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Medien: Alles Lüge?

Sobald Zuschauer in einer Fernsehsendung abstimmen können, fühlen sich viele betrogen. Denn absoluten Schutz vor Schummelei gibt es nicht

Wenn der Verdacht aufkommt, im Fernsehen würde geschummelt, gerät die ganze Nation in Aufruhr. Da mag auf der Welt passieren, was will – Massenunglücke, Wahlen, Kriege. Kaum ein Thema eint die Deutschen mehr, als wenn es in einer Unterhaltungsshow nicht mit rechten Dingen zuzugehen scheint. In Büros wird darüber diskutiert, Leser rufen bei ihrer Zeitung an, Zuschauer beschweren sich beim Sender oder in Internet- Foren, und „Bild“ macht daraus ein Riesenthema.

Gerade musste Thomas Gottschalk beteuern, nicht gewusst zu haben, dass die alte Dame, die er aus dem Publikum dazu auserkor, Tom Hanks umarmen zu dürfen, die Mutter von RTL-„Superstar“-Juror Thomas Stein ist. Gottschalk ist in punkto Glaubwürdigkeit ein gebranntes Kind. Was für den „Stern“ die Hitler-Tagebücher sind, ist für „Wetten, dass …“ der Buntstiftlecker, der behauptete, am Geschmack die Farbe zu erkennen. Ein Imageschaden ohnegleichen.

Schummeleien verzeiht ein Millionenpublikum nicht. Warum sucht sich Günther Jauch bei „Wer wird Millionär?“ oft so telegene Kandidaten aus? Werden die Fragen auch wirklich korrekt gestellt, und wissen die Leute, die sich für die Quizshow die Fragen ausdenken, auch wirklich immer die korrekte Antwort? Warum flog bei „Deutschland sucht den Superstar“ die Favoritin Gracia raus? Weil die viel schwächere Vanessa die Beschützerinstinkte weckte und so die Zuschauer besser mobilisieren konnte, für sie zu stimmen? Oder war doch die Computer- Mafia im Spiel (siehe Kasten)?

Hand aufs Herz: Bei allen diesen Sendungen geht es doch um nichts als Unterhaltung. Ob nun eine Gracia oder eine Vanessa gewinnt, ob ein Kandidat bei Jauch eine ganze Million oder 500 Euro gewinnt – kein Zuschauer muss daheim im Wohnzimmer darunter leiden. Ist die gern gestellte Frage, ob es da auch immer mit rechten Dingen zugeht, eine typisch deutsche? In anderen Ländern, in der die „Superstar“-Show ausgestrahlt wurde, war das Ausmaß der Zuschauerproteste bei weitem nicht so groß, sagt Christian Körner von der Produktionsfirma. Nicht ohne Grund sei es nur in Deutschland üblich, eigens einen Notar zur Überwachung der Abstimmung zu bestellen. Also alles nur Hysterie und Paranoia?

Immerhin findet sich kein einziges Gerichtsurteil zu einem Fall, bei dem ein Zuschauer oder ein Wettkandidat geklagt haben.

Die Senderverantwortlichen sind sich dessen bewusst, dass Zuschauer oft wie die Luchse vor ihrem Fernsehgerät sitzen, um eine Betrügerei zu entlarven. Gelingt ihnen das, entlädt sich bei manchem die gesammelte Wut: darüber, dass sowieso alle nach Strich und Faden belügen und betrügen – das Fernsehen, die Medien, der Chef, die Ehefrau und Politiker erst recht. Im Alltag mögen sich viele machtlos fühlen. Das ändert sich mit der Fernbedienung in der einen und dem Telefon in der anderen Hand.

Der nächste Ärger scheint programmiert: Mehr noch als bei „Superstar“ ist es beim „Grand Prix Eurovision“ entscheidend, dass die Zuschauer den TED-Ergebnissen vertrauen. Schließlich geht es beim Vorentscheid darum, welcher Interpret die eigene Nation vertritt. „Weil Zuschauer das Gefühl hatten, dass eine gewisse Leitung immer besetzt ist, kam es in den Vorjahren schon mal zu verärgerten Anrufen nach der Sendung“, erinnert sich Carolin Cords vom NDR, der die deutsche Vorentscheidung organisiert. Am 7. März wird die Zahl der Televoting-Anschlüsse nochmals erhöht, zudem sollen die Zuschauer per SMS abstimmen dürfen. Findige Computerhacker könnten da kleine Schummelprogramme schreiben, um über kostenlose SMS-Anbieter im Internet massenhaft für einen Kandidaten zu votieren. Hundert Prozent Sicherheit gibt es nie.

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