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Medien: Alles auf Angst

„Schmidt & Pocher“: Wird es fürchterlich, wird es himmlisch? Drei Erwartungen an die Late-Night-Show

Aus „Harald Schmidt“ wird heute Abend „Schmidt & Pocher“. Eine einstündige Late-Night-Show, die mit vorerst 22 Folgen am Donnerstag ausgestrahlt wird. Schlüssiges über das Konzept ist nicht bekannt geworden. Laut ARD soll es ein „satirischer Wochenrückblick“ werden. Die Show werde mit „Reportagen“ über die „wirklich wichtigen Events im Lande“ angereichert. Dr. med. Eckart von Hirschhausen öffne in jeder Sendung „Die Hirschhausen-Akademie“ und mache das geheime Wissen der Ärzte für alle zugänglich. Ein Gast werde zugegen sein, in der Premiere ist es RTL-Gigant Günther Jauch. Helmut Zerlett leitet die ARD-Showband. Slogan der 60 Minuten: „Mit den Zweien sieht man besser.“ Alles klar?

Harald Schmidt sagte in einem Interview mit „WDR Print“: „Das Konzept ist im Entstehen begriffen. Wir wollen es auch nicht zu früh rausposaunen, weil es sonst in der Presse zerrissen wird.“ Hoho, das ist schon rasend geschickt: Keine Erwartungen wecken, indem man selber keine formuliert. Für den gemeinen deutschen Fernsehkritiker ist das eine unsäglich zwiespältige Situation. Er hängt zwischen Schmidt und Pocher, zwischen Scylla und Charybdis, zwischen Wohl und Übel. Das Gebot der Stunde heißt Exegese – aus dem, was Schmidt und Pocher nicht gesagt haben, eine solide Erwartung entwickeln. Hier werden gleich drei formuliert, damit der Irrtum des Kritikers im Moment des Sendestarts um 22 Uhr 45 nicht ganz so gräßlich ist.

Koch und Kellner

Bundeskanzler Gerhard Schröder beschrieb mit diesem Bild das Verhältnis zum und die Aufgabenteilung mit Außenminister Joschka Fischer. In telegener Fortsetzung wird Fernsehunternehmer Harald Schmidt seinen Vertragsangestellten Oliver Pocher jene Pointen servieren lassen, die der Chefunterhalter für den Nebenunterhalter angerichtet hat. Pocher ist ein sehr wacher Typ, ein ganz frecher Hund, er wird für die Würze sorgen. Hot and spicy. Natürlich ist da die Sorge, dass Frechheit die Intelligenz ersetzt. Pocher reißt Witze, mal ohne Substanz, mal ohne Anlass, ansatzlos, blutig. Wohin die Fernsehsonne reicht, dorthin reicht sein Horizont.

Vom bisherigen Schaffen her kann das 29-jährige Jüngelchen dem 50-jährigen Routinier das Wasser nicht reichen. Oder so: Der offensichtlich bildungsferne Pocher hat sich Teddy Adorno allenfalls laut vorgelesen und nach brauchbaren Pointen gefleddert. Hochkulturbürger Schmidt hat ihn verstanden. Aber da liegt auch eine eigene Spannung drin, im Alters- und in allen sonstigen Unterschieden. Selbiger Schmidt hat angekündigt, nur noch ein oder zwei Jahre vor der Kamera zu stehen. Wetten, er macht als Pocher-Produzent weiter? Also wird Schmidt, der Erziehungsberechtigte, seinen querulatorischen Schüler Pocher öffentlich-rechtlich versetzen. Pocher kann etwas. Und Schmidt muss es beweisen. Der Pocher ist dem Schmidt seine Rentenversicherung. Schmidt wird dem Pocher die schönsten Schnitten überlassen. Die Begierde des Publikums nach Pocher soll wachsen, die Sehnsucht nach Schmidt darf abnehmen.

Stefan und Raab

Das wäre der ARD-Doppelklon von Stefan Raab bei „TV total“ bei Pro Sieben. Heruntergehaspelte Tölpelmomente des Fernsehens und seiner Protagonisten, eine Stunde Uups-die-Pannenshow. Das kann grausam lustig sein, und in seiner schadenfrohen Grausamkeit erleichternd. Wer den größten Blödsinn verlacht, der hat ihn ja schon verziehen. Lachen ist als Ausweis von Liberalität denkbar. Wenn das Fernsehen selbst als Klärwerk des Mediums arbeitet, dann können der Stefan und der Raab des öffentlich-rechtlichen Fernsehens resüssieren. In einer 1:1-Situation: Der bisherige „Harald Schmidt“ krankte nicht zuletzt daran, dass Manuel Andrack den braven „Sidekick“ gab. Stichwortgeber und Claqueur in einer Person. Bei „Schmidt & Pocher“ sitzen beide am größten Schreibtisch der Fernsehgeschichte. Nebeneinander. Einer fordert den anderen heraus, im besten Fall will keiner als der Zweite von den Zweien herauskommen.

Harald Schmidt ist ein fantastischer Synoptiker. Was nicht passt, wird bei ihm nicht passend gemacht. Mit kantenscharfen Pointen und Anspielungen durchtrennt er das Kontinuum von Fernsehen und Zeitläuften und setzt die verschiedenen (TV-)Fragmente neu zusammen zu einem komischen Etwas – zu mehr als dem, was auf der Hand liegt. Hektikfernsehen und Kasperltheater und Wochenrückblick, zum reagierenden Schmidt & Pocher kommen die argumentierenden Harald und Oliver. Geistesgegenwärtig und tiefenscharf. Wird hier gar der Humor durch die kritischen Instanzen der Ironie und der Satire ersetzt?

Linke Backe, rechte Backe

Die letzten Interviews mit Oliver Pocher waren blöd. Harald Schmidt, das war in letzter Zeit ein vergleichbarer Interview-Lautsprech. Was hat er sonst geleistet? Er ist jetzt Ehrenpate der Augsburger Puppenkiste. Sein Liederabend im Schauspiel Stuttgart über Presley plus RAF ist ausverkauft. Wahrscheinlich war er deswegen im Fernsehen nicht mehr kreativ, der Nürtinger will mit seinen Kräften haushalten. Bei „Schmidt & Pocher“ hält er sich mittels seiner erprobten „Alles-egal“-Haltung raus, lässt den Mitspieler hängen. Pocher irrlichtert durch Studio und Zeit. Er greift Schmidt in den Schritt. Die Zuschauer wünschen sich Manuel Andrack zurück. Das Feuilleton fordert Satisfaktion. Die Fernsehkritik ruft den Notstand aus. Franz Müntefering und Kurt Beck treten sich gegenseitig zurück. Schmidt und Pocher gehen als die beiden Arschbacken der ARD auf Grundeis.

„Schmidt & Pocher“, ARD, 22 Uhr 45

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