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Alles Banane, oder was?: Rettet die DDR!

Ein Plädoyer gegen die Fernseh-Fiktion von Dick und Doof hinter der Mauer.

Der Arbeiter- und Bauernstaat ist untergegangen. Das ist Fakt. Fakt ist auch, dass die alles entscheidenden Ursachen die Dumpfheit und die Doofheit der Machthabenden waren. Das Fernsehen hat es am Sonntag erneut zweifelsfrei bewiesen. Die beiden Stasi-Leute in der RTL-Geschichtsklamotte „Westflug – Entführung aus Liebe“ waren von solcher Einfalt, dass es an ein Wunder grenzte, dass sie nicht selbst ein Loch in die Mauer geklopft haben – in der irrigen Annahme, jetzt würden die BRDler die DDR stürmen. Dick (Stasi-Chef Erich Mielke?) und Doof (SED-Boss Erich Honecker?), so war Deutschland Ost.

Nur selbstverständlich, wenn die Wessis es nach der Wende so schwer mit den Ossis hatten – die waren ja alle extrem schwer von Begriff. Allerdings, und das zeigte überzeugend die szenische ZDF-Dokumentation „Deckname Annett – Im Netz der Stasi“ am vergangenen Dienstag: In der DDR der 50er Jahre, da war das mit den Doofen noch nicht so arg, da waren die Helfer und Helfershelfer der Staatsmacht eine Ansammlung von Schattenmenschen. Verschlossenste Gesichter, roh im Kopf und umso entschlossener, den Klassenfeind fertigzumachen. Doof kam später, das lag wahrscheinlich am grassierenden Bananen-Mangel.

So kann das nicht weitergehen mit der DDR in der gesamtdeutschen Fiktion. So sehr die Fernsehmacher Mühe darauf verwenden, die DDR bis zum letzten Hemdknopf hyperrealistisch auszustatten, so geben sie sich immer weniger der Anstrengung um historische Gerechtigkeit, strukturelle Genauigkeit, individuelle Gefährdung hin. Nichts kann erklärt, aufgeklärt werden, warum jener Staat 40 lange Jahre existieren konnte, wenn dieser Staat und seine willigen Zuträger und Organe nicht ernst genommen werden.

„Weissensee“, die ARD-Serie, tut das, und sie tut das mit erkennbarem Erfolg beim Publikum. Mehr als fünf Millionen Zuschauer schalten Folge für Folge ein. Geschickter als aufgesetzt verknüpft die Produktion eine Romeo-und-Julia-Geschichte mit den daraus resultierenden inneren wie äußeren Konflikten einer Stasi-Familie in der direkten Konfrontation mit einer Familie der Unangepassten, der Widerständigen. Was vermag Venus im Zeichen des Mars? Emotion transportiert Information.

Aber „Weissensee“ fällt auf, weil die Serie zur Ausnahme gerät in der fernsehfiktionalen DDR, die wie eine Instant-Suppe nur angerührt werden muss und schon ist der Mief der bösen Jahre zurück. Niemals war die DDR eingängiger als heute, eine stumpf-graue Folie, wo einzelne Menschen, waren sie von widerspenstiger Schläue, im Handumdrehen zu Helden werden konnten. Diese Tom-und-Jerry-Dramaturgie vom fresswütigen Kater auf seiner Jagd nach der stets entkommenden Maus ist richtig aufgehoben im Zeichentrick, und nur dort. Über Dick und Doof von der Stasi zu lachen, klar, das macht Spaß, weil es immer Spaß macht, wenn die Omnipotenten die Verlierer sind.

Kerstin Decker hat in dieser Zeitung festgestellt: „Es gehört zu den Indikatoren eines schwindenden historischen Sinns, dass kein Unterschied mehr gemacht wird zwischen der frühen DDR, der mittleren und der späten. Unrechtsstaat bleibt Unrechtsstaat.“

Wenn alles eins wird, wird nichts richtig, wenn alles eine Schablone ist, passt nichts ins Bild, wenn alles als Witz erzählt wird, kippt die Perspektive. Gewiss, es ist nicht die vordringlichste Aufgabe einer Serie oder eines Films, eine Spielhandlung ins Gewand einer detaillistischen Dokumentation zu stecken. Da kommt selbst die beste Unterhaltung drin um. Die Suche nach einer historisch angemessenen Behandlung kann aber nicht mit der Bestleistung der Requisiteure und einer Happy-EndLogik beantwortet werden. Eine Serie über jene WG in Wandlitz, das wäre mal eine Tat, eine Demonstration.

Das DDR-Fernsehen heutiger Provenienz feiert zu leichte Siege. Der unablässige Triumph von David Abstand über Goliath Allmacht ist eine korrekte, beruhigende Haltung. Fragt sich zwischendurch mal einer, warum die bösen Ostgoten so lange so siegreich sein konnten? Im Serienplüsch, selbst im Eastern enthüllt sich kein Osten. Der Arbeiter- und Bauernstaat ist im Deutsch-TV zur Karikatur verkommen. Die DDR, die Stasi, und jetzt wird es richtig komisch, sie müssen gerettet werden. Joachim Huber

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