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Medien: Als das Jungsein noch wild und gefährlich war

Wie der Pop erwachsen wurde: Eine Arte-Dokumentation erinnert an das epochale Jahr 1965

In ihren besten Tagen, so hat es ein BBC-Reporter penibel errechnet, haben die Who pro Woche Bühnen-Equipment im Wert von 1946 Pfund zerstört. Sie zerschlugen ihre Gitarren und rammten Mikrofonständer in Verstärker. Ihre Auftritte glichen Happenings, bei denen es darauf ankam, möglichst großen Krach zu entfesseln. Ihren immensen Verschleiß von Instrumenten finanzierte die Band durch Diebstahl. „Ich ging in ein Musikgeschäft, griff mir die nächstbeste Gitarre und rannte davon“, erzählte Gitarrist Pete Townshend später in einer Talkshow.

Ihre Hymne „My Generation“, in der die Who die berühmte Zeile „I hope I die before I get old“ sangen, war eine Kampfansage: an alle, die älter als 30 waren. im Sommer 1965, als London begann, „swinging“ zu sein, drückte sich jugendlicher Enthusiasmus in immer länger werdenden Haaren und schreiend bunten, immer kürzer werdenden Röcken aus. „Niemand wollte so werden wie seine Eltern“, erinnert sich Filmregisseur Richard Lester. In seiner Komödie „The Knack“ schoben Proto-Hippies ein Bettgestell durch London, begafft von Bowlerhut-tragenden Spießern. Wahrscheinlich war es nie wieder so schön, aber auch nie wieder so gefährlich, jung zu sein. Langhaarige, die alleine unterwegs waren, wurden garantiert verprügelt.

In seiner Dokumentation „Youthquake ’65“ erklärt Regisseur Christoph Dreher das Jahr 1965 zum epochalen Datum: Von nun an war der Pop erwachsen. Bands wie die Who, Yardbirds, Kinks oder Pretty Things experimentierten mit Verzerrern und Rückkopplungen und begannen, eigene Stücke zu schreiben. Stones-Manager Andrew Loog Oldham, scharf auf höhere Tantiemen, soll Mick Jagger und Keith Richards so lange in einem Badezimmer eingesperrt haben, bis sie mit einem Song herauskamen. Der Arte-Film versammelt grandiose Konzertmitschnitte, springt aber etwas zu hektisch von Schnipsel zu Schnipsel. Gerne würde man Zeitzeugen wie dem Yardbirds-Bassisten Chris Dreja länger zuhören, der nun als graubärtiger Herr vor dem Crawdaddy Club steht, den seine Band einst zerlegte.

Youthquake ’65: Arte, 22.15 Uhr

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