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© ARD

Abschied vom Hessen-"Tatort": Aus den Fugen geraten

Den Hessen-„Tatort“ umweht die Melancholie des bevorstehenden Abschieds vom Kommissarenduo.

Es regnet in Frankfurt. Es ist Herbst. Während Charlotte Sänger (Andrea Sawatzki) verloren in der weitläufigen Kantine sitzt, schüttet es draußen. Von Melancholie umweht ist die eigenwillige Kommissarin seit jeher. Der Herbst, das sei ihre liebste Jahreszeit, meint sie denn auch zum Kollegen Fritz Dellwo (Jörg Schüttauf). Wie so oft kann er ihre Ausführungen nur schwer nachvollziehen. Bei diesem Wetter, da könne man über die Dinge des Lebens so gut nachdenken. Zumal, an den Wochenenden. Und so allein. An den Wochenenden seien sie meist auch im Dienst, erwidert Dellwo, und die fehlenden Partner, nun ja.

Noch in der Kantine wird ihnen der nächste Fall zugetragen, von Staatsanwalt Dr. Scheer (Thomas Balou Martin), der eine gute Bekannte, die Frankfurter Vorzeige-Architektin Sofia Martens (Nina Petri), gleich mitgebracht hat. Martens vermisst ihre beste Mitarbeiterin, die junge Anett Berger (Julia Dietze). Keine Spur von ihr, nirgends. Ein Fall für die Kollegen, die Vermisste suchen, meint Dellwo. Doch Dr. Scheer insistiert, man müsse seiner Bekannten dringend helfen. Also machen sich Sänger und Dellwo halbherzig auf die Suche nach der jungen Frau – irgendwo da draußen in der hessischen Metropole.

„Architektur eines Todes“ heißt der neue Hessen-„Tatort“. Es ist der 16. und zugleich der drittletzte, denn das Duo hört 2010 auf, auch wenn der hr weiter mit Sawatzki zusammenarbeiten will. Inszeniert hat den Fernsehfilm Titus Selge nach einem Drehbuch von Judith Angerbauer. Und über dem ganzen Film liegt eine eigenwillige Stimmung, ist die Kamera von Frank Blau oft unruhig, scheint alles und alle irgendwie getrieben.

Je mehr Sänger und Dellwo ermitteln, desto mehr geraten sie an Menschen, die auf der Suche sind, die von einer inneren Getriebenheit sind. Alle stehen unter Strom, bewegen sich in einem Druckkessel – ob es die jungen Kollegen in Sofia Martens’ Architektenbüro sind, gerade etwa der verhuschte Peter Kaufmann (Bastian Trost), der mit der gesuchten Anett Berger im selben Zimmer saß, oder ob es ihr Ehemann Holger Martens (Stephan Bissmeier) ist, der sich um die beiden Kinder kümmert und als Historiker von Zuhause aus arbeitet, und stets für alles scheinbar Verständnis zeigt, auch dafür, dass Sofia morgens früher geht und abends später kommt, und dafür, dass sie sich sehr zu Anett Berger hingezogen fühlte.

Diese Menschen, von denen hier erzählt wird, sie scheinen allesamt geradezu süchtig nach Anerkennung, nach jedweder Form von Halt und Geborgenheit. Vergeblich. Natürlich ist dies besonders deutlich an Nina Petris dichter Darstellung der Architektin abzulesen, der allzu toughen Karrierefrau, die von ihren Kindern nichts mehr mitbekommt, und deren Leben sowohl mit Anett Bergers Erscheinen als auch mit ihrem abrupten Verschwinden völlig aus den Fugen zu geraten scheint. Doch nicht nur ihres. Und so steht die Figur der jungen verschwundenen Frau wie ein Seismograph, wie ein Spiegel der inneren Sehnsüchte und Befindlichkeiten eines ganzen miteinander verwobenen Personenkreises.

Und so mag das Anfangsbild dieses „Tatorts“, das sich im Schlussbild konsequent wiederholt, denn auch wie eine äußere Themen-Klammer wirken. Am Schluss, da sitzen sie wieder in der großen sterilen Kantinen-Halle, die Sänger und der Dellwo. Draußen regnet’s. Es ist Herbst. Es ist unwirtlich – draußen wie drinnen. Zuhause wartet niemand. Auch sie sind allein. Diesmal haben sie ein freies Wochenende vor sich. Vielleicht.

„Tatort – Architektur eines Todes“, ARD, 20 Uhr 15

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