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Häufig tauchte ein Bruder, eine Schwester, ein Vater oder eine Mutter auf, von der vorher nie gesprochen wurde. Und es gab Liebe, manchmal auch verbotene Liebe. Hier lässt sich Lara (Clara Gerst) auf Sex mit Emilio (Florian Wünsche) ein. Foto: ARD

© ARD/Anja Glitsch

Abschied auf Raten: 20 Jahre "Verbotene Liebe"

4647 Folgen: Ende Januar verabschiedet sich die Daily Soap „Verbotene Liebe“. Fortan gibt’s sie nur noch als Weekly. Fans erinnern sich.

Adelsfamilien, derer von Anstetten, von Beyenbach, von Lahnstein, Teenagerliebe, Beziehungskrisen, dubiose Geschäftspraktiken, und ständig taucht ein Bruder auf, eine Schwester, eine Mutter von der vorher nie gesprochen wurde – damit ist es bald vorbei. Am 29. Januar läuft die 4647. und letzte Ausgabe von „Verbotene Liebe“ (VL) in der bekannten Form. Ende Februar soll die seit einiger Zeit quotenschwache Daily Soap, die das Erste seit dem 2. Januar 1995 im Vorabendprogramm ausstrahlt, weiter als wöchentliche Serie laufen. Wie lange „Verbotene Liebe“ dann aber im Programm bleibt, steht nicht fest. Bislang wurden nur 15 Folgen gedreht. Fans müssen Daumen drücken, dass die Produktion der UFA Serial Drama in ihrer neuen Form ein genügend großes Publikum erreicht. An dieser Stelle können sie schon mal Abschied nehmen von einer lieben Gewohnheit.

NEUER LEBENSABSCHNITT

Ich bin Teil der Generation YOLO. Uns steht alles offen, wir sind wahnsinnig flexibel, haben mit 25 die halbe Welt gesehen. Ich habe in den letzten sieben Jahren in fünf Städten gelebt. In all dieser Freiheit des Erwachsenwerdens gab es eine unerschütterliche Konstante: diese eine, lange, nicht enden wollende Liebe, zwischen mir und der „Verbotenen Liebe“. Ich war sieben, als wir uns kennenlernten. Meine Schwester riss mir die Fernbedienung aus der Hand, schaltete vom Kinderkanal zur ARD. Da war‘s geschehen. Mit 19 zog ich aus, in ein neues Leben und beschloss, dass es nun Zeit sei, auch von „VL“ loszulassen. Von einer Kulisse, die alle fünf Jahre durch eine neue Pappwand aufgehübscht wird. Von Erzählsträngen, die sich ziehen wie Kaugummi. Doch nach einem aufregenden Tag mit neuen Freunden waren es die Serienschwulen Oli und Christian, die mich ins Bett brachten. „VL“ ist mit mir ins tansanische Dorf gegangen und in die israelische Großstadt. Und wie jede große Liebe empfing sie mich nach meinen gescheiterten Versuchen der Abspaltung mit offenen Armen zurück. Irgendwessen Kind war immer noch von ungeklärter Vaterschaft, und irgendjemand hatte immer noch nicht verstanden, dass die Frau, mit der er schläft, seine Schwester ist. Ich bin jetzt 26, habe mein Studium beendet, gehe in einen neuen Lebensabschnitt. Im selben Jahr wird „VL“ auf ein wöchentliches Format reduziert. Ein Zeichen? Die Aufforderung, endgültig erwachsen zu werden? Bisher kam die Serie mit. Jetzt ist es wohl Zeit, allein zu gehen. Und wie immer beim Erwachsenwerden: Man weiß, dass es so besser ist, aber bereit ist man nie. Clara Bucher

TSCHÜSS LUXUS

Welch’ Riesenfehler, diese Serie nur noch einmal pro Woche auszustrahlen! Jetzt geht alles verloren, was mich daran reizt: das Schneckentempo der Handlung, die belanglosen Dialoge, die inhaltlichen Wiederholungen, die Nebenstränge, die ins Nichts führen. Den Luxus der Zeitschinderei werden sich die Macher nicht mehr leisten, bei so wenig Sendeminuten müssen sie ab sofort knackige Geschichten erzählen. „VL“, das war für mich die tägliche Dosis an Unterforderung, bei der man nach hektischen Arbeitstagen Kraft tanken konnte. Hirn aus, Herz an. Inklusive der wohligen Gewissheit, nicht ständig aufpassen zu müssen. Man verstand das Geschehen auch, wenn man zwischendurch telefonierte, Mails las, einnickte. Was hielten Sie denn davon, wenn man Ihnen eröffnete, dass es Abendbrot bloß noch einmal die Woche gibt? Ich suche bereits Ersatz, bei dem ich mich zum Feierabend entspannen könnte. Zuerst dachte ich an „Seehund, Puma & Co.“ Aber ich habe reingeschaut. Zu viel Niveau. Sebastian Leber

ALS JUNGE!

Meine Schwester setzte sich regelmäßig an der Fernbedienung durch. So wusste ich – als Junge! – früh über falsche Brüste und Seitensprünge Bescheid. Wir schauten Arabella. Dann kam „VL“, ich war dabei. Ich sah Clarissa von Anstetten sterben. Zwei Mal. Verliebte mich in Nico auf dem Bildschirm, als ich auch im realen Leben punkige Mädchen gut fand. „Fußballspielen mit den Kumpels um 18 Uhr?“ Ausreden, um nicht aufzufliegen. In der WG zockten wir tagsüber Playstation. Nachts schaute ich heimlich „VL“ in der Mediathek. Inzwischen wohne ich mit meiner Freundin zusammen, die liebt „VL“ noch mehr als ich. Hoffentlich nur im Fernsehen. Endlich kein Versteckspiel mehr! Und jetzt nur noch einmal die Woche? Dafür habe ich 15 Jahre gelogen! Acht-Uhr-Seminare verpasst! Eine potenzielle Fußballkarriere aufgegeben! Das ist nicht fair.Leander Huth

DICKMACHER

Meine Schwester aß eine Tafel Schokolade nach der anderen, während das Liebespaar Jan und Julia feststellte, dass es ein Geschwisterpaar war. Ich machte es ihr nach. Sie verdrückte eine Tüte Chips, während Marie sich mit Aids infizierte und Leonard seinem Vater auf einer Kreuzfahrt die Frau ausspannte. Anfangs merkte ich nichts. Wir waren beide klein und zierlich. Als ich dann in die Pubertät kam, Jan und Julia längst verschollen waren und Marie verstorben war, wurde ich immer molliger. Meine Schwester blieb schlank. Zu spät begriff ich: Die Sucht nach „VL“ hing eng zusammen mit der Sucht nach Süßkram. Jetzt kann ich endlich abnehmen. Jana Sommer

ERSTE LIEBE

Wenn ich „VL“ mit ihr schaute, wusste ich: Ich mag das Mädchen wirklich. Als einzige Entschädigung für die Hölle an täglicher Belastungsprobe kristallisierte sich Tanja von Lahnstein heraus. Die hat was, dachte ich. Später wurde mir klar, dass die Optik dieser Tanja in den Grundzügen einer Sexpuppe folgte: sailermoonartige Anordnung von Haarvolumen, Augen, Lippen, Brüsten im adretten Korsett einer erfolgreichen Jungunternehmerin. Ich war dem Sexismus der Serien-Autoren aufgesessen. Tanja bin ich später noch mal begegnet. In dem Film „Alles Bob“ ist sie die Freundin mit den Brustimplantaten. Schade, dass sie immer auf die Femme fatale reduziert wird. Sie hat ja angeblich nebenher Psychologie studiert und hätte bestimmt lieber mal eine echte Charakterrolle gespielt. Völlig unsinnig, sich über so was Gedanken zu machen. Jetzt sieht man sie ohnehin kaum noch. Matthias Stein

45 MINUTEN LEERLAUF

Sommerferien, bei der geliebten Oma, im gemütlichen Sessel, Soljanka mit Stulle. Als was, wenn nicht das Paradies auf Erden, soll sich diese Serie eingeprägt haben? Neulich habe ich mich durch einen Ohrwurm des Titelsongs an diese Kinderzeit erinnert. Nur um mal zu sehen, ob der Song noch immer so bekloppt ist, hab ich mir wieder eine Folge angetan. Rückfall. Ich war auch gerade ziemlich fertig. Mitten in der Abschlussarbeit, parallel zum neuen Job, abends so kaputt, dass „VL“ reinste Erlösung war: Aus dem Büro kommen, kochen und dabei Tanja von Annstettens immer noch eindrucksvollen Machenschaften gucken. Eine sanfte Brise der Belanglosigkeit, nichts, wo man den Faden verlieren würde, weil man gerade den Salat wäscht. Mein geschundener Geist, 45 Minuten im Leerlauf. Genau das, was ich brauchte, wie Tee und Zwieback bei Magen-Darm-Grippe. Inzwischen bin ich clean, aber würde mich schon irgendwie geborgen fühlen, wenn ich wüsste, dass „VL“ noch da wäre. Falls ich sie noch mal bräuchte.Caro Müller

SCHLAFTABLETTE

Ich wünsche Jörg Pilawa alles Schlechte dieser Welt. Er rückt ab Februar mit seiner Pannen-Show „Quizduell“ an den Sendeplatz von „VL“; ich werde also nur noch freitags schlafen können – wenn „VL“ als Weekly läuft. Jahrelang war die Soap mein Gute-Nacht-Tee, mein Sedativum. Ansgar von Lahnstein musste ein paar mal seine schönen Augen rollen, die Firma LCL nur ein paar mal in der schwersten Krise aller Zeiten stecken, und schon schlief ich sanft. Ein einziges Déjà-vu. Im wöchentlichen Format wird kein Platz mehr für die langweiligsten Handlungsstränge sein, es heißt jetzt Herzklopfen statt Schlaftablette. Besonders in den letzten täglichen Folgen: Alle überflüssigen Charaktere müssen schließlich noch auswandern (Australien), entführt oder vom Schloss gejagt werden, sich gegenseitig erschießen, ertrinken (Karibik) oder, wie so oft, dramatische Autounfälle haben. Julia Prosinger

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