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Medien: Aktion und Reaktion

Kritisch vs. Kreml-nah: Zwei Unizeitungen kämpfen um Russlands junge Köpfe

Signalrot ist offenbar die Lieblingsfarbe der Redaktion, und auch sonst geht es ziemlich schrill zu. In der Online- und in der gedruckten Ausgabe. Nach dem Motto: Inhalt ist nichts, Layout alles. Nicht einmal die Regeln der russischen Orthografie sind den Machern heilig. Von „Re-portern“ ist die Rede, von „Re-daktion“ und von „Re-aktion“. So auch der Titel einer Moskauer Studentenzeitung: „Re-Akcija“. Eine „Re-aktion“ des Kremls auf „Akcija“, die in Schwarz und Orange, der Farbe der ukrainischen Revolution, daherkommt?

Gut möglich. Studenten sind die künftigen Eliten des Landes und daher heiß umkämpfte Zielgruppe. Im Dezember dieses Jahres werden die 450 Mandate für die Duma – das russische Parlament – neu vergeben, im März 2008 der Chefsessel im Kreml. Reste der Opposition werden schon im Vorfeld plattgemacht. Putins Paladine gründen pseudo-oppositionelle Parteien, die Losungen realer Regimekritiker aufgreifen und damit auf Stimmenfang gehen, um potenzielle Protestwähler auf Linie zu trimmen.

„Re-Akcija“, fürchtet Roman, 22 und Informatikstudent, würde von den Polittechnokraten des Kremls zu hinterlistigen Zwecken hochgerüstet und solle Akcija Leser abspenstig machen. Mit schräger Rhetorik, vor allem aber mit geklauten Ideen. Ähnlichkeiten sind in der Tat nicht zu übersehen: Beide Zeitungen erscheinen im A-3-Format und zweimal monatlich, beide werden in Clubs, Studentencafés, manchmal sogar in Diskotheken verteilt, und beide wenden sich an „denkende junge Leute“. „Re-Akcija“, die im Februar 2005 startete, behauptet von sich sogar, die erste Zeitung dieser Art in Russland zu sein.

Die Chefin von „Akcija“ – dem Konkurrenzblatt – kann darüber nur höhnisch lachen. „Der gleiche Satz“, sagt Swetlana Maximtschenko, „stand auch auf der Titelseite unser ersten Ausgabe. Nur erschien die bereits am 12. April 2001.“ Fast vier Jahre vor „Re-Akcija“ und drei Jahre vor der „Orangen Revolution“ in der Ukraine. Es sei purer Zufall gewesen, sagt Maximtschenko, die von Anfang an dabei ist, dass das fünfköpfige Redaktionsteam auch farblich auf der richtigen Seite war. Überhaupt, meint die 26-Jährige, sei die „Akcija“-Erfolgsstory eine Geschichte glücklicher Zufälle. Als Startkapital hatten sie ganze 20 000 Rubel, umgerechnet etwa 600 Euro. „Das“, so Maximtschenko, „reichte für genau 999 Exemplare. Und auch nur, weil wir die billigste Druckerei in Moskau genommen haben.“

16 Seiten und jede Menge Druckfehler habe die Startausgabe gehabt. Bis zum Schluss hätten sie über den Namen gestritten. „Ursprünglich“, sagt Maximtschenko, „sollte unser Baby ‚Realitäten und Perspektiven’ heißen. Zum Glück ist Nadja, einer angehenden Juristin, ‚Akcija’ eingefallen.“ Das Wort, betont Maximtschenko, bedeutet im Russischen nicht nur „Aktion“ oder „Action“ sondern auch Aktie. „Das sind wir auch: Ein Wertpapier für denkende junge Leute.“ Das Honorar für den Anwalt, der ursprünglich gegen „Re-Akcija“ wegen Ideenklau klagen sollte, wollen die Macher nun lieber ins eigene Blatt investieren, um den Qualitätsanspruch halten zu können. Für „Akcija“ schreiben inzwischen sogar Journalisten überregionaler Blätter. Denn hier können sie ihre Meinung ohne Zensur und Selbstzensur sagen. So schreiben mindestens zwei Autoren der Tageszeitung „Kommersant“ unter Pseudonym für „Akcija“. „Kommersant“, zuletzt eines der wenigen noch unabhängigen Blätter Russlands, wurde 2006 von einem Kreml-nahen Milliardär gekauft.

„Akcija“ hat inzwischen eine Auflage von 200 000 Exemplaren, die neben Moskau und St. Petersburg auch in anderen Städten ausgelegt werden. „Re-Akcija“ bringt es auf knapp die Hälfte. „Wer langsam anspannt, fährt hernach um so schneller“, bemüht „Re-Akcija“-Chefredakteur Maxim Kononenko eine russische Weisheit. Gegen Plagiatvorwürfe und Kreml-Nähe verwahrt er sich vehement: „Wir sind absolut unabhängig“. Die Konkurrenz will ihn indes schon zweimal im Sommerlager von „Naschi“ (die Unsrigen) gesehen haben, bei Kreml-Kritikern bekannt als „Putin-Jugend“.

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