zum Hauptinhalt
Auch im DDR-Sozialismus gab es erhebliche Ungleichheiten, meint der Historiker Klaus Schroeder.

© dpa

Soziale Ungleichheit: Die DDR war auch nicht besser

Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, heißt es - und Schuld daran sind angeblich die kapitalistischen Verhältnisse. Der Historiker Klaus Schroeder meint: Der Sozialismus in der DDR führte zu ganz ähnlichen Ergebnissen.

Demnächst wird die Bundesregierung den vierten Armuts- und Reichtumsbericht verabschieden, über den die Presse bereits im September berichtete. Es bleibt zu hoffen, dass die inhaltlichen und methodischen Mängel behoben werden. In Wohlstandsgesellschaften sind Armut und Reichtum nur relative Größen. Das beginnt mit der Frage, inwieweit Alleinlebende, die über knapp 1000 Euro monatlich verfügen, als arm gelten können und setzt sich fort mit dem Problem, ob Kinder nun ein Armutsrisiko darstellen, oder ob ohnehin ärmere Familien mehr Kinder bekommen. Als „reich“ gelten im Bericht schon Personen, die gut 3200 Euro im Monat zur Verfügung haben. Die Zahl derjenigen, die nach steuerlicher Grundtabelle über 250 000 Euro versteuern und die sogenannte Reichensteuer zahlen müssen, fällt aber gering aus – es handelt sich nur um knapp 0,3 Prozent der Steuerpflichtigen.

Die im Bericht vorgenommene Definition von Reichtum stiftet allenfalls Verwirrung oder soll die Legitimation für eine stärkere Umverteilung liefern. Wer – ohne die Dimension zu nennen – von Reichen spricht, die angeblich immer reicher werden, will nicht nur die „Superreichen“, sondern schon die obere Mittelschicht ins Umverteilungsvisier nehmen. Erst wenn diese zahlenmäßig relativ große Gruppe, also diejenigen, die zwischen 50.000 und 100.000 Euro im Jahr verdienen, stärker besteuert wird, fließen nennenswerte Beträge in die Staatskasse.

Besondere mediale Beachtung fand die Zunahme der Vermögenskonzentration. Im Entwurf heißt es, es gebe eine „sehr ungleiche Verteilung der Privatvermögen“ zwischen West und Ost sowie zwischen verschiedenen Erwerbs- und Haushaltstypen. Doch auch die angeführte Vermögensverteilung stellt sich bei genauerem Hinsehen anders dar. Die vor allem in den Pensions- und Rentenkassen angehäuften Ansprüche werden – anders als Kapitallebensversicherungen – nicht berücksichtigt. Dieses sogenannte Sozialvermögen liegt zwischen fünf und sieben Billionen Euro und damit über dem deutschen Nettogesamtvermögen von rund 4,6 Billionen Euro. Würden diese „Sozialvermögen“ in die Rechnung miteinbezogen, fiele die Verteilung zwischen oben und unten gleichmäßiger aus.

Auch in der DDR waren die Vermögen sehr ungleich verteilt

Die Betrachtung von Einkommens- und Vermögensverteilung im zeitlichen Verlauf krankt zudem an der fehlenden Berücksichtigung sozialer Veränderungen. So stiegen zwischen 1990 und 2011 die Zahl der Ein-Personen-Haushalte, der Alleinerziehenden und der Älteren. Alle drei Faktoren beeinflussen die finanzielle Situation der Haushalte beträchtlich. Ausgespart bleiben auch Schwarzarbeit und staatliche Leistungen.

Die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen wird kapitalistischen Verhältnissen zugerechnet. Dabei wird übersehen, dass ihre Dimension durch den Sozial- und Steuerstaat in Deutschland erheblich gemindert wird. Selbst der Sozialismus in der DDR führte zu ähnlichen Ergebnissen. Dort waren die Einkommen ebenfalls stark ungleich verteilt, wenn auch etwas geringer als in der Bundesrepublik. Vor allem die Verteilung der Geldvermögen zeigte ein analoges Bild zu heutigen Verhältnissen: Etwa zehn Prozent der Konteninhaber besaßen 60 Prozent der Geldvermögen.

Das im internationalen Vergleich moderate Ausmaß der Ungleichheit und ihre seit 1991 nur geringe Zunahme ist erstaunlich, wenn berücksichtigt wird, dass mit der Wiedervereinigung gut 16 Millionen ehemalige DDR-Bürger und von 1990 bis 2011 etwa 20 Millionen Neuzugezogene (oft aus Ländern, in denen bittere Armut herrscht) integriert werden mussten. Sie erlebten durch das soziale Netz in Deutschland einen Wohlstandssprung, wurden aber als „arm“ eingestuft.

Der deutsche Sozialstaat hat sich bewährt. Das Problem der Ungleichheit reduziert sich auf die Zunahme von Einkommen und Vermögen bei den oberen 0,3 bis maximal ein Prozent.

Klaus Schröder glaubt nicht, dass die Ungleichheit in Deutschland so groß ist, wie Kritiker immer wieder behaupten.
Klaus Schröder glaubt nicht, dass die Ungleichheit in Deutschland so groß ist, wie Kritiker immer wieder behaupten.

© Promo

Der Autor leitet den Forschungsverbund SED-Staat und die Arbeitsstelle Politik und Technik der FU.

Zur Startseite