zum Hauptinhalt
„Es werden nicht zu wenig gute Frauen eingestellt, sie kommen nur andernorts nicht voran.“ Die Moderatorinnen Anne Will und Sandra Maischberger sowie RBB-Intendantin Dagmar Reim (v. l.) haben sich in einem offenen Brief an Medienhäuser gewandt. Fotos: ARD

© WDR/Max Kohr

Allesversprecher sind out: Wege nach oben

Das Thema Frauenquote wird heftig debattiert. Einige Unterstützerinnen wie die Talkshow-Produzentinnen Sandra Maischberger und Anne Will gehen mit gutem Beispiel voran.

Sie selbst gehören zu den starken Frauen in Deutschlands Medien. In einem offenen Brief an 250 Verleger, Chefredakteure und Intendanten haben Anne Will und Sandra Maischberger zusammen mit 350 Kolleginnen gefordert, dass in den nächsten fünf Jahren mindestens 30 Prozent der journalistischen Führungspositionen in deutschen Medienhäusern von Frauen besetzt werden. Der Brief hat eine heftige Debatte ausgelöst. „Vor ein paar Jahren war ich noch fest davon überzeugt, die Zeit würde die eklatante Frauenlücke in den Chefetagen unserer Branche schon schließen“, begründet Maischberger die Initiative. In manchen Bereichen, zum Beispiel in den Intendanzen der ARD, sei einiges passiert. „Aber es fehlt noch vieles, und vor mancher Neubesetzung scheidender oder ausgewechselter Chefredakteure steht man kopfschüttelnd: Warum kommen nicht die fähigen Frauen im Team zum Zug, sondern immer der gleiche Typus männlicher Allesversprecher?“

Ihre eigene Karriere begann Maischberger bei den Öffentlich-Rechtlichen, moderierte dann unter anderem „Talk im Turm“ mit Erich Böhme. Ihre Talkrunde bei n-tv war so erfolgreich, dass die ARD sie engagierte. Maischberger komplettiert dort mittlerweile – im Gefolge der Spuren, die Sabine Christiansen einst geebnet hat – eine Talker-Gilde, die mit ihr, Anne Will, Günther Jauch, Frank Plasberg und Reinhold Beckmann (fast) paritätisch besetzt ist. In kaum einer anderen Branche ist der Anteil von berühmten und starken Frauen so hoch wie in der Medienbranche. Maischberger ist Geschäftsführerin der Produktionsfirma Vincent TV an den Standorten Berlin und Hamburg.

Natürlich sei ihre 20-köpfige Firma nicht mit großen Medienhäusern vergleichbar. Maischberger führt die Geschäfte zusammen mit Matthias Martens, das Verhältnis Männer/Frauen bei Vincent TV ist fifty-fifty. Der Redaktionsleiter ist männlich. „Bei uns wird nicht nach Geschlecht besetzt, sondern nach Qualifikation.“ Ähnliches gilt für die Produktionsfirma Will Media. „Dass nur ein Bruchteil der Führungspositionen in den Rundfunkanstalten und Verlagshäusern von Frauen besetzt ist, ist ein katastrophaler Missstand. Ohne Quote ändert sich daran – offensichtlich – nichts“, sagt Anne Will. Ob sie in ihrer Rolle als Geschäftsführerin einen „anderen Blick“ auf Frauen habe? Mag sein – für Will gilt immer: „Frauen sind für jede Position selbstverständlich genauso geeignet wie Männer und gehören gezielt gefördert.“ Das sehe man auch an der Zusammensetzung ihres Teams. „Wir haben eine stellvertretende Redaktionsleiterin, eine Chefin vom Dienst, eine Produktionsleiterin, eine Aufnahmeleiterin, eine Pressesprecherin und fünf Redakteurinnen. Wir haben aber auch einen Redaktionsleiter, einen Chef vom Dienst und vier Redakteure/Autoren.“ Dass sich die Männer bei Will Media in leichter Unterzahl befinden, bedeute nicht, dass Anne Will weniger gern mit ihnen zusammenarbeiten würde oder ihnen weniger zutraute. „Im Gegenteil: Ich halte eine ausgewogene Mischung für besonders produktiv.“

Dann müsste der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) auch besonders produktiv sein. Intendantin Dagmar Reim hat sich in dem offenen Brief ebenfalls für die Frauenquote ausgesprochen und geht bei der öffentlich-rechtlichen Anstalt mit gutem Beispiel voran. Der RBB beschäftigt Anfang 2012 insgesamt 1 865 Mitarbeiter, davon 919 Frauen. Der Frauenanteil beträgt 49,3 Prozent. 2003, kurz vor der Fusion des SFB mit dem ORB und dem Amtsantritt von Dagmar Reim, waren es 47,8 Prozent.

Bei den Führungskräften fällt das Verhältnis deutlicher zugunsten der Männer aus. Anfang 2012 beschäftigte der RBB 126 Führungskräfte, davon 48 Frauen. Macht einen Frauenanteil von 38,1 Prozent (2003: 22,8 Prozent). Tendenz steigend, sagt Reim. „Es werden nicht zu wenig gute Frauen eingestellt, sie kommen nur andernorts nicht voran.“ Beim RBB sei das anders. „Führungspositionen in Teilzeit? Realität im RBB. Probleme mit der Betreuung der Kleinen daheim? Ein Eltern-Kind-Zimmer steht bereit. Wer früh kommt und spät geht, ist ein toller Hecht?“ Im RBB siege das Sitzfleisch nicht über den Geist. „So durchlöchern wir die gläserne Decke, an die Frauen auf dem Weg nach oben sonst oft stoßen.“

Diesem Geist haben sich unter www.pro-quote.de bereits über 2300 Unterstützerinnen (und Unterstützer) angeschlossen. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder fehlt noch.

Zur Startseite