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Sophia (Michelle Barthel) will bei Johnny (Paul „Sido“ Würdig) unterkriechen. Und Johnny ist wieder einmal überfordert.

© dpa/ARD

ARD-Film: Sido heiratet eine Familie

Ein Berliner Sozialmärchen: Der TV-Film „Eine Braut kommt selten allein“ zeigt Paul "Sido" Würdig als überforderten Hellersdorfer.

Cindy ist längst aus Marzahn abgehauen. aber Johnny (Paul „Sido“ Würdig) ist in Hellersdorf hängengeblieben. Da hängt er jetzt, der gescheiterte DJ und Clubbetreiber, in seinem Campingstuhl, starrt in sein existenzielles Zwischentief und kifft die Zeitläufte weg. Frau Katja (Petra Schmidt-Schaller) ist mit Tochter Lena (Mitzi Kunz) aus der „Platte“ in ein besseres Leben geflüchtet.

Johnny würde mühelos von der Schock- in die Endstarre finden, wenn nicht Zufallsfreund Avram (Rauans Taleb) die Sophia (Michelle Barthel) durch Johnnys Wohnungstür schieben würde. Einmal kann er sie noch rausschieben, beim zweiten Mal steht sie in einem Monster von rotem Kleid vor ihm, in dem sie angeblich vor ihrer Hochzeit aus Serbien geflüchtet ist. Johnny kann wieder mal nicht Nein sagen, außerdem ist es ihm egal, ob Sophias Geschichte stimmt. Johnny hat sich verliebt – seine Wiederauferstehung deutet sich an.

Aber der Film heißt: „Eine Braut kommt selten allein“. Also rauschen Sophias Vater Ramadan (Nedjo Osman), die Geschwister, Onkel, Tanten, Nichten, Neffen, Cousins, Cousinen nach Hellersdorf, in Johnnys Wohnung. Pickepackevoll ist die Bude – und dann wird der Hellersdorfer auch noch gezwungen, Verantwortung zu übernehmen. Er muss seiner neuen Familie helfen, Fuß zu fassen, sie vor Abschiebung bewahren. Johnny wird ihr Beschützer.

Johnny will Sophia, nicht aber Sophias Familie

Das fordert, das überfordert. Johnny will nicht in sein altes Leben zurück, ein Leben nur mit Sophia, das wäre ihm eindeutig am liebsten. Wird nix, Familie ist Familie, und diese Familie sieht in Johnny jetzt Sophias Mann, nichts anderes sieht Sophia in Johnny.

Der Film nach dem Drehbuch von Laila Stieler („Mitten in Deutschland: NSU – Die Opfer – Vergesst mich nicht“) hat da schon einige Kehren genommen. Er ist eine Komödie, da geht das leichter, das Spiel mit Schein und Sein, mit Wahrheit und Wahrscheinlichkeit, mit Klischees und Konventionen. „Eine Braut kommt selten allein“ glänzt an einigen Stellen kitschig, aufpoliert zum immanenten Appell, Mitmenschlichkeit überall und gegenüber jedem zu üben. Das wissen sowohl die Autorin als auch die Regisseurin Buket Alakus („Einmal Hans mit scharfer Soße“). Sie prononcieren mehrmals das Gegenläufige, sie lassen die Story zwischen dem Verbindenden und dem Trennenden schweben.

Das Berliner U-Bahn-Volk gibt dann Sophia wegweisende Tipps für die Ausländerbehörde – „Serbien, keine Chance, nimm Syrien“ – und übt mit ihr den Satz „Ich heiße Samira, ich komme aus Aleppo und möchte Asyl in Deutschland beantragen“. Alles Asylbetrüger? Johnny belügt das Arbeitsamt und seine Noch-Ehefrau, wenn es darum geht, sich Vorteile zu verschaffen. Er belehrt seine Gäste über Diebstahl, aber er bereichert sich selbst. Und Müßiggang war sein Lebenszweck.

Der Film spielt mit der Realität

Vielleicht ein Risiko, das die RBB-Produktion eingeht: Menschen vom Rand der Gesellschaft in die Primetime zu holen. Und auch noch als Komödie, wo allerhand komisch wird, was eigentlich todernst ist – die Abgehängten, die Fremden, der Clash von Balkan und Balkonien. Der Film formuliert nicht Realität, er spielt mit ihr, er zeigt Möglichkeiten und märchenhafte Möglichkeiten auf. Anything goes, auch beim Witz. Sophia stellt die morgendliche Deutsche-Hausfrauen-Frage: „Wie willst du deine Eier?“ Johnny: „Gekrault“. Es darf an den falschen und an den richtigen Stellen gelacht werden. Der Film führt ein subversives, kein strenges Regime.

Zur Umkehrung der Verhältnisse gehört auch, dass in dem überzeugenden Riesenensemble die deutsche Schauspielerin Michelle Barthel die Romni Sophia darstellt und Johnny von dem mit den Sinti-Wurzeln, Paul „Sido“ Würdig, gespielt wird. Würdig ist ja auf dem Weg, den Rüppelrapper Sido mit dem „Arschficksong“ hinter sich zu lassen. Der ARD-Film ist nicht seine erste Schauspiel-Arbeit, wahrscheinlich aber seine bisher beste. Seine Besetzung ist gut, weil die Johnny-Figur nicht so ganz weit weg ist von der Würdig-Biografie. Sido kriegt den Hellersdorfer von der traurigen Gestalt ordentlich hin, und wo das darstellerische Kapital fehlt, da drängt der Überzeugungskern, im richtigen Film zu sein, nach vorne.

„Eine Braut kommt selten allein“, ARD, Mittwoch, 20 Uhr 15

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