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Medien: 30 Freunde sollt ihr sein

Die RAI wird teilprivatisiert. Kritiker sehen Einfallstor für Berlusconi

Vielleicht stirbt das italienische Staatsfernsehen RAI sogar von eigener Hand, und nicht durch die Hand seiner Kritiker. Der Streik der Kameraleute von RAI Lombardia, durch den am Mittwoch die Übertragung des Herren-Riesenslaloms bei der alpinen Ski-WM verhindert wurde, hat den Ruf des Staatsfernsehens erheblich beschädigt. Zur aktuellen Kritik kommt die fortgesetzte Klage, die Fernsehanstalt sei ein „Monster“ in der öffentlich-rechtlichen TV-Landschaft Europas, in der kritische Meinungsäußerung überhaupt nicht mehr möglich sei. Dass die RAI nichts mit anderen öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gemein habe, zeigt sich für die Kritiker beispielsweise in der Dauerwerbeberieselung, die zu jeder Tages- und Nachtzeit, aber auch am Wochenende auf allen Kanälen läuft.

Ganz und gar untypisch ist auch, dass der RAI-Verwaltungsrat gleichsam zum Erfüllungsorgan der jeweils amtierenden Regierung wird. Zu diesem ohnehin verwirrenden Bild gesellt sich jetzt noch eine Kuriosität: Die RAI soll teilprivatisiert werden, muss aber weiterhin ihrem öffentlich-rechtlichem Auftrag nachkommen.

Wie das gehen soll, ist für viele ein Rätsel. Die Börsennotierung eines Aktienpakets von 30 Prozent ist indes beschlossene Sache. Noch ein Schwank aus dem Kuriositätenkabinett: Das Privatisierungsvorhaben wurde ohne den etatmäßigen Präsidenten bewerkstelligt. Seit über 250 Tagen ist nämlich die streitbare Lucia Annunziata zurückgetreten – aus Protest gegen die von der Berlusconi-Regierung beschlossene Privatisierung. Die linke Journalistin wurde zwar von den Präsidenten der beiden Kammern des Parlamentes ernannt, damit sie ein Gegengewicht zu den vier männlichen Mitgliedern des Verwaltungsrates würde, die allesamt dem rechten Regierungslager zugeschrieben werden. Doch schon bald kapitulierte sie, als ihr klar wurde, dass sie auf verlorenem Posten kämpfte.

Das uneingeschränkte Regiment bei der RAI und ihren 11 000 Mitarbeitern führt unterdessen Generaldirektor Flavio Cattaneo, der weder Manager ist noch aus der Fernsehbranche kommt. Von Hause aus ist Cattaneo Architekt und hat sich Meriten beim Börsengang der Mailänder Gesellschaft verdient, die in der lombardischen Metropole den Messebetrieb organisiert. Es ist müßig zu erwähnen, dass Berlusconi ihn in dieses Amt hievte. Ohne Probleme segnete der Verwaltungsrat Cattaneos Privatisierungsvorhaben ab, die ein neues Mediengesetz vorsah. Derzeit schätzen die Analysten, dass sich der Gesamtwert der RAI zwischen 4,5 und 6 Milliarden Euro bewegt. Der Verkauf des Aktienpakets soll demnach zwischen 1,125 und 1,5 Milliarden Euro einbringen. Eine besondere Note am Rande: Nur 25 Prozent des Erlöses soll der RAI zugute kommen, was sie auch nötig hat. Die restlichen 75 Prozent hingegen sollen in die Kassen des Finanzministers fließen, der damit die horrend hohe Staatsverschuldung ein bisschen abbauen will.

Wenn es Berlusconi schaffte, dreißig seiner Freunde dazu zu bewegen, je ein Prozent der RAI-Anteile zu erwerben, kritisierte die römische Tageszeitung „L’Unita“, könne er langfristig auf die Fernsehanstalt Einfluss nehmen – selbst wenn er die nächsten Wahlen verlieren sollte. Ganz ist dieser Einwand nicht von der Hand zu weisen. Denn laut neuem Statut werden den privaten Investoren weitreichende Rechte im Verwaltungsrat eingeräumt.

Nach den ursprünglichen Plänen sollte die Börsennotierung in diesem Frühjahr über die Bühne gehen. Jetzt ist die Rede davon, sie auf das Ende des Jahres zu verschieben. Kaufinteressenten für die RAI-Aktien soll es genügend geben. Laut Analysten der Rothschild-Bank übe dieses „anormale Unternehmen“ einen besonderen Reiz auf die Investoren aus. Denn die Hälfte des Umsatzes sei gewissermaßen sicher, und zwar durch die Einnahmen der Fernsehgebühren.

Vincenzo Delle Donne

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