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Am Anfang war „Eisenbahn-Romantik“ ein Pausenfüller, der jedoch schnell erfolgreicher wurde als die Sendungen davor und dahinter. Das von Hagen von Ortloff aufs Gleis gesetzte Format erreicht rund eine Million Zuschauer je Folge. Im Juli feiert die wohl erfolgreichste Nischensendung des deutschen Fernsehens ihr 25-jähriges Bestehen. Der Erfinder des Formats geht nach den Feierlichkeiten endgültig in den Ruhestand.

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25 Jahre "Eisenbahn-Romantik" im TV: "Ein bisschen Sehnsucht, ein bisschen Fernweh"

Hagen von Ortloff über 25 Jahre SWR-Sendung „Eisenbahn-Romantik“, die Macht der TV-Zuschauer und die Ohnmacht der Vernunft bei "Stuttgart 21". Ein Interview mit dem Erfinder des wohl erfolgreichsten Nischenprogramms im deutschen Fernsehen.

Seit 25 Jahren gibt es die Fernsehsendung „Eisenbahn-Romantik“, über 880 Folgen wurden seither produziert. Allzu viele idyllische Strecken und alte Dampfrösser, die Sie und die Redaktion noch nicht vorgestellt haben, kann es eigentlich nicht mehr geben?

Wir haben noch Themen für die nächsten 50 Jahre. Es gibt so viel Strecken, Menschen, Eisenbahnen, über die man noch Folgen produzieren kann. In Deutschland gibt es beispielsweise über hundert Museumseisenbahnen. Davon haben wir vielleicht 15 porträtiert. Bei zwanzig neuen Sendungen im Jahr bräuchten wir allein vier Jahre, um alle Museumseisenbahnen vorzustellen. Dazu kommen die unendlichen vielen anderen Strecken in Deutschland. Ich hatte einmal den Gedanken, Flusstäler als Thema zu nehmen. Also die Bahn entlang des Rheins, entlang von Elbe, Weser, Oder etc. Oder Bahnen durch das Bergland, wie Pfälzer Wald, Schwäbische Alb oder das Weserbergland. Und dann sind wir aber nur in Deutschland unterwegs.

Viele Vereine leiden unter Nachwuchsproblemen. Modelleisenbahner gehören ebenfalls eher der älteren Generation an. Hat sich eine Sendung wie „Eisenbahn-Romantik“ möglicherweise absehbar erledigt?

Es gibt solche und solche Vereine. Vor einigen Jahren haben wir einen Film über die Eisenbahnfreunde im Achertal im Schwarzwald gemacht. Die mussten leider am Ende aufgegeben, weil sie nur noch ganz wenige Leute waren. Dagegen gibt es andere Museumsbahnen mit vielen engagierten Jugendlichen. Deren Bestand scheint für die nächsten Jahrzehnte gesichert.

"Nicht nur für Fans, sondern für die ganze Familie", hat Hagen von Ortloff die SWR-Sendung "Eisenbahn-Romantik" konzipiert.
"Nicht nur für Fans, sondern für die ganze Familie", hat Hagen von Ortloff die SWR-Sendung "Eisenbahn-Romantik" konzipiert. Seinen Enkel Louis hat er auf jeden Fall mit seiner Begeisterung angesteckt.

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Nimmt man die Wiederholungen in anderen dritten Programmen hinzu, kommt jede Folge von „Eisenbahn-Romantik“ auf rund eine Million Zuschauer. Was ist so faszinierend an den qualmenden Ungetümen, die in der alten Bundesrepublik Ende der 70er Jahre und in der ehemaligen DDR ein Jahrzehnt später ausgemustert wurden?

Zuerst einmal: Wir haben in Deutschland noch Bahnen, bei denen es jeden Tag Dampfbetrieb gibt. Das sind zum Beispiel die Schmalspurbahnen im Harz, mit schlappen 150 Kilometer Länge. Andere Bahnen dampfen im Erzgebirge, vor den Toren Dresdens, in der Lausitz oder an der Ostsee. Eine Dampflokomotive ist wie ein Lebewesen. Es zischt, es faucht, es setzt sich mit Getöse in Bewegung. Man sieht bewundernd die Kraft und die Technik. Man möchte augenblicklich hinauf auf den Führerstand. Der Erfolg der Sendung „Eisenbahn-Romantik“ beginnt eigentlich schon mit dem Titel. Da kommt eine kleine Lokomotive mit vier Wagen aus dem Wald gezuckelt und rollt scheinbar durch die Wiese weil die Gleise zugewachsen sind, dazu eine heimelige Musik mit „Sentimental Journey“ – mit dieser Kombination aus Bild und Musik wurde genau das getroffen, was wir zeigen wollten. Unser Erfolg liegt aber auch darin begründet, dass wir unseren Zuschauer als Freund ansehen, den wir auf liebenswürdige, freundliche Art und Weise informieren und unterhalten wollen. Ich möchte nicht nur die Fans, sondern die ganze Familie ansprechen.

Aber auch das Thema muss begeistern.

Das Thema Eisenbahn oder, wenn sie so wollen, das Thema Reisen ist etwas, was unbewusst in uns allen drin ist. Viele von uns Älteren wollten Lokführer werden. In den 50er und 60er Jahren hatte die Eisenbahn einen ganz anderen Stellenwert. Wir hatten kein Auto, wir mussten mit der Bahn fahren. Auch heute erfreut es viele Menschen, dass sie damit schöne Landschaften erfahren können. Oft sagen mir Zuschauer: Sie zeigen mir Gegenden aus dieser Welt, in die ich nie kommen würde, aber ich fahre mit Ihnen einfach mit. Ein bisschen Sehnsucht, ein bisschen Fernweh, ein bisschen Freude am Reisen, der Landschaft und den Menschen, das spielt alles mit.

Und was ist aus der kleinen Lok aus dem Vorspann geworden?

Die ist nach einer Pause von zwanzig Jahren seit vorigem Jahr wieder im Einsatz auf dem Öchsle, einer Schmalspurbahn in Oberschwaben.

In jedem Maßstab: Ob 1:1 oder 1:87, die SWR-Sendung "Eisenbahn-Romantik" macht da keine großen Unterschiede.
In jedem Maßstab: Ob 1:1 oder 1:87, die SWR-Sendung "Eisenbahn-Romantik" macht da keine großen Unterschiede.

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Dass die „Eisenbahn-Romantik“ im Jahr 1991 auf große Fahrt ging, wird zum Jubiläum als Zufall beschrieben. Worin bestand dieser?

Man suchte damals händeringend Pausenfüller für das Dritte Programm, weil die Sendungen damals zeitlich noch nicht so durchgenormt waren wie heute. Da endete ein Film für eine 90-Minuten-Leiste schon mal nach 75 Minuten. Die Sendeleitung wusste, dass ich meine Eisenbahnfilme auf jede beliebige Länge kürzen konnte. So ist die „Eisenbahn-Romantik“ in diese Lücke gerutscht. Nach einem Jahr hat man gemerkt, dass die Einschaltquote für den Pausenfüller besser war, als für die Filme davor und dahinter. Die Zuschauer haben quasi mit der Fernbedienung abgestimmt. Nach drei Jahren waren wir dann eine Sendung von 30 Minuten Länge und einem regelmäßigem Sendeplatz.

„Eisenbahn-Romantik“ ist nicht nur eine TV-Sendung aus Baden-Baden, es gibt einen Club, eine Zeitschrift, Kalender, Sonderfahrten und einiges mehr. Ist das nur ein Service von Fans für Fans oder wird damit auch Geld verdient?

In erster Linie ein Service von Freunden für Freunde. Mit dem Club wird ein bisschen Geld verdient, weil das auch eine sehr umfangreiche Arbeit ist, die man nicht ehrenamtlich erledigen kann. Das macht nicht der Sender, sondern eine externe Firma. Für Clubmitglieder gibt es viele Vergünstigungen, man muss aber auch einen Beitrag zahlen.

Stuttgart 21 als BER des Südwestens und die Bedeutung der Bahn für das öffentliche Leben

Viele Jahre, bevor die Protestanten gegen „Stuttgart 21“ auf die Barrikaden gingen, wurde in Ihrer Sendung bereits über die Umbaupläne für den ehemaligen Kopfbahnhof berichtet. Aufgeregt hat das damals nur wenige. Hat Sie das eigentlich gewurmt?

Wenn du mit einem Thema zu früh dran bist, interessiert es niemanden. Woran das liegt, weiß ich nicht. Die erste Sendung darüber hatten wir schon in den neunziger Jahren gehabt. „Stuttgart 21“ wurde erst richtig zum Thema, als man merkte, dass es jetzt tatsächlich losging. Über ein Jahrzehnt konnte man sich nicht vorstellen, dass das ernsthaft realisiert würde. Ich kann mir das heute noch nicht vorstellen, weil das eine falsche Entscheidung ist. Aber ich habe ein bisschen resigniert und mich aus dem Thema herausgezogen.

Der "Big Boy", die größte jemals gebaute Dampflok", war Thema verschiedener "Eisenbahn-Romantik"-Folgen.
Der "Big Boy", die größte jemals gebaute Dampflok", war Thema verschiedener "Eisenbahn-Romantik"-Folgen.

© SWR

Sie haben also damit nicht Ihren Frieden gemacht.

Nein, und ich habe weiterhin die leise Hoffnung, dass irgendwelche Politiker noch vernünftig werden und sagen: Wir haben jetzt zwei Milliarden Euro in den Sand gesetzt, aber das ist immer noch billiger, als es durchzuziehen.

Dafür haben wir in Berlin unseren Flughafen. Anderes Thema: Für die Zuschauer ist die Sendereihe fest mit Hagen von Ortloff als Erfinder, Leiter, Autor, Moderator verbunden. Angefangen hatten Sie mit Wetter und Kinderfernsehen. Waren die Eisenbahnfilme schon damals ihr Fernziel?

Bei mir im Leben ist vieles Zufall. Ich bin auch nur zufälliger Weise beim Fernsehen gelandet, weil die Redaktion „Durchblick“ freie Mitarbeiter suchte, die ab und zu einen Nachrichtenfilm machen. Mit meinem Studium für Werbewirtschaft, Technik und Kommunikationswissenschaft bin ich da reingerutscht. Ich wusste also, was ein Drehbuch, ein Film und ein Schneidetisch ist. Das war vor knapp vierzig Jahren. Von den Kindernachrichten ging es zur Sportredaktion und parallel zur Abendschau, wo ich später eine kleine Rubrik für das Wochenendwetter präsentierte. In der Abendschau habe ich zudem irgendwann alle Themen zur Eisenbahn bearbeitet. Das war die Voraussetzung, dass ich später etwas anbieten konnte, was zur „Eisenbahn-Romantik“ führte.

Was ist Ihre Motivation?

Ich will den Leuten zeigen, dass die Eisenbahn ein unverzichtbarer Bestandteil des täglichen Lebens ist. Auch wenn man über die Bahn schimpft, ohne sie würde das gesamte öffentliche Leben zusammenbrechen. Ich würde mir wünschen, dass die Politiker die Bahn ein bisschen wichtiger nimmt als derzeit und keine Gedanken an die Privatisierung verschwendet.

"Retter der Nebenbahnen" - so wurde der Schienenbus VT 98 auch genannt. Das Bild stammt aus "Eisenbahn-Romantik"-Folge 118, inzwischen ist die Reihe bei Folge 880.
"Retter der Nebenbahnen" - so wurde der Schienenbus VT 98 auch genannt. Das Bild stammt aus "Eisenbahn-Romantik"-Folge 118, inzwischen ist die Reihe bei Folge 880.

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Solche Appelle sind ja auch aus ihrer Sendung bekannt. Hat es da von Seiten der Bahn oder der Politik jemals Reaktionen gegeben?

Bei mir selber hat sich die Bahn nie gemeldet. Das erwarte ich auch gar nicht. Ein paar kleine Erfolge hatten wir dennoch. Wir hatten zum Beispiel eine kleine Bahnlinie im Siegerland gerettet. Die Industrie wollte den Verkehr auf die Straße bringen und die Bürgermeister wollten einen Radweg auf die Trasse bauen. Durch unseren Einsatz haben wir es geschafft, dass diese Bahnlinie nicht abgebaut werden durfte. Und die funktioniert jetzt wieder wunderbar, sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr.

Inzwischen sind Sie Pensionär, eigentlich, denn bis nach dem offiziellen Jubiläum von „Eisenbahn-Romantik“ im Juli repräsentieren sie die Sendung weiter. Einen Nachfolger für Sie hat der SWR nicht gefunden. Warum nicht?

Es gibt einen Nachfolger als Redaktionsleiter, aber für die Moderation hat man keinen Nachfolger gefunden. Wenn ein Gesicht, wie meines, 25 Jahre eine Sendung prägt – wenn es einen zweiten Moderator gegeben hätte, hätte es gar keine Diskussion gegeben – hat ein Nachfolger dies sehr schwer, zumal ich wohl auch die nächsten Jahre nahezu täglich in den Wiederholungen auftrete. Man kann nicht alle 880 alten Sendungen neu konfektionieren. In den nächsten zwei, drei Jahren wird vielen Menschen gar nicht auffallen, dass ich nicht mehr da bin.

Der Thematik bleiben Sie aber auch weiterhin treu.

Ich werde weiterhin auf Messen gehen mit meiner eigenen kleinen Anlage oder zu Museumsbahnen. Es wird weiterhin „Eisenbahn-Romantik“-Sonderfahrten geben. Ich bin weiterhin unter den Leuten. Einmal Eisenbahn-Romantiker, immer Eisenbahn-Romantiker.

Das Gespräch führte Kurt Sagatz.

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