräsentationen mit sanfter, tragender Stimme „One more thing“ sagte, womit er immer das Highlight jeder Präsentation ankündigte, dann war das stilistisch konsensfähig unter denen, die gute Dinge zu schätzen wissen. Steve Jobs, der am Mittwoch im Alter von 56 Jahren einem Krebsleiden erlag, war in seinem Auftreten und Lebensstil genau die Person, die sich viele hinter den wichtigsten Geräten in ihrem Leben wünschten: ein asketisch lebender Buddhist, der für seine Sache brannte und geniale Ideen hatte, ein Überzeugungstäter, der im Erfolg seiner Firma den amerikanischen Traum lebte, ohne dabei neureich, auftrumpfend und stillos zu erscheinen.

Er gab den Menschen Bewegungen, die zärtlich sind - und effektiv

Die Dinge, die Jobs dabei der Welt mit einem genuinen Talent zur großen und zugleich bescheidenen Geste überantwortete, waren deshalb gut, weil sie sich dafür interessierten, wie ihre Nutzer sind. Weil sie ihnen physisch und psychisch entgegenkamen, Medien sein wollten im besten Sinn: Körpererweiterungen. Da war die von Jobs und seinem kongenialen Partner Steve Wozniak seit 1975 betriebene Entwicklung des Personal Computers, der sich mit grafischer Nutzeroberfläche an die Menschen wandte und mit geringer Größe in ihr Leben fügte. Da war die Maus, die Nutzer aus dem Handgelenk navigieren ließ, da war das Rad des iPods, das sich mit dem Daumen drehen ließ, demselben Daumen, der wenige Jahre später mit dem Launch des iPhones zu einem sanften Streicheln animiert wurde. Mit seinen Worten schenkte Jobs der Menschheit nicht nur Dinge, sondern zugleich Bewegungen, die ebenso zärtlich waren wie effizient, ebenso spielerisch wie vernünftig.

Dass sich diese Dinge über Jahre in einer Nische bewegten, die vielen in einem vom technizistisch geprägten Microsoft-Universum mit seinem Gründer Bill Gates als Reich des Guten erschien, verstärkte diesen Effekt nur. Da schien es auch völlig egal, dass auch Jobs immer für den Typus Firmenchef stand, der nur die Belange des Unternehmens vor Augen hatte und seine Mitarbeiter darüber hinaus despotisch beherrschte.

Lesen Sei auf Seite zwei mehr über Apples Rolle als Global Player.

Umso bitterer muss für viele die Erkenntnis gewesen sein, die sich einstellte, als Apple in den vergangenen Jahren zunehmend an Marktmacht gewann: dass auch hier ein Monopolist am Werk war, ein zum Teil strikt restriktiv verfahrender Global Player, dessen Geräte und Systeme ganz dezidiert mit nichts als sich selbst kombinierbar sind, und der zunehmend unangenehm Einfluss auf alle Sphären beansprucht und dabei selbst Einfluss nur in sehr geringem Maße zulässt. Da verkehrten sich plötzlich die Welten – und das Gute war noch böser als das Böse: Denn obwohl Microsoft-Mann Bill Gates während seiner aktiven Zeit von vielen Menschen als das Böse schlechthin empfunden wurde, hatte er viele Unternehmen und viele freie Entwickler am Erfolg von Microsoft teilhaben lassen, indem sie eigene Produkte und Programme für Windows herstellen konnten. Microsoft war zwar nie wirklich offen, doch so rigoros in der Abschirmung seines Wirkungskreises wie Apple war das Unternehmen aus dem Norden der USA nie.

Es ist gewiss nicht falsch zu sagen, dass das in der Person Steve Jobs, der laut seinem engen Freund Dan Kottke „eine Art Stachel im Herzen sitzen hatte“, der ihn zwang, „loszuziehen und sich selbst zu beweisen“, alles schon immer angelegt war: der Kontrollzwang, der Ehrgeiz, die totale Fokussierung auf das eigene Selbst und seine Produkte. Es gibt diese Rede, die Jobs kurz nach überstandener Krebserkrankung 2005 bei einer Graduationsfeier an der kalifornischen Stanford University hielt. Jene, die nun überall dort hervorgekramt wird, wo es um das Inspirierende der Person Steve Jobs geht, weil er den Absolventen vom eigenen Scheitern und Wiederauferstehen berichtet. Darüber, wie sich doch immer wieder – von der unberechenbaren Größe der eigenen Gesundheit mal abgesehen – alles nicht zuletzt durch die eigenen nächsten Schritte gut gefügt hat. Es ist diese Rede, die die jungen Zuhörer mit dem Ruf „Stay hungry, stay foolish“ auf einen Weg der nicht zuletzt unternehmerischen Selbstverwirklichung – findet heraus, was ihr liebt, und lebt das aus! – lotsen will, der vielleicht nicht so gut ist, wie es zunächst scheint. Ist er doch zugeschnitten auf die Bedürfnisse und Wünsche des hyperaktiven Adoptivkinds Steven Paul Jobs, das die Welt beherrschen wollte, oder zumindest einen Teil von ihr.

Jobs’ Lebensweg, der so eng verknüpft ist mit dem der Firma Apple, die er 1976 aus der Taufe hob, ist vielleicht am besten so zusammenzufassen: Ein hochtalentierter Studienabbrecher aus schwierigen Verhältnissen – die leiblichen Eltern gaben Jobs zur Adoption frei, die Stiefeltern konnten ihm nur mit Mühe das College finanzieren –, ausgestattet mit dem festen Vorsatz, Bedeutendes zu schaffen, erkennt etwas Entscheidendes und baut darauf seinen Erfolg, der daraufhin als Dienst am Menschen missverstanden wird: dass produzierende Unternehmen die Bedürfnisse ihrer Kunden erkennen müssen. Ein halbes Jahrzehnt, bevor Microsofts Windows-System seine Kinderkrankheiten besiegt hatte, konnten selbst Geisteswissenschaftler mit dem ersten MacIntosh von 1984 auf intuitive Weise die Vorteile eines Computers bei der Erstellung von Texten oder der Auswertung von Statistiken nutzen. Oft wurde der Er