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Anne Will

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Anne Will: Gehen und kommen

Anne Will bleibt sich auch bei ihrer letzten „Tagesthemen“-Ausgabe treu. Caren Miosga wird die Lücke schließen.

Die Rosen passten zu den Hosen. Redlich mühten sich die ARD und alle Beteiligten, die aus der internen Rotation der Moderatorinnen resultierenden Abschiede herzlich zu gestalten und nicht zum Staatsakt zu stilisieren. Nach zehn Jahren strenger Humorlosigkeit versuchte Sabine Christiansen es am Ende vor 3,98 Millionen Zuschauern mit einem Dittsche-Sketch. Dann kamen die weißen Rosen. Etwas ausführlicher als Christiansen verabschiedete sich Anne Will von den „Tagesthemen“, deren karge Sonntagsschicht sich komplett applaudierend im Studio um sie versammelte. Ihr „Auf Wiedersehen“ zielt auf den 16. September, an dem sie von Sabine Christiansen das Wort am Sonntag übernehmen wird.

Anne Wills letzte „Tagesthemen“-Sendung war eine der Kurzversionen am Sonntag, dennoch hat sie ihre Arbeit freundlich und souverän wie gewohnt getan. Fast 2,4 Millionen Zuschauer haben es ihr gedankt. Vom 16. September an ist „Anne Will“ dann nicht mehr nur der Name einer guten Nachrichtenmoderatorin, sondern einer Sendung. Es wäre originell gewesen, den neuen Talk anders zu benennen. Aber nicht auf Originalität, sondern auf rasche Eingewöhnung des Zuschauers kommt es der ARD an. Was anders werden soll, verrät die Protagonistin noch nicht, außer dass sie ihr eigenes Team um sich scharen will, die ARD etwas Geld sparen wird und sie mehr Frauen einzuladen gedenkt.

Anne Will hat die Chance und trägt das Risiko, aus dem Sprechen über Politik wieder eine normale Fernsehsendung zu machen, jenseits aller künstlichen und inszenierten Überhöhungen, wie sie für Machart und Rezeption von „Sabine Christiansen“ typisch wurden. Deren Talk wurde zur Hoch-Zeit wie eine Instanz der Politik wahrgenommen. Dem entsprach die Weihe durch den Bundespräsidenten, der noch einmal sein Standardrepertoire durchdeklinierte.

Anne Wills Arbeit bei den „Tagesthemen“ hat sie dafür prädestiniert, journalistisch auf die Politik als Gegenüber zu schauen. Auch in ihren letzten Sendungen blieb sie dem erarbeiteten Stil treu. Wie sie schon am Sonnabend in knappen Worten die Lage der SPD vor deren „Zukunftskongress“ skizzierte oder am Sonntag die mit Washington abgesprochene Doppelstrategie des israelischen Ministerpräsidenten Olmert auf den Punkt brachte – das war konzentrierte Arbeit am Text, verständlich, ohne jeden Populismus. Ihr Motto: „Ist doch nur Fernsehen“ hat sie nicht als Alibi für sprachliche Schlamperei oder Banales verwendet. Sie hat die Zuschauer angesprochen, ihnen Hilfen zur Orientierung gegeben, sich aber nicht plump angebiedert. Sie war freundlich, hielt aber Distanz.

Sie konnte für die jeweiligen „bunten Stücke“ – zuletzt ging es um das Jubiläum des Hofbräuhauses oder den Friedhof für Fans des argentinischen Fußballklubs Boca Juniors – die Stimmung wechseln, verfiel aber trotz ihrer schon oft besungenen, angeblich Ironie anzeigenden Augenbrauenhebung nie in jene verkrampft-zwinkernde Lockerheit, die für den späten Ulrich Wickert typisch wurde. Sie blieb Journalistin ohne das übertriebene Selbstbewusstsein der „Spürhunde“ oder „Weltendeuter“. Sie ist politisch, aber nie so, als sei sie selbst in einer anderen Welt der Salons oder besseren Gesellschaft zu Hause. Für die „Tagesthemen“ war das ein Gewinn, ein Plus an Frische, die in einen Kontrast trat zur statischen Stilistik Wickerts, der seinem Altersruhesitz zustrebte. Im Duo mit dem braven Tom Buhrow, der den eigentlich großzügig bemessenen Raum eines abendlichen „Tagesthemen“-Moderators noch immer nicht ausfüllt, wurde sie zur eigentlichen Stütze des Formats, was insbesondere in der Konkurrenz zum personell gut besetzten ZDF auch nötig war.

Im Rahmen des Nachrichtenmagazins verstand sie es, knappe Interviews sehr forciert zu führen. Bis zur Gastgeberrolle in großer Runde ist es dennoch ein Stück Weg. Aber die im Sport gelernte Ad-hoc- Präsenz und der souveräne Umgang mit eitlen Politikern dürften einen interessanten Politiktalk möglich machen. Sie muss aufpassen, nicht in die Enge eines Fachdiskurses abzugleiten. In der ARD führte der irreale Zauber um „Sabine Christiansen“ zu einem Nachteil: Diese Bühne der Politikerdarstellung galt als Inbegriff der Politiksendung überhaupt. Dokumentarisches zur Innenpolitik, erst recht differenzierte filmische Porträts wurden an den Rand gedrängt.

Anne Will geht – Caren Miosga hat das Zeug, die Lücke zu schließen. Anne Will kommt. Da besteht die Möglichkeit, den Journalismus zu stärken – gerade wenn der nach ihr benannte Sonntagstalk abrüstet, sich nicht länger als Konkurrenz zu den Institutionen der Politik inszeniert, sondern „nur Fernsehen“ sein will.

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