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Die üblichen Verdächtigen beim Herzinfarkt heißen: Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes. Über die Rolle des Cholesterins wird hingegen gestritten.

© Derek Rogers; Sam Chou, 3sat

3sat-Doku "Die Cholesterin-Lüge": Der Fernseher kann den Arzt nicht ersetzen

Eine 3sat-Dokumentation beschäftigt sich in einer Graphic Novel mit der angeblichen „Cholesterin-Lüge“. Gefährlich werden solche Sendungen, wenn Patienten eigenständig ihre Medikation ändern.

Die üblichen Verdächtigen sind schnell ausgemacht. Ihre Konterfeis hängen an der großen Pinnwand des Kommissars, der stets im Trenchcoat erscheint und mürrisch dreinblickt. Es gibt zudem einen Bösewicht, dessen Rolle bei dem Fall als zumindest dubios bezeichnet wird. Das aufzuklärende Verbrechen, das ist der Tod durch Herzinfarkt. Beinahe jeder Dritte stirbt daran. Frauen sind genauso betroffen wie Männer, und es trifft nicht nur Menschen um die 50. Die bekannten Verdächtigen heißen: Rauchen, Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes. Und dann gibt es noch das Cholesterin, angeblich der größte Übeltäter von allen. Nicht immer zu Recht, wie die 3sat-Dokumentation „Die Cholesterin-Lüge“ am Donnerstagabend meint. Ein Fragezeichen hinter dem reißerischen Sendungstitel wäre jedoch angebracht gewesen.

Über Herzinfarkte, die Gefahren des Rauchens und zu vieler Kilos am Körper wird in TV-Gesundheitssendungen regelmäßig berichtet. Dass Cholesterin nicht automatisch schlecht und Cholesterinsenker nicht in jedem Fall vor Infarkten schützen, könnte in der „RBB-Praxis“ genauso behandelt werden wie in dem 3sat-Film, der von einer kanadischen TV-Produktionsfirma stammt. Das Besondere an der Dokumentation sind die Cartoons, die Michael McNamara für seinen Film verwendet. Die Ermittlungen des „Gesundheits-Kommissars“ werden in Form einer Graphic Novel erzählt. Das ist unterhaltsam und hilft, den Blick auf den Kern des Themas zu richten. McNamara hat das Stilmittel zudem sparsam eingesetzt. Um sich mit der angeblichen „Cholesterin-Lüge“ zu beschäftigen, werden wie in jeder anderen Gesundheitssendung Experten befragt und Zusammenhänge erläutert. Problematisch könnte hingegen sein, wenn ein Film wie dieser bei den Zuschauern als Aufforderung verstanden wird, die Medikation zu ändern. Man kann aber hoffen, dass 3sat-Zuschauer zwischen einem Arzt und einem Fernseher unterscheiden können.

Der Titel des Films ist provokanter als der Inhalt

Die Dokumentation ist allerdings längst nicht so provokant wie der Titel des Films. Denn die Aussage ist keineswegs, dass Cholesterin „unschuldig“ ist und auf Cholesterinsenker verzichtet werden kann. So wird der Fall eines Mannes geschildert, der immer sportlich war, dessen Blut aber schon mit Anfang 20 einen exorbitant hohen Cholesterinspiegel hatte. Ohne Cholesterinsenker werde er keine 40, sagten ihm die Ärzte. Dennoch verzichtete er auf die Medikamente. Zunächst. Inzwischen ist der Mann um die 40, seine Arterien weisen Verdickungen auf. Jetzt folgt er dem Rat seiner Ärztin und nimmt Statine, wie die Cholesterinsenker genannt werden. Denn wie auch kürzlich im Tagesspiegel zu lesen war, profitieren von den Statinen diejenigen, die am meisten gefährdet sind, auch am stärksten. Das sind in erster Linie Patienten, die bereits herzkrank sind.

Die Angst vor Cholesterin und fettreicher Nahrung kann jedoch ebenfalls gefährlich sein. Weil viele Verbraucher auf der Suche nach „fettfreien“ Lebensmitteln weniger zu Obst und Gemüse, sondern zu kalorienreichen Produkten greifen, wird genau der gegenteilige Effekt erreicht. Statt sich gesünder zu ernähren, steigt durch Übergewicht das Herzinfarktrisiko. Diese Lüge ist jedoch eher eine bequeme Selbsttäuschung.

„Die Cholesterin-Lüge“, 3sat, Donnerstag, 20 Uhr 15

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