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Sehnlich haben viele DDR-Bürger auf die DM gewartet. Sie symbolisiert für sie den Wohlstand im Westen.

© picture-alliance/ ZB

Die Geschichte der Währungsunion: Beim Geld fängt die Freundschaft an

Weil immer mehr Menschen in die Bundesrepublik umsiedeln, wird am 1. Juli 1990 die Ost-Mark durch die DM ersetzt. An der Umsetzung der Währungsunion gibt es bis heute Kritik.

Von Carla Neuhaus

Im Sommer 1990 muss es schnell gehen. Die Grenzen sind offen, jetzt sollen die Bürger im Osten wie im Westen mit einer Währung zahlen können. Dauern die Vorbereitungen zur Einführung des Euro später Jahre, plant man 1990 die deutsch-deutsche Währungsunion binnen Wochen. Im Februar kündigt Bundeskanzler Helmut Kohl sie an, gut vier Monate später kommt die DM bereits in den Osten.

Auch wenn es später viel Kritik an dieser hastigen Währungsunion geben wird: Ohne sie wären Ost und West politisch nicht so schnell zusammengewachsen. Bereits drei Monate, nachdem die DM in der DDR eingeführt wird, feiern die Deutschen die Wiedervereinigung. Dabei war das alles so gar nicht geplant. In den ersten Wochen nach dem Mauerfall ist noch von einem behutsamen, schrittweisen Übergang von der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft die Rede, von einer allmählichen Annährung zwischen West und Ost.

Anfangs wollen viele Politiker von einer schnellen Währungsunion nichts wissen

Anfang Januar 1990 schlägt Ingrid Matthäus-Maier, finanzpolitische Sprecherin der SPD, erstmals einen gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum vor. Die Ost-Mark solle durch die DM ersetzt werden, meint sie. Doch noch steht sie mit dieser Meinung allein da: Helmut Kohl soll ihre Idee für eine Spinnerei gehalten haben. Viele Politiker und Ökonomen sprechen sich stattdessen für eine schrittweise Reform aus: eine Übergangszeit mit festen Wechselkursen.

 «Kommt die DM bleiben wir kommt sie nicht geh'n wir zu ihr!» ist auf einem Transparent zu lesen, das ein Paar bei einer Montagsdemonstration am 12.2.1990 in Leipzig mit sich führt.
«Kommt die DM bleiben wir kommt sie nicht geh'n wir zu ihr!» ist auf einem Transparent zu lesen, das ein Paar bei einer Montagsdemonstration am 12.2.1990 in Leipzig mit sich führt.

© dpa

Doch für solch ein kontrolliertes Vorgehen, wie es auch Ökonomen fordern, bleibt keine Zeit. Immer mehr Menschen verlassen die DDR. Der Westen bekommt zunehmend Probleme, sie aufzunehmen. „Kommt die DM, bleiben wir, kommt sie nicht, gehen wir zu ihr“, rufen die Demonstranten in der DDR. Allein im Januar 1990 siedeln 70.000 Menschen von Ost nach West um. Die Politiker stehen unter Druck. Horst Köhler, damals Abteilungsleiter für „Geld und Kredit“ im Bundesfinanzministerium, fragt deshalb Ministerialrat Thilo Sarrazin um Rat: Er bittet ihn, mal aufzuschreiben, wie eine Währungsunion aussehen könnte. Am 29. Januar legt Sarrazin seinen Vermerk vor: „Gedanken zu einer unverzüglichen Einbeziehung der DDR in den D-Mark-Währungsraum“ steht auf dem 14-seitigen Papier. Köhler und Sarrazin gehen damit zu Kohl.

Am 6. Februar verkündet Kohl, über die Währungsunion verhandeln zu wollen

Bundesbankchef Karl Otto Pöhl ahnt davon nichts. Am 6. Februar fragt ein Reporter ihn, ob er sich eine schnelle Währungsunion vorstellen könne. Das sei ausgeschlossen, antwortet Pöhl. Doch da hat Kohl bereits eine Entscheidung getroffen. Noch am selben Tag kündigt der Kanzler an, Verhandlungen mit der DDR über eine Währungsunion aufnehmen zu wollen. „Angesichts der Dramatik des Problems halte ich diesen Weg für den jetzt notwendigen“, sagt Kohl.

Daran ändert auch der Brief der Wirtschaftsweisen nichts mehr, der kurz darauf bei ihm eintrifft. „Wir halten die rasche Verwirklichung der Währungsunion für das falsche Mittel, um dem Strom von Übersiedlern Einhalt zu gebieten“, schreiben die Ökonomen. Aber sie sind zu spät. Von jetzt an, geht es nicht mehr ums Ob oder Wann, nur noch ums Wie: In welchem Verhältnis soll die Ost-Mark in DM umgetauscht werden?

Ökonomen halten vom Umtausch 1:1 nichts

„Eins zu Eins, oder wir werden niemals Eins“, rufen die Demonstranten in Ost-Berlin. Ökonomen halten dagegen von einem Umtausch 1:1 nichts. Sie fürchten, dass sich die DDR-Firmen die Löhne dann nicht mehr leisten können. Manche meinen, um den Betrieben eine Chance zu geben, sei gar ein Umtauschkurs von mindestens 1:6 nötig. Auch wenn das ökonomisch vernünftig gewesen wäre: Politisch durchsetzbar ist es nicht.

 Der Bundeskanzler Helmut Kohl (links), DDR-Finanzminister Walter Romberg (Mitte) und Bundesfinanzminister Theo Waigel (rechts) stoßen in Bonn auf die Vertragsunterzeichnung über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR an.
Der Bundeskanzler Helmut Kohl (links), DDR-Finanzminister Walter Romberg (Mitte) und Bundesfinanzminister Theo Waigel (rechts) stoßen in Bonn auf die Vertragsunterzeichnung über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR an.

© dpa

Am 18. Mai unterschreiben die Finanzminister Theo Waigel und Walter Romberg den Vertrag zur Wirtschafts- und Währungsunion zwischen Ost und West. Ersparnisse sollen 1:1 umgetauscht werden – ebenso Gehälter, Mieten und Renten. Kohl sagt, das sei ein „Ausdruck der Solidarität unter den Deutschen“.

Über Nacht tauscht die DDR ihre Währung aus

Am 1. Juli, einem Sonntag, können die Ostbürger zum ersten Mal DM von ihrem Konto abheben. Die Stimmung ist ausgelassen, die Hoffnung groß. Für die Bürger der DDR ist die DM ein Versprechen auf Wohlstand: Die Westwährung ist ihre Eintrittskarte in die bunte Warenwelt. Doch die Euphorie hält nicht lange an. Politiker wie Bürger müssen einsehen, dass sie für die schnelle DM-Einführung einen hohen Preis zahlen. Der Ökonom Manfred Streit nennt die Währungsunion eine „beispiellose Schocktherapie“. Denn die Ost-Firmen sind mit einem Mal der Konkurrenz der West-Unternehmen ausgesetzt, können mit ihr aber nicht mithalten. Die Ost-Produkte sind technisch überholt, die DM-Gehälter zu hoch. Etliche Betriebe geraten in Existenznot. Die Bemühungen, sie zu privatisieren, helfen wenig.

Der erhoffte Aufschwung bleibt daher aus. Selbst heute, 25 Jahre nach der Währungsunion, entspricht die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Osten noch immer nur 70 Prozent des Westniveaus. Auch die Zahl der Arbeitslosen ist im Osten bis heute deutlich höher als im Westen. Und das obwohl von 1990 bis heute Hilfen in Höhe von zwei Billionen Euro von West nach Ost fließen.

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