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Arbeitsplatz-Jubiläum: Vom Comic zum Krimi

Dominic Raacke und Boris Aljinovic ermitteln seit zehn Jahren im RBB-„Tatort“. Anfangs waren sie Buddy-Bären, jetzt sind sie Kommissare. Und der Schauplatz heißt zum Glück Berlin.

Es mag gegen Jugendwahn und entsprechende Zeitläufte gerichtet sein, aber diesen beiden Männern tut es ausgesprochen gut, dass sie zehn Jahre älter geworden sind. Oder sehen nur ihre Hauptkommissare Till Ritter und Felix Stark besser aus? Dominic Raacke, 52, spielt Till Ritter und Boris Aljinovic, 44, spielt Felix Stark. Sie bilden das Fahnderduo im „Tatort“ des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB). Das tun sie seit März 2001, seit der Ausstrahlung des gemeinsamen Erstlings „Berliner Bärchen“. Und das waren sie auch: Stark kam daher wie der ewige Sohn, der Muttern noch immer täglich den Mülleimer runterbringt, doch die wahre Katastrophe bot Ritter – Cowboystiefel und weitere modische Entgleisungen, Erst-mal-eene-rochen-Attitüde, ein Schnodder-Superburschi, der cool sein wollte und als Buddy-Bär rüberkam.

Schnitt. Ritter und Stark eine Dekade später, ihr heutiger Fall heißt „Mauerpark“. Geblieben und doch abgemildert ist die dramaturgisch gewollte Frontstellung des Paares, hier der intuitive, impulsive Ritter, der Individualist, dort der in Cord ausgeschlagene, besonnene Stark, der Analytiker. Das passt schon, und es passt auch, weil dieses „Tatort“-Paar in Konkurrenz zu allen anderen Fahnderduos steht. Da ist weniger Verwechslung als Abgrenzung gefragt. Ritter und Stark lösen gemeinsam, sprich mit Bauch und Verstand Fälle, sie sind jedoch kein „Paar“, das ständig an der Currywurstbude hängt, das Private längst im Beruflichen hat aufgehen lassen.

Die Entwicklung der Berliner während der vergangenen 25 Fälle - dieses souveräne Schauspiel von Dominic Raake und Boris Aljinovic kann die mitgeschleppten Schwächen nicht camouflieren. Der „Tatort“ des RBB beschäftigt die zweitbesten Autoren, die zweitbesten Regisseure, er hat nur den allerbesten Schauplatz – Berlin. Die Hauptstadt ist faszinierend, sie ist groß, hart, kaputt zuweilen.

Berlin, seinen Einwohnern und seinen Gästen darf jedes Verbrechen zugetraut werden, das zeigt der tägliche Polizeibericht. Das bringt den Fällen des RBB-Krimis eine enorme Spannweite ein, welche Gemeinheit, welche Verirrung, welcher fiese Plan soll hier schon unglaubwürdig wirken? Im Berliner Mauerpark, Teil des früheren Todesstreifens, auf dem Einheimische und Touristen heute Kaffee trinken, wird eine Leiche gefunden, ein bekannter Strafverteidiger. Der Fall führt in dessen Vergangenheit. Die Aufklärung ist kurvig, auch dieser „Tatort“ lügt wie die ARD-Sonntagskrimireihe in den Grenzen seiner Logik – so hanebüchen ist das Geschehen im Fortgang der Geschichte (Buch und Regie: Heiko Schier). Die Millionen „Tatort“-Fans werden auch dieses Mal dranbleiben, ihrem Lieblingskrimi wird bis zum Selbstbetrug alles verziehen. Die Bodensee-Version am vergangenen Sonntag zum Beispiel hätte der eklatanten Buch-Doofheit wegen gar nicht erst ausgestrahlt werden dürfen.

Der Berliner „Tatort“ bleibt zu diesen und anderen Schwächen der Krimireihe auf Sichtweite. Wahrlich wohltuend, dass seine Kommissare fern der vergrübelten Seelenwanderung mancher Kollegen sind und die Fälle, Dramaturgie und Personal, an der Weltanschauung des durchschnittlichen Gesellschaftskritikers vorbeikommen, obwohl „Mauerpark“ beim Thema „Sicherheitsverwahrung“ reinschaut. Obacht, verkrampfte Aktualität.

Wo steht der „Tatort“ des Rundfunks Berlin-Brandenburg? Auf dem Mittelstreifen, auf elegante, sophisticated Täterei wird ebenso verzichtet wie auf hochspannendes, eisenhartes Whodunit-Material. Aber auch das verkraften Berlin und Till Ritter und Felix Stark.

„Tatort: Mauerpark“, ARD, 20 Uhr 15

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