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Das Fahndungsfoto von Jaber Albakr

© WDR/Journalistenbüro GKD

ARD-Doku "Der unbekannte Terrorist": Wer war Jaber Albakr?

Er soll einen Anschlag auf den Berliner Flughafen Tegel geplant haben. Vor einem Jahr wurde er erhängt in seiner Gefängniszelle gefunden. Eine ARD-Reportage rekonstruiert den Fall Jaber Albakr.

Am 12. Oktober 2016 wird der Syrer Jaber Albakr erhängt in seiner Leipziger Gefängniszelle aufgefunden. Zu diesem Zeitpunkt war er Deutschlands wichtigster Gefängnisinsasse – ein mutmaßlicher Terrorist des Islamischen Staates. Sein Anschlagsziel: der Flughafen Tegel in Berlin. Sein Tod: das unrühmliche Ende in einer Serie beispiellosen Behördenversagens. So intoniert die ARD-Reihe „Story im Ersten“ die sehenswerte Reportage „Der unbekannte Terrorist“, die ein Jahr nach den Ereignissen an diesem Montagabend ausgestrahlt wird.

Der Fall Jaber Albakr warf viele Fragen auf. Hat Generalbundesanwalt Peter Frank das Verfahren zu spät an sich gezogen? Braucht es Bundesgefängnisse für Terroristen? Haben die Leipziger Beamten Albakr fahrlässig in seiner Zelle allein gelassen? Über all das wurde in den Wochen und Monaten nach Albakrs Tod diskutiert, auch der Tagesspiegel hat darüber ausführlich berichtet.

Wie konnte es zu der Häufung von Pannen kommen?

Die Autoren des vom WDR und MDR produzierten Films – Jan Schmitt, Arndt Ginzel, Naima El Moussaoui und Tarek Khello – wollen insbesondere wissen: Wer war der 22-jährige Syrer? Kam er bereits als kaltblütiger Terrorist ins Land? Hat er allein gehandelt? Und natürlich: Wie konnte es zu dieser unglaublichen Anhäufung von Ungereimtheiten, Versäumnissen und Pannen kommen?

Die Rekonstruktion beginnt in Damaskus. Dort spricht das ARD-Team mit den Eltern Albakrs, die sich erstmals öffentlich äußern. Sein Vater wischt sich durch Smartphone-Bilder mit Jaber Albakr, erzählt von dessen Elektrotechnik-Studium, aber auch, wie ein Teil der Familie auf Seiten von Syriens Machthaber Assad, der andere für die Rebellen gegen den IS kämpften.

Albakr flüchtet über Libyen zunächst nach Italien, von da aus geht nach Deutschland. Im sächsischen Eilenburg bezieht er mit anderen Flüchtlingen eine Wohnung. Ein ehemaliger Mitbewohner erinnert sich daran, dass Albakr sehr unselbstständig, ansonsten aber sehr unauffällig war, keineswegs besonders religiös.

Die Ursache der Radikalisierung sieht die Reportage darin, dass Albakr nach seiner Anerkennung als Flüchtling plötzlich auf sich allein gestellt war. Er lebte fortan in einer eigenen Wohnung ohne Mitbewohner und Betreuer. Eine Situation, mit der er nur schwer zurecht kam, erzählen die Eltern, die ihm trotz Heimweh rieten, in Deutschland zu bleiben. Geriet der orientierungslose Mann so in die Fänge von Islamisten? Warum reiste er zweimal in die Türkei, einmal mit längerer Weiterfahrt nach Syrien? Die Macher des Films finden einen Kontakt in Syrien, der berichtet, dass Albakr in der Zeit in Rakka eine Terrorausbildung erhielt.

Das LKA Sachsen war überfordert

Zurück in Deutschland hat er seine Wohnung verloren, kommt in einem Hotel unter, wo er erste Terror-Hinweise hinterlässt, weil er mit aggressiven Chemikalien hantiert. Das Hotel informiert die Behörden, der Vorgang wird aktenkundig. Mehr passiert jedoch nicht. Nach einem Hinweis eines „befreundeten Geheimdienst“ gerät Albakr ins Visier des Verfassungsschutzes, als er per Bus nach Berlin fährt und dort offenbar den Flughafen Tegel auf mögliche Anschlagsziele ausspäht und später diverse Chemikalien bestellt. Später wird die von der sächsischen Landesregierung einberufene Expertenkommission feststellen, dass spätestens jetzt das BKA hätte übernehmen müssen. Tatsächlich blieb die Federführung in Sachsen, das damit überfordert war.

Als die Verhaftung erfolgen soll, gelingt Albakr die Flucht, weil die Einsatzkräfte auf nahezu allen Ebenen versagen, wie wiederum die Expertenkommission feststellen wird. Immerhin: Generalbundesanwalt Peter Frank stellt sich ebenso den Fragen der ARD-Reporter wie Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, und Herbert Landau, der als ehemaliger Verfassungsrichter die Expertenkommission geleitet hatte. Der sächsische Innenminister Markus Ulbig sieht sich hingegen nicht einmal in der Lage, die Fragen an ihn schriftlich zu beantworten. Die Verhaftung Albakrs verdankte die Polizei schließlich der Geistesgegenwart dreier anderer Syrer, die ihn quasi fertig verpackt den Behörden übergaben.

Bei allen Pannen und Versäumnissen, das hat die Expertenkommission unterstrichen, wurde eines jedoch erreicht: ein potenzieller Anschlag auf einen Flughafen verhindert, der beim Einsatz von 1,5 Kilogramm Sprengstoff vermutlich viele Menschenleben gekostet hätte.

„Die Story im Ersten: Der unbekannte Terrorist“, ARD, Montag, 22 Uhr 45

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