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Unterwegs werden Nutzer von Smartphones und Tablet-PCs per Push-Nachricht über aktuelle Nachrichten informiert. Um den Service nutzen zu können, müssen sie die entsprechenden Einstellungen in ihrem Geräten für die jeweilige App aktivieren. Foto: dpa

© picture alliance / dpa-tmn

Internet-Nachrichten: Alarm-Bereitschaft

Push-Dienste sollen über wichtige Ereignisse informieren. Doch „Breaking News“ gibt es fast täglich. Von Viagra für die Statistik will aber niemand sprechen.

Als am Sonntagabend die libysche Hauptstadt Tripolis von den Rebellen erobert wurde, schwieg das Telefon. Viele Nachrichtenportale wollten ihre Leser angesichts der unsicheren Nachrichtenlage nicht voreilig per Push-Meldung darüber informieren, dass die Leibgarde von Machthaber Muammar al Gaddafi ihre Waffen niedergelegt hatte. „Was wir dort momentan erleben, ist ein komplizierter Prozess mit unsicherer Nachrichtenlage, da bieten sich Eilmeldungen nicht an“, sagt Spiegel-Online-Chefredakteur Rüdiger Ditz.

Bei anderen wichtigen Ereignissen lässt das Nachrichtenportal die Mobiltelefone seiner Leser jedoch regelmäßig brummen – nicht nur, als im Osloer Stadtzentrum die Bombe von Anders Behring Breivik explodierte und tags darauf Sängerin Amy Winehouse starb. Sondern beispielsweise auch vergangenen Dienstag, als Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy bekannt gaben, sich für eine europäische Wirtschaftsregierung einsetzen zu wollen, verschickte Spiegel Online eine sogenannte Push-Nachricht an die Nutzer seiner App.

Diesen kostenlosen Service bieten fast alle Nachrichtenwebsites an, um ihre Leser unterwegs zu informieren. Haben die Kunden die Push-Einstellung auf ihrem Smartphone oder Tablet-PC aktiviert, werden sie umgehend durch ein Signal über eine Eilmeldung benachrichtigt – also dann, wenn es wichtige Neuigkeiten gibt. Doch viele Portale verschicken inzwischen fast täglich Push-Nachrichten an ihre Kunden. „Breaking News sind alltäglich geworden“, beklagt Andreas Hummelmeier, der als Redaktionsleiter von tagesschau.de auch verantwortlich für den Inhalt der „Tagesschau“-App ist. Oft würden Eilmeldungen als Push-Nachricht verschickt, obwohl dies die Nachrichtenlage nicht unbedingt erfordere.

Wohl auch deshalb, weil nicht nur Leser von dem raschen Info-Service profitieren, sondern auch die Website selbst – denn mit jeder Push-Nachricht verbessert sich die Klick-Statistik der Portale. Zumindest kurzfristig. „Wenn wir eine Nachricht pushen, sehen wir, dass genau zu diesem Zeitpunkt die Zahlen nach oben gehen“, sagt Bettina Klauser, Sprecherin des Nachrichtensenders n-tv, der ebenfalls Push-Nachrichten an die Nutzer seiner App schickt. Oft werden die Nutzer automatisch auf den entsprechenden Artikel der Website weitergeleitet, wenn sie auf die Push-Nachricht klicken.

Werden Push-Nachrichten also wie Viagra für die Statistik eingesetzt? „Nein, wir entscheiden allein nach journalistischen Kriterien, ob wir etwas eilen oder nicht“, sagt Spiegel-Online-Chefredakteur Ditz. Wie oft eine Eilmeldung auf der Website veröffentlicht und damit automatisch als Push-Nachricht verschickt werde, hänge von der jeweiligen Nachrichtenlage ab. Teilweise werde wochenlang keine Eilmeldung versendet, dann mehrmals pro Woche.

Auch Bettina Klauser von n-tv verweist darauf, dass es keinen Automatismus gebe: „Der Push-Service orientiert sich an der Newslage.“ Durchschnittlich verschicke n-tv etwa 25 bis 30 Nachrichten pro Monat als Push-Nachricht an die Nutzer der App, in nachrichtenstarken Monaten wie beispielsweise im März mit dem Erdbeben und seinen Folgen in Japan auch öfter.

Bei den Abonnenten der kostenpflichtigen „Bild“-App kommt es vor, dass das Handy oder der Computer mehrmals täglich Alarm schlagen. Insgesamt 39 verschiedene Auswahlmöglichkeiten für Push-Nachrichten werden in der App angeboten: Von „VIP-News“, über „Bundesliga-News“ bis hin zu „Breaking-News“. Als eine solche Eilmeldung wurde von der „Bild“ beispielsweise die Meldung von der Schwangerschaft der schwedischen Prinzessin Victoria eingeordnet.

Doch wenn Push-Nachrichten zu oft verschickt werden, ist das für die Beziehung zum Kunden nicht ganz ungefährlich. Schließlich vertraut der Nutzer darauf, dass er von dem Portal nur dann auf dem Telefon oder Tablet-PC alarmiert wird, wenn etwas wirklich Wichtiges passiert ist. Dass dieses Vertrauen durch zu inflationären Gebrauch von Push-Nachrichten beschädigt werden könnte, ist auch Focus-Online-Chefredakteur Daniel Steil bewusst: „Werden Nachrichten zu oft als Eilmeldung gekennzeichnet, verlieren Push-News an Gewicht. Deshalb wählen wir Eilmeldungen, die als Push-Nachricht verschickt werden, bewusst aus.“

Einen Wettbewerb, welches Nachrichtenportal am häufigsten und am schnellsten Eilmeldungen verschickt, gebe es nicht, auch versuche Focus Online nicht, die Klick-Statistik durch Push-Nachrichten zu verbessern. „Wir treiben unsere User-Zahlen nicht durch Push-Nachrichten in die Höhe“, sagt Steil.

Andreas Hummelmeier von tagesschau.de versucht ebenfalls, zurückhaltend mit Push-Nachrichten umzugehen. „Wir wollen unsere Nutzer schließlich nicht nerven, sondern unaufgeregt und sachlich informieren“, sagt Hummelmeier.

Wem das Handy wegen „Breaking News“ zu oft brummt, der kann schnell selbst für Ruhe sorgen: einfach den Dienst deaktivieren.

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