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Tänze spielen die Philharmoniker mit Simon Rattle (links) in Berlin. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Ärgerliche Programmierung: Der falsche Klassiker

Parallele Silvesterkonzerte in ARD und ZDF: Berliner Philharmoniker vs. Sächsische Staatskapelle.

Der Ärger war im wahrsten Sinne programmiert. ARD oder ZDF, Berliner Philharmoniker oder Dresdner Staatskapelle, heißt die für Fans wahrscheinlich unmöglich zu entscheidende Frage an Silvester. Schon 2010 kam Unmut wegen der Parallelübertragung beider Konzerte in den öffentlich-rechtlichen Programmen auf, diesmal ist es nicht anders. Die ARD überträgt das Konzert der Berliner unter ihrem Chef Sir Simon Rattle von 18 Uhr 30 an, die Dresdner setzen mit Christian Thielemann im ZDF zwar eine knappe Stunde eher ein, sind aber erst 19 Uhr fertig.

„Ich muss ganz ehrlich sagen, das hat mich auch geärgert“, sagte Thielemann der dpa. Die Sender hätten zugesichert, dieses Jahr werde das nicht passieren. „Ich finde es unmöglich, aber schuld sind wir nicht.“ Wer Schuld hat, darüber gehen die Meinungen bei ARD und ZDF weit auseinander. Es habe gemeinsame Versuche mit dem ZDF gegeben, die beiden Termine zu entzerren, sagte ein Sprecher der ARD. So habe die ARD ihr Konzert nach hinten verschoben – allerdings nur so weit, wie die um 20 Uhr beginnende „Tagesschau“ es erlaube. Auch das ZDF habe die Sendung auf einen früheren Sendetermin gelegt. Eine Überschneidung sei trotzdem nicht vermeidbar gewesen. „Das ZDF wollte sich nicht weiter bewegen“, sagte der ARD-Sprecher. Bei dem Gespräch sei es nicht darum gegangen, ob einer der beiden Sender ganz auf sein Silvesterkonzert verzichte. „Das stand nicht zur Diskussion“, hieß es bei der ARD. Das ZDF beruft sich auf „programmplanerische Gründe“. Zudem handele es sich bei der Liveübertragung um eine öffentlichen Veranstaltung, die eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliege und die man nicht einfach eine halbe Stunde vorverlegen könne, sagte eine ZDF-Sprecherin. „Die kurze Überschneidung mit dem Silvesterkonzert der ARD stellt im Vergleich zu der gleichzeitigen Übertragung im Vorjahr eine erhebliche Entzerrung dar.“

Trotzdem bleibt da die Überschneidung. Für Kritiker ist das wegen angeblicher Gebührenverschwendung ein gefundenes Fressen, sie fühlen sich an den „Wahnsinn“ der doppelt und dreifach übertragenen Adelshochzeiten in diesem Jahr erinnert. Dann ist Klassik ja in den Hauptprogrammen von ARD und ZDF ein so rares Gut geworden, dass jede „Doppelminute“ doppelt schmerzt. CDU-Politiker Johannes Beermann, der als Chef der sächsischen Staatskanzlei die Medienpolitik der unionsgeführten Länder dirigiert, poltert gegen das Doppelkonzert. „Dass wir in diesem Jahr dasselbe Phänomen wieder haben, zeigt, dass die beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten möglicherweise zwar offene Ohren, aber keine offenen Herzen haben“, sagte Beermann Focus Online. Eventuell müsse der Gesetzgeber „wie bei zwei sich zankenden Kindern“ einschreiten. Für den sächsischen Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) ist die Dopplung Ausdruck für den „Reparaturbedarf“ bei den Öffentlich-Rechtlichen.

Inhaltlich präsentieren sich die beiden Orchester kontrastreich. In Berlin dreht sich zu Silvester alles um den Tanz. Da gibt es slawische und ungarische Tänze von Antonín Dvorák und Johannes Brahms oder Auszüge aus Igor Strawinskys Ballett „Der Feuervogel“. In Dresden setzt Thielemann wie im Vorjahr auf die „leichte Muse“. Diesmal sind es Auszüge aus mehreren Operetten von Franz Lehár. Dass Opernstar Anna Netrebko und ihr Mann Erwin Schrott kurzfristig absagten, soll die Stimmung nicht trüben. Thielemann hat jedenfalls mit seinen Musikern bei einem Léhar-Programm jede Menge Spaß. „Das Orchester ist einfach nur begeistert von der Musik. Alle sitzen grinsend auf den Stühlen, weil sie endlich mal so etwas spielen dürfen“, sagte der 52-Jährige.Joachim Huber (mit dpa)

„Silvesterkonzert“, ZDF, 17 Uhr 35; „Silvesterkonzert“, ARD, 18 Uhr 30

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