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Redaktionsleiter. Can Dündar (l.) und Hayko Bagdat von „Özgürüz“.

© picture alliance / Maurizio Gamb

Exil-Journalist beschwert sich über "Corrrectiv": „Ausbeutung!“

Krach bei Exil-Journalisten: Autor Hayko Bagdat verlässt Online-Medium „Özgürüz“. Türkische Journalisten würden von den deutschen Herausgebern „ausgebeutet“.

Bei dem türkischen Exilmedium „Özgürüz“ in Berlin gibt es knapp sechs Monate nach dem Start handfesten Krach zwischen türkischen Mitarbeitern und deutschen Herausgebern. Der armenisch-türkische Journalist Hayko Bagdat verkündete in dieser Woche seinen Ausstieg aus dem Online-Medium, das vom gemeinnützigen Recherchezentrum „Correctiv“ unterstützt wird. Die türkischen Journalisten würden von den deutschen Herausgebern „ausgebeutet“, schrieb Bagdat in einem aufgewühlten Beitrag auf Facebook.

David Schraven, der Geschäftsführer von „Correctiv“, sagte dem Tagesspiegel, er sei „total verletzt und traurig“ über diese Vorwürfe, die er auf den Kulturschock, die Arbeitsbelastung und den psychologischen Druck zurückführe, unter dem die Emigranten stehen. „Özgürüz“ werde aber mit Can Dündar weitermachen, der das Medium bisher zusammen mit Bagdat leitete.

„Özgürüz“ – auf Deutsch: „Wir sind frei“ – ist angesichts des ständig steigenden Drucks auf die unabhängigen Medien in der Türkei in den vergangenen Monaten zu einem der wichtigsten Sprachrohre für Kritiker des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan geworden. Von Deutschland aus können die türkischen Journalisten über Ereignisse in der Türkei berichten, ohne eine Festnahme befürchten zu müssen.

Die türkische Regierung wirft der Bundesrepublik vor, türkischen Staatsfeinden eine neue Heimat zu bieten. Can Dündar, ein früherer Chefredakteur der türkischen Oppositionszeitung „Cumhuriyet“, ist von Erdogan zum Landesverräter erklärt worden.

„Özgürüz“ werde komplett von Spenden finanziert und habe keinerlei eigene Einnahmen

In seiner öffentlichen Kündigung beklagte Bagdat nun aber, dass die Mitarbeiter von „Özgürüz“ vom deutschen Arbeitgeber nicht krankenversichert würden, dass die Bezahlung zu lange brauche und dass 30 Prozent deutsche Steuern einbehalten würden, wovon sie nichts gewusst hätten. Schraven erklärte dazu, dass er sich seit Monaten darum bemühe, den Emigranten das deutsche Steuer- und Sozialsystem zu vermitteln. Krankenversichern könne „Correctiv“ die türkischen Exiljournalisten nicht, weil sie aufgrund ihres Aufenthaltsstatus nicht fest angestellt werden dürften und sich daher als Freiberufler versichern müssten.

Hayko Bagdat griff Schraven in seinem Beitrag mehrfach persönlich an und bezeichnete ihn als „deutschen Chef“, der die türkischen Mitarbeiter „antreibe“ und „ausbeute“. Implizit bezichtigte er ihn sogar der Schuld am Arbeitsunfall eines Fotografen, der beim Schleppen eines Fernsehers im Büro gestürzt sei, weil er zu viel gearbeitet und „zu wenig Fleisch gegessen“ habe.

In seiner Wut verhöhnte der christliche Armenier Bagdat den deutschen Journalisten Schraven zudem als „guten Christen“, der ihm zu Ostern „missionarische Botschaften“ auf sein Handy geschickt habe. Er bedauere es nur, den Fernseher im Büro nicht zertrümmert zu haben, schrieb Bagdat, und kündigte an, er wolle nun zu „Arti Gercek“ wechseln, einem türkischen Exilmedium in Köln.

Schraven zeigte sich betroffen über die Vorwürfe. Weder „Correctiv“ noch er selbst verdienten einen Pfennig an „Özgürüz“, sagte er. Das gemeinnützige Recherchezentrum habe im Gegenteil viel Geld und Arbeit in das türkische Emigrantenmedium gesteckt und ihm die Büroräume, Computer und Technik bezahlt. „Özgürüz“ werde komplett von Spenden finanziert und habe keinerlei eigene Einnahmen.

Schraven äußerte Verständnis für die Situation der Emigranten, die unter großem Druck stünden und insbesondere vor dem türkischen Verfassungsreferendum im April extrem viel gearbeitet hätten. „Özgürüz“ werde auch ohne Bagdat weitermachen, sagte er. Das Medium erreiche online inzwischen eine Million Menschen in der Türkei und habe damit eine wichtige Rolle.

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